Made with MAGIX
Exkursionen und Goethe-Geburtstage 1988 - 2019
1988
Tagesexkursion nach Weimar
1990
Goethes 241. Geburtstag in Dahlem mit
Goethe-Quiz
1995
Goethes 246. Geburtstag in Dahlem mit
Gesangsdarbietung
1999
Auf Goethes Spuren im Elsaß und in Lothringen
1999
Tagesexkursion nach Bad Lauchstädt
2000
Auf Goethes Spuren in den böhmischen Bädern
2001
Auf Goethes Spuren in Wetzlar, Garbenheim und Koblenz
2001
Goethe 252. Geburtstag in Bahnitz –
Der Mann von 50 Jahren
2002
Goethes 253. Geburtstag in Kochberg –
Goethe-Lieder
2003
Auf Goethes Spuren im Harz
2004
Auf Goethes Spuren in der Schweiz
2004
Tagesexkursion nach Stendal
2005
Exkursion nach Marbach und Knittlingen
2006
Auf Goethes Spuren durch Sizilien
2006
Goethes Geburtstag in Bahnitz –
Gretchen-Szenen
2007
Auf Goethes Spuren in Weimar und Tiefurt –
Die Fischerin
2008
Auf Goethes und Schillers Spuren in Thüringen
2009
Auf Goethes Spuren nach Franken und ins Fichtelgebirge
2010
Auf Goethes Spuren durch Oberitalien
2010
Goethes 261.Geburtsag in Wiepersdorf –
Musik der Goethezeit
2011
Auf Goethes Spuren in Sachsen
2011
Goethes 262. Geburtstag in Wörlitz
2012
Sonderveranstaltung: 25 Jahre Goethe-Gesellschaft Berlin e.V.
2012
Auf Goethes Spuren in Rom, Tivoli und Frascati
2012
Goethes 263. Geburtstag in Sanssouci –
Literarisches Programm
2013
Auf Goethes Spuren an Rhein, Main und Neckar
2014
LiteraTour nach Schwaben
2015
Auf Goethes Spuren durch Schlesien
2016
Auf Goethes Spuren durch Böhmen
2016
Goethes 267. Geburtstag in Glienicke
2017
Feier 30 Jahre Neugründung Goethe Gesellschaft Berlin e.V. in Schloß Steinhöfel
2017
Auf Goethes Spuren durch Thüringen
2017
Goethes 268. Geburtstag in Schloß Ziethen 28.8.2017
2018
Goethes 269. Geburtstag in der großen Landesloge 28.8.2018
2018
Auf Goethes Spuren durch Venedig
2019
Reise nach Weimar Bonn, und Düsseldorf
2019
Festakt: 100 Jahre Goethe - Gesellschaft Berlin e.V.
2019
Mittwoch 28. August: Goethes 270. Geburtstag in Schloß Ziethen
2019
Sonderveranstaltung Lesung West-Östlicher Divan - Rosa u. Jonathan Tennenbaum
190
Exkursionen und Goethe-Geburtstage
Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf
Reisen, meint Werner in Goethes Roman  Wilhelm
Meisters Lehrjahre.
Goethe ist in seinem langen Leben oft gereist, meist
gern, immer mit festen Zielen, niemals  untätig, stets
Gewinn erhoffend und Gewinn einbringend. Die im
Tagebuch vom 13. Januar 1779  niedergeschriebene
Sentenz: Elender  ist  nichts  als  der  behaglich
Mensch ohne Arbeit, kann für  Goethes Einstellung
zum Reisen in vollem Umfang gelten. Und Tätigkeit
und Wohlbehagen hat dieser Reisende nicht gesucht,
sehr wohl aber immer und überall  Erkenntniszu-
wachs auf allen Gebieten des Wissens.
Der bereits Siebzigjährige, gereift auch und  gerade
durch zahlreiche Reisen, wußte den damit erlangten
Persönlichkeitsgewinn  genau  zu  benennen: Das
Bekannte wird neu durch unerwartete Bezüge und
erregt,  mit  neuen  Gegenständen  verknüpft,  Auf-
merksamkeit, Nachdenken und Urteil.
Auf etwa 40 großen Reisen bewältigt Goethe die für
damalige  Verhältnisse  imponierende  Wegstrecke
von etwa 31.000 km, rechnet man die mehr als 140
kleineren Reisen in den Jahren von 1765 bis 1831
dazu, so ergeben sich etwa 40.000 Reisekilometer –
eine Äquatorumrundung.
Goethe war auf Genie-, Bildungs-, Entdeckungs-
und Forschungsreisen, war dienstlich oder zum Kur-
aufenthalt unterwegs – genaue Abgrenzungen sind
bei dem Naturell dieses Reisenden weder möglich
noch nötig. Er weilte dreimal in der Schweiz, zwei-
mal in Italien, sechzehnmal in Böhmen, dazu in Bä-
dern  wie  Pyrmont,  Wiesbaden,  Tennstedt  und
berührte – unter teilweise dramatischen Umständen
– erst polnischen, schließlich französischen Boden.
In Thüringen waren Jena, Ilmenau, Erfurt, Gotha,
Eisenach und Rudolstadt häufige Zielorte. Er reiste
zu Fuß, mit Pferd oder Maulesel, benutzte Sänften,
Kutschen und Schiffe. Er reiste allein,  wie während
der  Fahrt  von  Karlsbad  nach  Rom  1786  oder  er
reiste  in  Begleitung  von  Diener,  Kutscher  oder
Schreiber, so während der zweiten Italienfahrt mit
Paul  Götze  und  während  der  dritten  Schweizer
Reise 1797 mit Schreiber Ludwig Geist.
Im Alter reiste er zuweilen auch mit wissenschaftli-
chen Begleitern, so unter anderem mit Johann Hein-
rich Meyer, mit Johann Peter Eckermann oder mit
Friedrich Wilhelm Riemer. Goethe besaß seit 1792
als  Geschenk  Carl Augusts  eine  Halbchaise,  seit
1799 eine Equipage. Für dieses Fahrzeug erhielt er
vom  Herzog  jährliche  Beihilfen,  weil  damit  bei
Dienstreisen der Marstall entlastet wurde. Mit Kos-
ten für Kutscher und zwei Pferde mußten dafür jähr-
lich dreihundert Thaler bezahlt werden.
1810  erwirbt  er  in
Karlsbad  eine  Reise-
Batarde  (ein  leichter
Reisewagen mit klapp-
baren  Fenstern  und
einem  Verdeck,  das
man bei schönem Wetter öffnen konnte) samt Kof-
fer, Magazin, eisernem Hemmschuh und sonstigen
Zubehör für 1200 Gulden.
Erstaunliche physische Leistungen sind unter den
Reisen zu finden: Während der zweiten Schweizer
Reise 1779  wurde  in  30  Reisetagen ein  Ritt  von
1500 km absolviert, während der Fichtelgebirgsreise
1785 waren 30-km-Fußmärsche nichts Ungewöhn-
liches und, ein letztes Beispiel: Am 10. Dezember
1777 wurde – ein unerhörtes Wagnis seiner Zeit –
eine Brockenbesteigung versucht und bewältigt.
191
Im Jahre 1778, anläßlich seiner Berlinreise, erreicht
Goethe den nördlichsten Reiseort in seinem Leben,
das  Dörfchen  Tegel.  Neun  Jahre  später,  im  Juli
1787, steht er in Agrigent/Sizilien auf der südlichs-
ten Position. 1790 gelangt er während der schlesi-
schen  Reise  am  weitesten  nach  Osten,  bis  zum
Bergwerk Walitzka in Schlesien /Polen und wieder
zwei Jahre später, 1792, hat er in welthistorisch be-
deutsamer  Stunde,  im  Dörfchen  Somme-Tourbe
nordöstlich von Châlons sur Marne sein Wirkungs-
feld im Westen abgegrenzt.
Die großen Reisen lagen zwischen der ersten und
der  dritten  Schweizer Reise,  zwischen  1775  und
1797. Danach werden sie abgelöst durch Bade- und
Informationsreisen, die der Vierundsiebzigjährige
von 1823 an gleichfalls einstellt. Überschlagsrech-
nungen besagen: Johann Wolfgang von Goethe war
fast  14  Jahre  seines  Lebens  auf  Reisen.
(Quelle:
Jochen Klauß: Goethe unterwegs)
Im Folgenden wollen wir versuchen, die meisten der
über 30 Exkursionen auf Goethes Spuren, die wir in
den letzten drei Jahrzehnten unternommen haben zu
veranschaulichen – so gut dies eben möglich ist, in
Anbetracht des mitunter etwas spärlichen Bildma-
terials des ersten Jahrzehnts noch in der vordigitalen
Ära.
Da unzählige Goethe-Pilger vor uns in den letzten
zwei Jahrhunderten seinen Spuren gefolgt sind, be-
wegten wir uns notabene zuweilen auf recht ausge-
tretenen Pfaden, vor allem immer dann, wenn der
einheimische Tourismusverband das Goethe-Poten-
tial seiner diversen authentischen Lokalitäten bereits
erkannt hat. Dann schreitet man gewöhnlich  von
einer Gedenktafel zur nächsten, die alle lediglich
besagen, daß Goethe dort am So-und-so-vielten ge-
gessen, getrunken oder genächtigt habe.
Vielerorts hat man inzwischen gut ausgeschilderte
Goethe-Wanderwege angelegt, etwa in Thüringen,
in Böhmen, im Harz und um Wetzlar herum. Dort
stößt man dann auf Goethe-Felsen, die er angeblich
irgendwann einmal erklettert hat, Goethe-Bäume,
wie etwa die Sesenheimer Eiche, unter der man sich
dann  mit  viel  Phantasie  eine  um  1770  stattge-
fundene Begegnung mit Friederike Brion vorstellen
muß, oder die Werther-Linde bei Garbenheim, unter
der Goethe angeblich gern beim Schoppen Wein saß
und plauderte: über Gott, die Welt und das Reichs-
kammergericht oder gar mit Lotte selbst.
Hierzulande sind die meisten authentischen Orte, in
denen sich Goethe länger aufgehalten hat, wie etwa
in Frankfurt am Main, Leipzig, Straßburg und Wetz-
lar natürlich mittlerweile sehr überformt von den Er-
eignissen der letzten zwei Jahrhunderte, inklusive
der beiden Weltkriege, die bedauerlicherweise auch
einige der authentischen Schauplätze und ihre ori-
ginale Bausubstanz zerstörten.
Dies betrifft besonders auch Goethes Elternhaus am
Großen Hirschgraben, in dem Goethe seine Kindheit
und Jugend verbrachte, – mit Ausnahme der Studi-
enjahre in Leipzig 1765/68 und Straßburg 1770/71,
bis er 1775 nach Weimar ging.
Nach dem Tod 1795 des Vaters verkaufte Goethes
Mutter das Haus samt Einrichtung, da es für sie al-
lein zu schwer zu bewirtschaften war. Nach dem
Verkauf  ging  das  Haus  durch  mehrere  private
Hände.
Als es 1863 durch einen größeren Umbau verändert
werden  sollte,  gelang  es  dem  1859  gegründeten
Freien Deutschen Hochstift, das Haus zu erwerben,
es sukzessive nach dem Vorbild von historischen
Quellen und Goethes Lebenserinnerungen wieder
einzurichten und als eine der ersten derartigen Dich-
tergedenkstätten der Öffentlichkeit zugänglich zu
machen.
Bei dem Luftangriff auf Frankfurt a. M. vom 22.
März 1944, dem 112. Todestag Goethes, wurde der
192
Straßenzug  des  Großen
Hirschgrabens schwer be-
schädigt  und  auch  das
Goethe-Haus  durch Flie-
gerbomben  zerstört.  Da
1949  Goethes  200.  Ge-
burtstag  bevorstand,  be-
schloß  man  1947  eine
originalgetreue  Rekon-
struktion.  1951  fand  die
feierliche Eröffnung statt.
Die während des Krieges
ausgelagerten Schätze an Mö-
beln, Kunst- und Gebrauchsge-
genständen, Büchern, Bildern
und Handschriften konnten in
Goethes Elternhaus heimkeh-
ren.  Seitdem  haben  mehrere
Millionen Besucher das Haus
besucht.
Daß  Goethes  Wohnhaus  am
Frauenplan  noch  weitgehend
im Originalzustand erhalten blieb, ist ebenfalls be-
sonderen Umständen zu verdanken. Nach seinem
Tod 1832 erbten die Schwiegertochter Ottilie und
ihre drei Kinder das Haus, die es auch weiterhin be-
wohnten. Die eigentlichen Wohn- und Arbeitsräume
Goethes  wurden  allerdings  nicht  weiter  genutzt,
blieben nach dem Willen der beiden Enkel Walther
und Wolfgang über ein halbes Jahrhundert bis 1885
weitgehend verschlossen und wurden nur wenigen
ausgewählten  Besuchern  in  Ausnahmefällen  ge-
zeigt. Als 1885 Walther von Goethe starb, erhielt
laut Testament der Weimarische Staat das Haus am
Frauenplan und Goethes umfangreiche Sammlun-
gen. Man gründete eine öffentliche Stiftung, deren
wissenschaftliche Mitarbeiter das Vorderhaus und
etwas später die Arbeits- und Wohnräume der Öf-
fentlichkeit zugänglich machten und als Museum
konzipierten, mit dem Ziel, die einzelnen Zimmer
gemäß den überlieferten Zeugnissen wieder in einen
möglichst authentischen Zustand zu verwandeln, an-
genähert an jenen, der zu Goethes Lebzeiten bestan-
den hat.
Auch Weimar wurde von Kriegsschäden nicht ver-
schont. Das Haus am Frauenplan blieb einigerma-
ßen unbeschädigt mit Ausnahme des Westrakts und
des Urbinozimmers; auch hier hatte man – wie in
Frankfurt – das gesamte Inventar wohlweislich vor-
her ausgelagert.
Wer sich schon ein wenig länger auf Goethes Spuren
bewegt, dem ist erfahrungsgemäß wenig daran ge-
legen, das Haus am Frauenplan zu besuchen, wenn
sich dort die Massen tummeln. Goetheaner pflegen
diesen ganz besonderen Ort  wenigstens alle paar
Jahre einmal aufzusuchen; man selbst kommt als
verändertes  Individuum  dorthin;  doch  dort  steht
alles noch oder »wieder« an seinem Platz; deutli-
chere Spuren von Goethe gibt es an keinem anderen
Ort der Welt.
Jedes Bild, jede Skulptur, jedes Möbelstück hat er
ausgesucht,  ihnen  sein  Platz  bestimmt.  Am  ein-
drücklichsten wird dies in den hinteren spartanisch
eingerichteten persönlichen Räumen, dem Arbeits-
zimmer, der Bibliothek und dem Schlafzimmer.
Auch in den Ilmpark geht man besser allein oder zu
zweit; stattet der Felsentreppe, dem Borkenhäus-
chen, dem Schlangenstein, dem Shakespeare-Denk-
mal oder der Sphinx von Zeit zu Zeit mal wieder
einen Besuch ab. Auch das Gartenhaus ist eigentlich
nicht für Besuche en groupe ausgelegt, ebensowenig
der  untere Garten mit den schmalen verschlungenen
Wegen, den Ruheplätzen, dem Denkmal des Glücks.
Ganz zu Beginn der Berliner Neugründung Goethe-
Gesellschaft war eine Exkursion nach Weimar noch
ein kleines Abenteuer; zunächst mußte man ein Ein-
reisevisum beantragen und Westmark gegen DDR-
Währung  umtauschen,  bei  der  auf  den  grünen
Zwanzig-Mark-Scheinen  dann  ausgerechnet
Goethes Konterfei abgebildet war.
Viel interessanter als jene Orte, an denen Goethe vo-
rübergehend wohnte und sich aufhielt, sind natürlich
193
jene, die er in seinem Werk beschreibt. Durch Wetz-
lar will der Goethe-affine Besucher natürlich nicht
zuletzt schlendern, weil es nun einmal seit fast 2 ½
Jahrhunderten die Wertherstadt ist. In Böhmen sind
natürlich in erster Linie für die Goetheaner Marien-
bad und Elbogen von Interesse, da hier die authen-
tischen  Schauplätze  für  die  Begegnungen  des
74-Jährigen mit der 19-jährigen Ulrike von Levet-
zow  zu  finden sind, die  ihn nachher zur  Nieder-
schrift der Marienbader Elegie inspirierte.
Auch hier muß man wieder sehr viel Phantasie mit-
bringen: im Goethe-Museum in Marienbad spricht
heute niemand deutsch, die kleine Aussstellung in
Goethes Wohnräumen im damaligen Gasthof  zur
Traube ist mit kleinen Goethe-und Ulrike-Puppen
in Miniatur-Glasvitrinen  eher  etwas läppisch; im
Erdgeschoß zeigt man zwischen Vitrinen mit Stein-
sammlungen einen Film aus den 1980-er Jahren des
vorigen Jahrhunderts; nicht einmal ein Faltblatt gibt
es in Goethes Muttersprache. Tschechien tut sich
immer noch  schwer  mit  der  einstmals  deutschen
Vergangenheit des Egerlandes.
Auch  in  Karlsbad,  das  ja ebenso wie  Marienbad
während  der  Gründerzeit  seinen  großen  Auf-
schwung erlebte, finden sich so gut wie keine Spu-
ren  mehr  außer  den  oben  erwähnten  ubiquitären
Gedenktafeln.
Ähnliches  gilt  für  das
Elsaß;  in  der  dortigen
Gedenkstätte  in  Sessen-
heim  begegnet  man  in
einem Memorial genann-
ten  Gebäude  nicht  dem
20-jährigen Goethe, son-
dern  dem  80-jährigen
Greis,  der  Kopie  seines
kolossalen  Hauptes  aus
Gips,  in  den  Friederike
Brion  sich  wohl  kaum
verliebt hätte. Es handelt sich um eine Kopie der
von David d´Angers 1829 geschaffenen Büste, des
einzigen französischen Bildhauers, der den Dichter
je modellierte. Das kleine Musée Goethe im neben
der Kirche gelegenen Restaurant Au Bœuf hat Ge-
dichte,  Briefe  aus  jener  Zeit,  Bilder  und  Stiche
sowie eine umfangreiche Bibliothek mit Goethe-Bü-
chern aus dem 19. Jahrhundert dort ausgestellt; denn
wer käme schon nach Sessenheim, wenn nicht die
Touristen aus aller Welt auf Spuren Goethes.
Am  spannendsten  ist  sicher  die  Spurensuche  in
jenen  beiden  Ländern, über  die uns  aus  Goethes
Feder und damit aus erster Hand ausführliche Rei-
seberichte über seine unmittelbaren Eindrücke vor-
liegen:
In seinen Briefen aus der Schweiz schildert er seine
drei Reisen in die Alpenrepublik 1775, 1779 und
1797 seine Begegnungen mit Land und Leuten aus-
führlich. Goethe hat ein waches Auge für die gesell-
schaftlichen,  politischen  und  wirtschaftlichen
Verhältnisse der Schweiz und mit wenigen Ausnah-
men fallen seine Urteile darüber positiv aus.
Wie so viele andere ist er natürlich fasziniert vom
Gründungsmythos der Schweiz, als er die legendä-
ren  Stätten  der  Innenschweiz  –  Rütli,  Tellplatte,
Tell-Kapelle, Altdorf, Hohle Gasse – besucht. Die
Faszination verdichtet sich später sogar zum Plan,
den Tell-Stoff in einem Hexameter-Epos zu bearbei-
ten, doch überläßt er dann Schiller das Sujet.
Noch wichtiger und nachhaltiger als diese politi-
schen  und  sozialen  Erfahrungen  ist  freilich  das
Erlebnis  der  schweizerischen  Landschaft,  ins-
194
besondere  auch  des
Hochgebirges der Alpen.
Fasziniert  schildert  er
die  ihn  immer  wieder
überwältigenden Natur-
eindrücke.
Auf jeder der Reisen bil-
dete die Besteigung des
St.-Gotthard-Pas ses
einen Höhepunkt. Dieser
zentral gelegenen Wasserscheide kommt bei Goethe
eine symbolische Bedeutung zu. Südwärts davon
lockt das seit der Kindheit schwärmerisch imagi-
nierte Italien, das ihn mit magischer Kraft anzieht.
Über Goethes fast zwei Jahre andauernden italieni-
schen Aufenthalt  von  1786-88  sind  wir  von  ihm
selbst durch das für Charlotte von Stein verfertigte
Reisetagebuch, auf dessen unmittelbaren Eindrü-
cken die drei Jahrzehnte später diktierte Italienische
Reise basiert, aufs Anschaulichste ins Bild gesetzt.
Zu keinem Zeitpunkt seines Lebens wieder wird er
so  frohgemut,  energiegeladen  und  zuversichtlich
sein wie in Rom, das er den Ort seiner Wiedergeburt
nennt. Hier verkehrt er in Künstlerkreisen, lernt von
ihnen und spielt sogar mit dem Gedanken, vom Li-
teraten zum Maler zu werden. Sein künstlerisches
und  architektonisches Hauptinteresse gilt nun der
Antike, in der er die Identität von Natur- und Kunst-
gesetz am vollkommensten verwirklicht findet.
Auch die Bilder, die vom Goethe in Italien existie-
ren, zeigen plötzlich einen am geselligen Volksleben
der Menschen teilnehmenden Zeitgenossen; verges-
sen die steifen Portraits der letzten Weimarer Jahre.
Das ungeheure Ausmaß der Eindrücke, die Goethe
in Rom in diesen Monaten empfängt, sind so viel-
fältig, daß man bei Exkursionen, basierend auf den
Schilderungen der Italienischen Reise sich immer
auf bestimmte Aspekte beschränken  sollte.
Wir haben uns bislang dreimal auf Goethes Spuren
in Italien bewegt, waren zunächst in Sizilien, danach
erst in Rom und als Letztes in Oberitalien. Nach
jeder dieser Reisen erhielt ich von den Teilnehmern
anschließend eine wahre Bilderflut; schließlich hat-
ten wir in nur 4 bis 5 Tagen natürlich möglichst alles
Wesentliche  sehen  wollen,  wovon  Goethe  in  der
Italienischen Reise berichtet. Die entsprechend kur-
zen Textkommentare mußten daher notgedrungen
summarisch die Haupteindrücke zusammenfassen.
Ausgesprochen gute Erfahrungen haben wir in Rom
und  Oberitalien  mit  Klauss  Weiss  von alba
Tours/Stuttgart gemacht; man kehrt nachher wis-
sensmäßig bereichert zurück; doch bei fünf Kirchen,
zwei  Tempeln,  samt  Vatikanischer  Museen,  Tri-
umphbogen und Forum Romanum kann einem dann
schon mal der Kopf schwirren.
Die Kapitel Exkursionen und Goethe-Geburtstage
sind gedacht als Erinnerung für unsere Mitglieder,
und möglicherweise enthalten sie auch die eine oder
andere  Anregung  für  andere  OV-Vorstände,  was
man denn, Goethen auf seinen mannigfaltigen Un-
ternehmungen folgend, so alles anstellen kann.
195
1988: Tagesexkursion nach Weimar
Die erste Exkursion nach Weimar mit rund 25 Teil-
nehmern und 7 Autos ist abenteuerlich: Jeder muß-
für  sich  persönlich  einen  Einreiseantrag  in  die
DDR beantragen. Mit 20 DM Umtauschgebühr 1:1
gegen 20 Ostmark, auf denen Goethes Konterfei
prangt, ist man dabei. Jede Truppe fährt individuell
los, um 12 Uhr  trifft man sich auf dem Marktplatz
in Weimar.  
Die Schilderungen des sogenannten DDR-Stadt-
bilderklärers, der eine Führung unter dem Titel
Weimarer  Klassik anbietet,  weisen  eine  heftige
ideologische Schlagseite auf. So heißt es etwa: Für
das Elend der Strumpfwirker von Apolda sei der
Großherzog Carl August verantwortlich mit seiner
Spielsucht und dem Faible fürs Militärische; zu-
nächst sind die Berliner etwas irritiert, doch alsbald
finden wir es eher ulkig, Goethe und seine Zeit aus
sozialistischer Sicht nahegebracht zu bekommen.
Mittags werden wir plaziert in den Räumen des
Interhotels Elephant, sodann begeben wir uns zu
Goethes Wohnhaus am Frauenplan, wo uns der
amtierende  Direktor  Dr.  Dieter  Eckhart  durch
Goethes Wohnräume am Frauenplan und die da-
malige Dauerausstellung führt. Sie trägt den Titel:
Werk, Leben und Zeit Goethes in Dokumenten.
Konzipiert von den NFG, den Nationalen  For-
schungs- und Gedenkstätten der DDR – im Westen
spöttisch VEB-Goethe genannt –  ist diese zwar
seit über zwei Jahrzehnten unverändert, doch chro-
nologisch und durchaus nachvollziehbar aufgebaut
und überrascht mit zahlreichen uns unbekannten
Exponaten.
196
Am Eingang kann man einen beeindruckenden
700 Seiten starken Begleitband mit dem Titel
Goethe-Museum erwerben.
Hat man, wie damals üblich, ein paar der grünen
Goethe-Scheine  zum  Kurs  5:1  eingetauscht,
kann man den Folianten für kleines Geld  offiziell
erwerben  und  mit  über  die  deutsch-deutsche
Grenze  nach  West-Berlin  nehmen.  Bis  heute
schmückt er mein Regal und ist, wegen seines
vorbildlichen  Registers  schon  häufig
aufgeschlagen worden, auch wenn die damalige
Drucktechnik der DDR-Verlage Goethes  Gelben
Salon leicht grünstichig präsentiert.
Schafe sind allerdings auf den Ilmwiesen vor
Goethes Gartenhaus nach der Wende nicht wie-
der gesehen worden.
197
1990-1999- Goethes Geburtstage in Dahlem
In den ersten Jahren probieren wir noch aller-
hand aus an den Goethe-Geburtstagen. So etwa
des öfteren ein Quiz, bei dem ein paar kniffe-
lige Fragen beantwortet werden müssen. Zu
raten ist, aus welchem Werk irgendwelche aus-
gefallenen Zitate stammen, welcher Wein in
Auerbachs Keller  kredenzt wurde oder es wer-
den wenig bekannte Details aus Goethes Bio-
graphie erfragt.
Die drei Gewinner mit der höchsten Punktzahl
erhalten kleine Preise wie Ginkgo-Pflänzchen
und dieses oder jenes Buch. Eigentlich könn-
ten wir so etwas heute wieder einmal auspro-
bieren.  In  den  90-er-Jahren  des  20.
Jahrhunderts gab es noch viele Lehrer unter
den Mitgliedern, die halbwegs sattelfest bei
Goethe waren. Ob dem heute noch so ist, muß
sich erst zeigen...
Im ersten Jahrzehnt unserer Neugründung, also
in den späten 1980-er bis 1990-er Jahren hatten
wir offenbar noch ziemlich dezidierte Vorstel-
lungen davon, wie so ein Goethe-Geburtstag
begangen werden müsse.
Nachdem sich allerdings herausgestellt hatte,
daß gegen unsere Studienräte in punkto Zuord-
nungen von Goethezitaten kein Blumentopf zu
gewinnen war, gingen wir verstärkt dazu über,
Rezitationsabende zu veranstalten.
198
Da wir uns in den ersten Jahren professio-
nelle Darbietungen durch Schauspieler noch
nicht leisten konnten, übernahm dies häufig
unser Vorsitzender Hans-Wolfgang Kendzia,
der sich als besonders überzeugender Lyrik-
Rezitator  und  Vorleser  von  Goethetexten
profilierte. Dies führte dazu, daß wir unter
seiner  Leitung  alsbald regelmäßige  Lese-
abende zu veranstalten begannen, die sich
seit nunmehr drei Jahrzehnten unverminder-
ter Beliebtheit erfreuen.
Großer  Zustimmung  erfreuten  sich  auch
stets  Gesangsdarbietungen
aller  Art,  vorzugsweise  ver-
tonte  Goethe-Lyrik,  etwa  der
König von Thule, der kaum zu
vermeidende Erlkönig und na-
türlich Heideröslein und Veil-
chen.
Zu unseren damaligen Mitglie-
dern  zählte  Gottfried  Eberle,
Klassik-Musikredakteur  des
RIAS. Dieser kannte notabene
gute Interpreten von Kammer-
musik  und  wußte  abwechs-
lungsreiche  Programme  zu
gestalten, in denen dann auch
mal Unbekannteres erklang,
etwa Kompositionen aus der
Feder Anna Amalias.
Leider haben sich so gut wie
gar keine Bilddokumente aus
den  frühen  Jahren  der  litera-
risch-musikalischen  Geburts-
tagsabende in Schuberts Garten
erhalten, da offenbar nie jemand
daran dachte, eine Kamera mit-
zunehmen.
199
Goethe-Geburtstage unterwegs und im Havelland
Das änderte sich erst, als wir 1999 zum 250.  Goethe-
Geburtstag auf die Idee kamen, daß man diesen ja auch
einmal außerhalb feiern könnte, nämlich im Liebha-
bertheater Bad Lauchstädt. Prompt blieb damals der
Bus auf dem Weg dorthin unter einer zu niedrigen Brü-
cke stecken, sodaß wir beschlossen, mittags mit dem
Glockenschlage zwölf den Sekt aus den Kühlboxen zu
holen und auf freiem Feld auf den Geheimrat anzusto-
ßen.
(Beschreibung siehe 1999, Exkursion nach Bad Lauchstädt)
Eine Zeitlang versuchten wir, die Exkursionen immer
möglichst um den 28. August herum zu legen, damit
wir   Goethes  Geburtstage  an  irgendeinem  authenti-
schen Ort feiern konnten.
Dies wollte jedoch häufig nicht glücken, vor allem
dann nicht, wenn wir versuchten, mittags mit dem er-
wähnten Glockenschlage und der damit in Dichtung
und Wahrheit beschriebenen glücklichen Konstellation
auf den Jubilar anzustoßen. Nicht selten befanden wir
uns gerade mitten irgendwo in der Pampa oder auf
einem Busparkplatz.
Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends feierten
wir  des öfteren Goethes Geburtstag im  havelländi-
schen Künstlerdorf Bahnitz in einer großen Scheune
mit  Bühne;  für  diesen  feierlichen  Anlaß  wurde  er
immer abgestaubt, in Ermangelung von Lorbeer mit
ein wenig Grünzeug dekoriert und wohnte dem jewei-
ligen Geschehen mit stoischer Miene bei.
200
Goethe-Geburtstage im Berliner Umland
Mittlerweile  sind
wir  dazu  überge-
gangen,  uns  im
Berliner  Umland
für den 28. August
nach  geeigneten
Lokalitäten  umzu-
schauen,  die mög-
lichst  auch  noch
irgendeinen  Goe-
the-Bezug aufweisen sollen. Da er be-
kanntlich  nach  seiner  ersten  und
einzigen  kurzen  Berlin-Visite  um  den
Norden Deutschlands Zeit seines Lebens
einen auffälligen Bogen machte, ist das
nicht so ganz einfach. In Wörlitz, Wie-
perdorf, Sans-souci, Tegel und Neu-Har-
denberg waren wir natürlich längst.
Doch  es  gibt  ja  auch  Goethe-Bezüge
subtilerer Art. So werden wir in diesem
Jahr den 28. August auf Schloß Groß-
Ziethen im Nord-Westen von Berlin fei-
ern.  Einst  gehörte  es  der  Familie  des
Fürsten Blücher, der bekanntlich mit der
preußischen Armee  1815  gerade  noch
rechtzeitig in die Schlacht bei Waterloo
dem englischen General Wellington zu
Hilfe kam (Ich wollte, es wäre Nacht,
oder die Preußen kämen) und damit die
bereits wankenden
Truppen  siegent-
scheidend  gegen
Napoleon  unter-
stützte.
In  Rostock  ent-
schied man sich im
Jahr  darauf,  Blü-
cher  ein  Denkmal
zu errichten.  Mit dem  Entwurf beauf-
tragte man den Berliner Johann Gottfried
Schadow.
Wie ich bereits in der Einladung schrieb,
zog  dieser  zur  Gestaltung  des  Kunst-
werks Goethe zu Rate. Auf Bitten der
Rostocker Stadtväter ersann dieser auch
den Spruch, der bis heute auf einer  der
Bronzetafeln des Sockels zu lesen ist.
Durch einen PC-Darstellungsfehler fehl-
ten  im  Anschreiben  ausgerechnet  die
letzten drei  entscheidenden Worte  des
Zitats, das daher hier noch einmal voll-
ständig wiedergegeben sein soll:
In Harren und Krieg
In Sturz und Sieg
Bewusst und gross,
So riss er uns von Feinden los.
201
1999: Auf Goethes Spuren durchs Elsaß und durch Lothringen
1. Tag
Odilienburg – Burg-Rundgang / Seminar: Einfüh-
rung in das Reiseprogramm, Monika Schopf-Beige /
Straßburg »Historie von Stadt und Münster«,
Hans-Jürgen Bader
2. Tag
Referat: »Ein Student macht Geschichte – Goethe in
Straßburg«, Monika Schopf-Beige / Straßburg
Stadtrundgang auf Goethes Spuren / Mittagessen im
historischen Haus Kammerzell / Besuch des Straß-
burger Goethe-Denkmals.
3. Tag
Referat: »Taube liebt Adler – Goethe und Friederike
in Sesenheim«, Monika Schopf-Beige / Sesenheim
Kirche, Scheune, Goethe-memorial, Wanderung zur
Goethe-Eiche / dort: Hans-Wolfgang Kendzia: »Will-
kommen und Abschied« / Mittagessen Goldner Ochse
/ Besichtigung des dortigen privates Goethe-Muse-
ums / Krautgersheim – Besichtigung der Kapelle
de Turckheim (Lili Schönemann) / Meissenheim
Besuch von Friederike Brions Grabstätte.
4. Tag
»Auf den Spuren von Goethes Reise im Jahre 1770 ins
Elsass und nach Lothringen«: Wasselsheim /
Mauersmünster / Zabern / Pfalzburg / Lützel-
stein / Picknick auf dem Bastberg / Buchsweiler
– Spaziergang durch das ehemalige Residenzstädt-
chen.
5. Tag
Referat: »Goethe und Herder in Straßburg«, Monika
Schopf-Beige / Straßburg – Haus der Lili Baronin
von Türckheim / Essässisches Flammkuchenessen
zum Abschied.
202
Dem Ablauf auf der linken Seite kann man den
detaillierten Reiseverlauf entnehmen. Als Domi-
zil hatte Monika Schopf-Beige idealerweise die
Odilienburg gewählt; gelegen auf dem gleichna-
migen Berg, kann man von dort kilometerweit
ins Elsässer Land schauen. Jeder Tag beginnt
oder endet mit Referaten, die uns inhaltlich noch
einmal die Ereignisse des Jahres 1770 in Straß-
burg und Sesenheim in Erinnerung rufen.
Am Abend werden dann lebhaft die Erlebnisse
des Tages erörtert bei Zwiebelbrot, herzhafter el-
sässischer  Klosterküche,  ergänzt  vom  herben
Edelzwicker, dem auch der Student Goethe gern
zusprach. Der Besuch des Straßburger Münsters,
von Kirche und Pfarrhaus in Sesenheim, einer
Lesung von Willkommen und Abschied unter der
sogenannten Goethe-Eiche und der Besuch von
Friederike Brions Grab gehören zu jenen Mo-
menten, die wir in Erinnerung behalten werden.
203
1999: Tagesexkursion nach Bad Lauchstädt zu Goethes 250.Geburtstag
Bad Lauchstädt – Historisches Theater: Egmont
mit Musik / »Geheimnisse der einstigen Theatertech-
nik« – Führung über den historischen Schnürboden.
Zum  250.  Geburtstag  wollen  wir  natürlich  etwas
Besonderes bieten. Bereits zu Jahresbeginn flattert ins
Haus eine Einladung aus Bad Lauchstädt zur musika-
lischen Egmont-Inszenierung  am 28 August;  wahr-
scheinlich hatte man sie nicht nur an uns geschickt,
daher ist Eile geboten. Telefonisch das Einverständnis
des restlichen Vorstands einzuholen und per mail für
60 Teilnehmer verbindlich buchen ist eins.
Das historische Liebhaber-Theater Bad Lauchstädt,
gelegen  in  einem  Kurpark  mit  Gebäuden  aus  der
Goethezeit, die man zum Jubiläum herausgeputzt hat,
ist mit Sicherheit ein Selbstläufer. Wir mieten einen
Doppeldecker  bei  der  Firma Prima  Klima.  Der
Geburtstag naht: Wir führen gekühlten Sekt zum An-
stoßen unterwegs mit. Abfahrt um 10 Uhr in Berlin.
Kurz nach dem Verlassen der Autobahn in Richtung
204
Halle kommt der Bus zum Stehen: Vor uns
eine  leicht  marode  Brücke,  noch  aus
DDR-Zeiten  stammend. 4  Meter  Höhe
steht auf einem Schild – zu niedrig für un-
seren Bus.
Volker Hesse sieht auf die Uhr: Es ist kurz
vor 12 Uhr, dem Leiter einer Geburtskli-
nik kommt der rettende Gedanke: Alle mal
herhören... – Dies sei ein Zeichen, schließ-
lich sei Goethe ja auch im Geburtskanal
vorübergehend  steckengeblieben.  Wir
holen Flaschen und Gläser heraus und sto-
ßen auf Goethes 250. an. Auch das prima
Klima kehrt nun zurück.
Bestärkt durch unsere ermutigenden Zurufe
unternimmt  der  Fahrer eine wagemutige
Halse auf der schmalen Landstraße; auf er-
heblichen Umwegen gelangen wir schließ-
lich um kurz vor 14 Uhr in Lauchstädt an.
Da der Zuschauerraum ohne Berliner halb-
leer  ist, erwartetet  man uns  schon sehn-
süchtig.  Kaum  haben  wir  alle  Platz
genommen,  erklingt  schon  Beethovens
Egmont-Ouvertüre; der Vorhang hebt sich.
Einmütiger Konsens in der  Pause:  Eine
stimmige  Inszenierung;  danach  als  Ge-
burtstags-Schmankerl eine Führung durch
die von hölzernen Zahnrädern betriebene
Kulissen-Maschinerie  des  historischen
Schnürbodens. Im kleinen Museum steht
Goethes Regiestuhl, den wir ehrfürchtig
betrachten. Eigentlich erwarten wir, dass
der Jubilar jetzt um die Ecke biegt.
Im Anschluß gibt es in den historischen
Lauchstädter  Gaststuben zur  Feier  des
Tages Goethes Geheimratsecken auf Ma-
deira-Sauce  mit  Herzogin-Kartoffel,
gekrönt  von  einem Eisbecher  Mephisto
mit  einer  teuflisch  gut  schmeckenden
Sauce.  Wer  meint,  das  ließe  sich  noch
toppen am Jubiläums-Geburtstag, soll es
sagen. Niemand meldet sich.
205
Fortsetzung:
Festessen in den Lauchstedter Gaststuben im Histori-
schen Kurpark / anschließend Lustbarkeiten im Kur-
park.
Sodann ergehen  wir uns im Kurpark wie vor 200 Jahren,
probieren das gute Lauchstädter Quellwasser, begrüßen
die frisch gereinigte Christiane Vulpius aus Stein und ge-
nießen die spätsommerlichen Sonnenstrahlen, die sich im
Kupferdach des kleinen Pavillions spiegeln, der mitten
im Teich liegt.
206
Die angekündigten Lustbarkeiten entpuppen
sich als Jahrmarktbuden mit allerhand Klim-
bim.
Dann wollen wir doch lieber den Ort fried-
lich daliegend in Erinnerung behalten; so
oder ähnlich muß er zu Goethes Zeit aus-
gesehen haben.
Als die Sonne untergegan-
gen  ist  und  lauter  rosa
Glühbirnen zu leuchten be-
ginnen, machen wir uns auf
den Heimweg
207
2000: Auf Goethes Spuren in den Böhmischen Bädern
Im Jahre 1785 betritt Goethe 36-jährig zum
ersten  Mal  böhmischen  Boden,  38  Jahre
später, inzwischen 74 Jahre alt, ist er zum
letzten  Mal  in  diesem  Land.  In  der  Zeit-
spanne von knapp vier Jahrzehnten  hat er
sein  geliebtes  Böhmen,  in  dem  er  immer
wieder gern gewesen ist, 17 mal besucht.
Goethe  verspricht  sich  durch  die  Anwen-
dungen  heilsamer  Bade-  und  Trinkkuren
jeweils Linderung seiner Nierensteinkoliken,
Gichtschmerzen sowie Magen- und Darm-
beschwerden, die ihn zeitlebens plagen.
Zum ersten Mal wird er am 4. Juli 1785 als
Badegast in Karlsbad angeblasen (gegen das
übliche Trinkgeld versteht sich), am 11. Sep-
tember 1823, nach der nicht ausgesproche-
nen Ablehnung seines Heiratsantrages an die
19-jährige Ulrike von Levetzow, verläßt er
nach tumultuarischer  Abreise Marienbad
und kehrt nicht mehr nach Böhmen zurück.
Nach dem ersten Kuraufenthalt in Karlsbad
schreibt  er  an  Ludwig  von  Knebel ...ins
Karlsbad gehe ich auf alle Fälle wieder. Ich
bin dieser Quelle eine ganz andere Existenz
schuldig.
Goethe notiert 1806 – einen Tag nach seiner
chemischen Analyse des Karlsbader Spru-
dels  – folgendes  Gedicht  in seinem Tage-
buch:
Wie es dampft und braust und sprühet
Aus der unbekannten Gruft!
Von geheimem Feuer glühet
Heilsam Wasserm, Erd und Luft
Hilfsbedürfti´ge Schar vermehrt sich
Täglich in den Wunderwort
Und im Stillen heilt und nährt sich,
Unser herz an freundes Wort
Die Nymphe ist’s – die helle,
Die sonnenwarme Flut,
Des Wildbads heil’ge Quelle,
Die tausend Wunder thut.
208
Aber Goethe fährt nicht nur der hei-
lenden Quellen wegen nach Karlsbad,
Franzensbad, Teplitz und Marienbad.
Auf  zahlreichen Ausflügen  lernt  er
die Schönheit dieser Landschaft, ihre
geologischen Besonderheiten und den
Alltag der Bevölkerung kennen.
Als Dichter bewundert er vor allem
die  westböhmische  Landschaft  und
hat ihre Eigenheiten vielfach in seine
dichterischen Werke mit einbezogen.
Als Naturforscher findet er dort reich-
lich Gelegenheit, im Rahmen seiner
Metamorphosenlehre den Ur-Phäno-
menen nachzugehen.
Goethe interessiert sich auch für den
Bergbau in Böhmen und befährt zahl-
reiche Gruben. Während seiner Auf-
enthalte  widmet  er  sich  zugleich
ernsthafter  wissenschaftlicher  Be-
schäftigung mit der Geologie, Mine-
ralogie,  Botanik  und  mit  der
Geschichte,  Mythologie,  Literatur
und Kunst dieses Landes.
Dabei wird er durch angesehene böh-
mische Wissenschaftler wie dem Gra-
fen Kasper Sternberg, Jan Evangelista
Purkyne, den Prager Philosophen und
Mathematiker Bernhard Bolzano dem
Tepler  Ordensgeistlichen  Professor
Stanislaus Zauper, dem Kriminalrat
Joseph  Sebastian  Grüner,  ja  selbst
einer  so  bizarren  Erscheinung  wie
dem  ehemaligen  Scharfrichter  Karl
Huss in Eger angeregt, sich mit den
Problemen  des  Landes  vertraut  zu
machen.
209
1. Tag
Anreise mit Halt in Asch am Goethe-Denkmal / Fahrt
nach Marienbad, Einchecken Hotel Bohemia / Bummel
durch den Ort.
Unter der Leitung von Monika Schopf-Beige
unternehmen wir auch unsere zweite mehrtä-
gige Reise ins Ausland. Im Jahr 2000 muß man
an der tschechischen Grenze noch einen Pass
mitbringen und vorher Einreisevisa beantragen.
Als  erstes  machen  wir  Rast  in  Asch  am
Jugendstil-Goethe-Denkmal, das die Zeitläufte
erstaunlicherweise  unbeschadet  überstanden
hat.  Merkwürdigerweise  zeigt  die  Brunnen-
plakette das Motiv der Wetzlarer Lotte, umringt
von Kindern.
Für Marienbad, das wir zwei Stunden später
erreichen, gilt das weniger: abblätternde Grün-
derzeitfassaden weit und breit, hier und dort
aber auch schon die ersten  Baugerüste. Vier
Jahrzehnte Sozialismus haben dem Ort aller-
dings seinen Gründerzeit-Charme nicht rauben
können.
210
2. Tag
Goethe-Museum: Führung durch Goethes Wohnräume / Fahrt nach
Karlsbad / Mittag im Egerländer Hof / Spaziergang über die Kurprome-
nade / Hotel 3 Mohren / Seilbahnfahrt zum Kaiserturm / Fußwanderung
zurück nach Karlsbad,
Dank unserer kundigen Reiseleiterin, die uns
jeden Morgen mit einem Referat erst einmal
auf das vorbereitet, was uns an diesem Tag
erwartet, durchmessen wir die drei nachemp-
fundenen Goethe-Zimmer im Museum zügi-
gen  Schrittes,  denn  nun  geht  es  nach
Karlsbad, in die Stadt der Kolonnaden. Der
Ehrlichkeit halber sei aber angemerkt, daß
Goethe natürlich keine dieser gigantischen
Gründerzeit-Trinkhallen kannte. Zu seiner
Zeit waren die Kuranlagen natürlich we-
sentlich schlichter.
Wir speisen zu Mittag im Egerländer Hof wie seinerzeit  Goethe
und finden uns zur Teestunde im Goldenen Elefanten ein, wie
er einst auch. Mehr auf seinen Spuren geht gar nicht. Allerdings
klettern mir nicht zum Kaiserturm herauf, sondern fahren dort-
hin mit einer Seilbahn und blicken auf die russische Gründer-
zeitkirche mit ihren vergoldeten Türmchen hinunter, die Goethe
damals noch nicht den Blick auf das Karlsbad-Panorama ver-
stellte.
211
Am nächsten Tag geht es in Richtung Westen zum
Kammerbühl,  einem  vor  ca.  300.000  Jahren  er-
loschenen  Vulkan  des  Egerer  Grabens,  der heute
noch nicht zur Ruhe gekommen ist.
Just zu der Zeit, als Goethe 1808 erstmals Franzens-
bad und den benachbarten Kammerbühl besucht, ist
ein  wissenschaftlicher  Streit  im  Gange  zwischen
zwei Gruppen von Geologen: den »Neptunisten«
und den »Plutonisten«.
Die neptunistische Lehre begreift die Entstehung des
Gesteines als Wasserablagerung (Neptun – Gott des
Meeres) und die vulkanische Tätigkeit als Ausbren-
nen der unterirdischen Kohlenflöze. Die Lehre der
Plutonisten (Pluto – Gott der Unterwelt) erklärt die
Entstehung der Vulkane dagegen als Gesamtheit
der Vorgänge innerhalb der Erdkruste, die durch
Bewegungen und das Erstarren vom Magma her-
vorgerufen werden.
Goethe, selbst Anhänger des Neptunismus, unter-
suchte den Vulkan 1808,  1820 und  1822, um  im
Rahmen dieses Disputes wissenschaft-
liche Studien zu betreiben. 1822 findet
schließlich auf dem Kammerbühl ein
historisches Treffen statt. Graf Kaspar
von Sternberg, Goethe und der schwedische Chemi-
ker Berzelius wollen hier ihren Streit lösen. Letzte-
rer  erklärt  den  Kammerberg  als  einen  mit  den
Bildungen in der Auvergne vergleichbaren Vulkan
und  demonstriert  seine  Hypothese  durch  das
Abschlagen eines dort  gefundenen  Olivin dessen
vulkanischen Charakter.
Nach  Berzelius’  Be-
richt ist Goethe von
dem  Fund  ent-
zückt und macht
Sternberg  den
Vorschlag, einen
Durchstich  des
Vulkans  der
Tiefe nach vorzu-
nehmen.  Einige
Jahre nach Goethes
Tod legt  Kaspar Maria
von Sternberg tatsächlich ein Stollensystem durch
den Hügel an. Als man auf den mit Basalt gefüllten
Krater  stößt, kann der vulkanische Ursprung  des
Kammerbühl endgültig  bewiesen  werden.  Immer
kann Goethe ja auch nicht recht behalten! All dies
erläutert uns anschaulich Hans-Jürgen Bader, neben
Frau Schopf-Beige unser zweiter Böhmen-Experte
und verliest am authentischen Ort den Bericht des
Chemikers Berzelius.
Da  es  die  in  den
Naturwissenschaf-
ten etwas Minder-
bemittelten  unter
uns  nun  zu  einer
baldigen  Erfri-
schung  drängt,
legen wir die 4 km bis Franzensbad erneut beschleu-
nigten Schritts zurück und treffen rechtzeitig zum
Mittagessen ein im Hotel zu den Drei Lilien, in dem
einst  ein  bekannter  deutscher  Dichter  gewohnt
haben soll. Na wer wohl?
Am Goethe-Denkmal in Franzensbad
212
3. Tag
Fahrt zum Kammerbühl bei Franzensbad / Verlesung Be-
richt von Jakob Berzelius / Wanderung nach Franzensbad
3. Tag (Fortsetzung)
Moorwanderung im Naturpark Soos /
Fahrt nach Kloster Tepl / Führung.
Der  Tag  ist  aber
noch längst nicht zu
Ende; am Nachmit-
tag  wandern  wir
durch den Naturpark
Soos (tschechisch:
Sumpf/Moor) nord-
östlich von Franzensbad. Hier läßt sich besonders
gut die Bildung der an die Oberfläche tretenden mi-
neralisierten Wässer verdeutlichen. Auf diesem klei-
nen Gebiet von wenigen Quadratkilometern enstand
ein außerordentlich vielfältiges Mosaik von Mooren
und kleinen Seen, die etwa 30 Mineralquellen und
mehr  als  200  Mofetten  durchdringen,  aus  denen
ständig Kohlendioxyd entweicht.
Diese wurden früher in Sudhütten zu Salzen einge-
sotten und in Soos sowie in Franzensbad angewen-
det. Zudem entwickelte man dort die Moortherapie,
bei der Moorbäder aus mineralhaltigem Schlamm in
den  Bädern  angeboten  wurden.  Hier  war  Goethe
ausnahmsweise mal nicht.
Am Nachmittag dieses langen Tages erwartet uns
noch einmal ein absolutes Kontrastprogramm. Eine
Führung  im  Kloster  Tepl,  eine Abtei  des  Ordens
der Prämonstratenser in Tschechien, die bereits im
13. Jahrhundert gegründet wurde.
Da wir erst eine halbe Stunde vor der Schließung
eintreffen, müssen wir mit einer Express-Führung
vorliebnehmen; in die Stiftskirche und die berühmte
Klosterbibliothek läßt man uns mit unseren drecki-
gen Moorschuhen ohnehin nicht hinein, wir dürfen
einmal durch die Tür schauen und erwerben dafür
im Shop lauter Postkarten und Tepl-Leporellos.
Zweimal reist Goethe ins Kloster Tepl und be-
sucht den Abt Karl Kaspar Reitenberger. Testa-
mentarisch hat er das Stift Tepl als Erbe für seine
einzigartige Steinsammlung bestimmt, im Laufe
seines Lebens kommen 18.000 Minerale und Ge-
steine zusammen.
1950 übernimmt die tschechoslowakische Armee
das Kloster Tepl; die Sammlung kommt bis auf
wenige im  Kloster verbliebene Stücke  auf die
Burg Elbogen, wo sie alsbald ihr unrühmliches
Ende findet. Unbedarfte nehmen die Kisten aus-
einander, verbrennen Goethe Schriftstücke, die
Steine landen auf dem Müll.
213
4. Tag
Goethes 252. Geburtstag / Fahrt nach Elbogen /
Stadt- und Burgbesichtigung / Mittagessen im Weissen Roß
Von Monika Schopf-Beige anschaulich ins Bild  gesetzt über den
ja nicht ganz undramatischen Verlauf der 1822 in Marienbad
entflammten Liebe des 74-jährigen Goethe zu der 19-jährigen
Ulrike von Levetzow (an anderer Stelle wird darüber ausführli-
cher berichtet), besuchen wir am nächsten Tag das auf einer An-
höhe gelegene Städtchen Elbogen (Loket).
Nach einem Gang durch die Altstadt besichtigen wir die impo-
sante Burg und das Heimatmuseum. Anschließend speisen wir
im Weißen Roß, in dem Goethe mit der Familie Levetzow seinen
Geburtstag feiert.
Vorher hatte er brieflich über den großherzogli-
chen Freund bei Amalie von Levetzow um die
Hand  Ulrikes angehalten. Carl August hatte ihr
im Falle der Verheiratung ihrer Tochter eine Stel-
lung bei Hofe und 10.000 Taler Pension in Aus-
sicht  gestellt.    Doch  die  Mutter  antwortet
ausweichend.
An diesem 28. August 1823 ist also noch nichts
geklärt.Man besucht gemeinsam die Porzellanfa-
brik, steigt zur Burg auf und speist auf der Terrasse im erwähn-
ten Weißen Roß. Wo und in welcher Form die Absage erfolgt ist,
wissen wir nicht.
Eine Woche später ist im Tagebuch von einem etwas tumultua-
rischen Abschied von der Familie von Levetzow in Karlsbad die
Rede. Bereits auf dem Heimweg beginnt Goethe in der Kutsche
mit der Niederschrift der Marienbader Elegie.
Ulrike wird unverheiratet bleiben und erst 1899 in hohem Alter
auf Schloß Trieblitz sterben,
214
Auf dem Heimweg nach Berlin ist an diesem letzten
Tag ein kurzer Besuch in Schloß Königswart geplant,
das am Wege liegt. Es soll gerade renoviert worden
sein und eine umfangreiche Kuriositätensammlung
enthalten, lauter Mitbringsel der Gäste des ehemali-
gen Hausherrn, dem österreichischen Kanzler Cle-
mens von Metternich.
Laut  Prospekt  erwartet  uns  ein Amulett von  Lord
Byron, das Gebetsbuch von Marie Antoinette, der
Schreibtisch von Alexandre Dumas sowie eine nicht
zu Ende gerauchte Zigarette von Kaiser Napoleon
III.
Obwohl Metternich in Böhmen nicht besonders be-
liebt, sondern viel mehr gefürchtet war und den
Großteil seines Lebens in Wien verbrachte, liebte
er seinen Sommersitz in der Kurregion Westböh-
mens. Weiter heißt es: Schloß Königswart war üb-
rigens auch ein beliebter Aufenthaltsort Goethes
und mehrerer russischer Zaren.
Draußen hat man gerade die Bauplanen von der
Fassade entfernt, die Ausstellung – so heißt es be-
dauernd – sei leider noch nicht wieder eröffnet.
Wir  tragen  es  mit  Fassung,  denn  wir
haben ja noch etwas anderes Wichtiges
am heutigen 28.August 2000 zu tun: näm-
lich auf den 251. Geburtstag des Jubilars
anzustoßen – natürlich mit Fürst-Metter-
nich-Sekt. Die renovierte Schloßfassade
kommt uns sehr gelegen, als Hintergrund
fürs obligatorische Gruppenbild.
215
4. Tag (Fortsetzung)
Weiterfahrt nach Schloß Königswart / Anstoßen auf
Goethes Geburtstag vor dem Schloß
2001: Auf Goethes Spuren in Wetzlar, Garbenheim und Koblenz
1.Tag
Wetzlar Stadtführung mit Gisela von Schneidemesser:
»Auf Goethes Spuren durch Wetzlar«:
Lottehaus, Jerusalemhaus, Reichskammerge-
richtsmuseum
2. Tag
Spaziergang nach Wahlheim mit Lesungen aus dem
Werther unter der Goethe-Linde. / Ländliche Kaffeeta-
fel im Heimat museum Garbenheim / Fahrt nach
Volpershausen zum dortigen Museum Goethe-
haus / Ehemaliges nassauisches Jägerhaus. /
Vortrag: Dr. Harald Schmidt »Goethe in Wetzlar
und die Folgen des Werther«
3. Tag
Fahrt nach Ehrenbreitstein (Brentanohaus),
Deutsches Eck, Brotzeit am Rheinufer mit Wein-
probe.
Wer sich auf Goethe Spurensuche durch Wetzlar und
Umgebung begibt, kann dies zwar auf eigene Faust
tun, doch dann wird er all jene kleinen Anekdoten und
Geschichten nicht erfahren, die Gisela von Schneide-
messer parat hat.
Geht es um Goethe und Lotte, etwa darum, wie sie sich
einander zum ersten Mal begegneten, in einer engen
Kutsche sitzend, wie das drohende Gewitter beim Vol-
persheimer Tanzvergnügen sie einander näher brachte,
wie Goethe schließlich im Wetzlarer Sommer 1772 all-
mählich im Anwesen des Amtmanns Buff  zum all-
mählich ständig anwesenden Hausgast wurde oder war
das gar nicht er, sondern die fiktive literarische Figur
Werther? Und was von all dem stimmt überhaupt?
Die Lotte-und-Werther-Expertin von Schneidemesser
weiß auf jede unserer zahlreichen Fragen eine Antwort.
216
Außerdem wandert sie mit uns nach Garbenheim, den
Werther mit vielen Zettelchen immer abrufbereit in
der Linken.  Sie begleitet uns nach Ehrenbreitstein ins
La Roche/ Brentanohaus, auf der anderen Rheinseite
grüßt vom Deutschen Eck Kaiser Wilhelm I. hoch zu
Roß; wir grüßen zurück und genießen eine Weinprobe
mit jenem Tropfen, den Goethe favorisierte.
Ausgestattet mit einer Brezel blicken wir fröhlich auf
Vater Rhein und kommen zum Schluß, daß dies eine
gelungene  Reise  war.  Vielen  Dank,   Gisela  von
Schneidemesser! Wir kommen eines Tages wieder.
Werther streckte ihr die Arme nach,
getraute sich nicht, sie zu halten...
Lotte! Lotte! Nur noch ein Wort!
Ein Lebewohl! – Sie schwieg. Er
harrte und bat und harrte; dann
riss er sich weg und rief: Lebe
wohl, Lotte! Auf ewig lebe wohl!
217
2001: Goethes Geburtstag in Bahnitz
Den 252. Geburtstag Goethes feiern  wir
im Havelland. Zwei Jahre zuvor hatte ich
einen recht vernachlässigten Vierseiten-
hof  im  Künstlerdorf  Bahnitz  westlich
von  Berlin  günstig  erwerben  können.
Vorbild  für  diese  Aktion  ist  Goethes
Landgut Oberroßla gewesen, das er 1799
kauft, um dort selbst Gemüse anbauen zu
können,  ein  Experiment,  das  er  aller-
dings nach vier Jahren wieder aufgibt.
Die Bahnitzer Scheune eignet sich präch-
tig, um dort Goethe-Geburtstage zu fei-
ern, was wir auch mehrmals tun.
Ulrich Ritter, Lesung: Der Mann von 50 Jahren /
Gemeinsames Kaffeetrinken / Spaziergang an der Havel /
Abendbuffet im Vierseitenhof von Frau Schubert in Bahnitz
218
Rund 100 Berliner Mitglieder treffen – ganz nach
Belieben – am Nachmittag mit dem Wagen oder dem
gecharterten Bus ein. Es folgt eine Stärkung bei Kaf-
fee und ländlichem Kuchen. Geboten wird sodann
Der Mann von fünfzig Jahren, gelesen von dem Ber-
liner Schauspieler Ulrich Ritter. Goethe,  geschmückt
mit Efeublättern, bewacht derweil das Geschehen.
Ein  Havel-Spaziergang  bei  untergehender  Sonne,
begleitet von muhenden Kühen und ein abendliches
rustikales Buffet runden das Ganze ab.
Wie  so  häufig,  bleibt  auch  hier    so  manches  im
Gedächtnis haften, von dem es keine Bilder gibt. Zu
Beginn  des  21.  Jahrhunderts  kann  man  eben  mit
Telefonen noch nicht fotografieren.
219
2002 Tagesexkursion: Goethes Geburtstag in Kochberg
Christine Wolff (Sopran),
Christian Brembeck (Klavier, Cembalo)
In Groß-Kochberg waren wir im Laufe von drei Jahrzehn-
ten zwei mal, das letzte Mal allerdings tatsächlich vor 15
Jahren im Sommer 2003, sodaß wir hier gar nicht mehr so
richtig mitreden können.
Seinerzeit wurde das Schloß-Ensemble noch privat be-
trieben  und  zwar  als  eine Art  Begegnungsstätte  für
junge Akademiker und andere gemeinnützig agierende
Gruppen; entsprechend war der Zimmerkomfort – z.T.
noch gußeiserne Bettgestelle und Waschbecken im Zim-
mer – etwas jugendherbergsmäßig, das fanden wir aber
eher vergnüglich: Im Schloßhof konnte man bei gutem
Wetter ein rustikales Mahl zu sich nehmen, der Park war
damals etwas verwildert, aber nicht minder schön; das
Museum war  – noch zu DDR-Zeiten eingerichtet – sicher
etwas verzopft, die Wohnräume der Familie von Stein da-
gegen authentisch beibehalten; nur mit einer Kordel abge-
sperrt, die Gesangsdarbietung im Liebhabertheater sicher
nicht auf dem Niveau der Komischen Oper in Berlin – die
können wir ja zu Haus genießen  – dafür aber in  ihrem
Charme unvergeßlich.
Seit 2009 ist das nun alles anders; die Klassik Stiftung Wei-
mar übernahm Groß-Kochberg, alles wurde mit öffentli-
chen  Mitteln  restauriert  und  modernisiert.  Durch  das
Museum wird man jetzt via audio-guide geleitet. Alles ist
jetzt museumstechnisch und-pädagogisch auf neuestem
Stand.
Führung durch das Museum und Parkbesichtigung / Liebhaber-
theater: »Halb zog sie ihn, halb sank er hin« Literarisches Konzert
220
221
Bereits  vor  Jahren  hat  der Förderver-
ein  Liebhabertheater  Schloß  Kochberg
e.V. den Betrieb des kleinen Theaters über-
nommen und lädt von Mai bis Oktober an
den Wochenenden zu  Opern-, Theaterauf-
führungen  und  Kammerkonzerten  mit  re-
nommierten  Künstlern  in  dem  kleinen
authentischen Theater  der  Goethezeit  ein,
wobei ein  besonderes Augenmerk  auf  die
historische Aufführungspraxis gelegt wird.
Hier  ein Ausschnitt  aus  dem  diesjährigen
beeindruckenden  Programm.  Wir  müssen
wirklich wieder einmal hinfahren, denn wir
können – wie gesagt – gar nicht mehr mit-
reden.
Osterkonzert mit Werken von Niccolo Paganini
Lesung: Aus Goethes Briefen an Charlotte
von Stein
Musik am Weimarer Hof von Herzog Carl
August
Klassik-Gartenfestival: Violinsonaten von Wolf-
gang A. Mozart
Inszenierung: »Ein Gespräch im Hause Stein
über den abwesenden Herrn von Goethe« von
Peter Hacks
Konzert im Rahmen der Thüringer Schlössertage
Einblicke in das Theaterleben am Weimarer Hof
Goethes Schauspielregeln
zum Leben erweckt im Liebhabertheater Schloß
Kochberg;
»Der Misanthrop oder Der verliebte Melancholi-
ker«, Komödie von Jean Baptiste Molière, aufge-
führt wie zu Zeiten des Weimarer Hoftheaters
Klavierfestival- junge Pianisten im Konzert
Konzert mit dem Dresdner Streichtrio
mit Werken von Mozart und  Beethoven
Lesung: »Reineke Fuchs« von Goethe
Musik am Weimarer Hof von Herzogin
Anna Amalia auf Originalinstrumenten
der Goethezeit
»Erwin und Elmire«, Singspiel von Goethe,
vertont von Herzogin Anna Amalia, in Szene ge-
setzt wie zur Zeit der Uraufführung 1776
Frauenbiographien des 18. Jahrhunderts
Goethes Gestalt der »Iphigenie«
»Hermann und Dorothea« – Epos in 9 Gesängen
von Goethe
Goethes Beitrag zum Thema »Umgang mit
Flüchtlingen und Fremden«
Kochberger Nikolausmarkt
Klassik-Adventsmarkt
2003: Auf Goethes Spuren im Harz
Als Maler Weber, so sein Pseudonym, kommt
Goethe bei seiner ersten Harzreise am 30. No-
vember 1777 in Ilfeld an. Von dort wandert er
mit einem Führer bei übelstem Herbstwetter
nach Elbingerode und besucht zwei Tage lang
die damals einzige, bekannte Tropfsteinhöhle,
die Baumannshöhle in Rübeland.
Im Schein der Grubenlampe faszinieren ihn
die mystisch und geheimnisvoll anmutenden
Tropfsteingebilde. Das Labyrinth der Höhle
ist damals nur über wacklige Leitern und an
dunklen Abgründen vorbei, zu begehen. Beim
spärlichen Schein der von Petroleum erhellten
Lampe eine recht gefährliche Unternehmung.
Geologische Aufzeichnungen hinterlässt Goe-
the  keine, nur ein paar kurze Zeilen an Char-
lotte von Stein.
1. Tag
Rübeland, Besichtigung der Tropfsteinhöhle Baumann /
Wernigerode – Gotisches Haus Stadtrundgang auf Goethes
Spuren / Literarische Lesung, Joachim Lamont: »Harzreise
im Winter –Goethes Exkursion in den Harz und die
Besteigung des Brockens, 1777«
2.Tag
Wanderung vom Torfhaus zum Brocken auf dem Goethe-
weg (ca. 9 km) oder Fahrt mit der Brockenbahn, Treffen der
beiden Gruppen auf dem Wolkenhäuschen, Anstossen auf
Goethes Geburtstag am historischen Ort / Abfahrt mit der Bro-
ckenbahn.
222
Sein geheimes Ziel, die Besteigung des Bro-
ckens, hat er aber nicht aus den Augen ver-
loren. Am 6. Dezember 1777 bricht er auf.
Aus einem Brief an Frau von Stein geht her-
vor, daß ziemlich viel Schnee gelegen haben
muß.  Vor ihm liegen zuerst 7 km bei einem
Höhenunterschied  von  335  m  und  einer
Schneehöhe von rund 30 cm bis er die Zwi-
schenstation Torfhaus erreicht.
Hier trifft er mit dem Förster Degen zusam-
men. Dieser lehnt erst mal den verrückten
Plan entschieden ab, aber er muss sich dann
der  Hartnäckigkeit  Goethes  geschlagen
geben. Die beiden Wanderer haben Glück,
denn der Schnee ist verharscht und trägt recht
gut. Gegen Mittag steht Goethe nach der für
die damalige Zeit gefährlichen Tour über-
wältigt auf dem Gipfel. Wir auch. Durstig
stoßen wir nach geglückter Bewältigung des
Brocken-Goethe-Wanderwegs auf den Ge-
heimrat an.
223
2004: Auf Goethes Spuren in der Schweiz
1.Tag
Schaffhausen, Rheinfall: Übersetzen mit dem Kahn
durchs Getöse des Rheinfalles zum Mittelfelsen.
2.Tag Berner Oberland
Referat, Monika Schopf-Beige: »Goethes drei Schweizer
Reisen –1775, 1779 und 1797.« / Sustenpass (Wassen)
nach Lauterbrunn / Staubbacher Wasserfall – Lesung
des Goethe-Gedichts: »Des Menschen Seele gleicht den
Wassern« / Grindelwald, Große Scheidegg: Picnic bei
Wein, Schweizer Käse und Brot – Goethe-Gedicht: »Uf'm
Bergli bin i gsässe« / Schwarzwald-Alpe / Zwirgi /
Wanderung zum Reichenbacher Wasserfall.
3.Tag
Zürich – Stadtrundgang Auf Goethes Spuren: Bodmer-
Haus, Lavater-Häuser (Waldries /Waldrebe) / Wirts-
haus Zum Geist, Fraumünster / Vierwaldstätter See
mit dem Raddampfer Schiller zur Tellskapelle / Referat,
Hans-Jürgen Bader: »Die geschichtliche Situation der
Schweiz zur Zeit Goethes«.
4.Tag:
Arth-Goldau – Mit Zahnradbahn auf den Rigi: Klösterli,
Goethe-Kapelle und Gedenktafel des Herzogs Ernst
II. von Sachsen-Gotha /Abfahrt nach Weggis / Küss-
nacht, Tagsatzungshaus mit Goethestube / Hohle
Gasse / Tellskapelle / Herrliberg /Stäfa am Zürich-
see.
5.Tag:
Fahrt zum St.-Gotthard-Pass, weiter nach Andermatt –
Imbiss im Goethe-Säli des Hotels Drei Könige und Post, in
das schon Goethe einkehrte / Schöllener Schlucht / Teu-
felsbrücke / Fahrt nach Altdorf: Goethe-Hotel Schwar-
zer Bär / Tell-Denkmal –Goethe-Vesper an der
Tellplatte am See, wo Tell absprang / Überfahrt zum
Rütli – abends Theateraufführung »Wilhelm Tell« des
DNT Weimar auf der Freilichtbühne am Rütli.
6. Tag
Einsiedeln: Rundgang durch das Kloster.
224
Unter der bewährten Leitung von Monika
Schopf-Beige reisen wir 2004 gleich zwei
mal in die Schweiz.
Die einzelnen Etappen bitten wir dem de-
taillierten Ablauf zu entnehmen. Bei nähe-
rem Interesse fertige ich gerne eine Kopie
unserers  ausführlichen  Reisetagebuchs
über die Exkursion Auf Goethes Spuren in
der Schweiz an.
Dreimal reist Goethe in die Schweiz, zweimal aber will
er eigentlich nach Italien. 1775 schließt er sich im Mai
den Stollbergs an und entflieht dem familiären Gezerre
um die Verlobung mit Lili Schönemann. Auf dem Gott-
hard aber reicht es dann doch nur zu einem bescheide-
nen  Blick  nach  Italien.  Die  Lösung  aus  dem
Liebeswirren ist nicht gelungen. Es bleiben aber tiefe
Eindrücke und wichtige neue  Bekanntschaften unter
anderem  mit  Bodmer  und   Lavater. Außerdem  sieht
Goethe auf dieser Reise zum letzten Mal die Schwester
in Emmendingen.
Als er 1779 mit Carl August zwecks dessen Bildung
erneut und  dieses  Mal ausdrücklich  in  die Schweiz
reist,  trifft  er  unterwegs  nur  noch  den  Schwager
Schlosser und die einstigen Geliebten Friederike und
Lili.
Am Ziel selbst geht es mehr um das herzogliche Pro-
gramm. Die Eindrücke von dieser und der ersten Reise
faßt Goethe in den Briefen aus der Schweiz zusammen,
die 1796 in den Horen erscheinen.
Beim dritten Mal, 1797, soll es eigentlich wieder nach
Italien gehen, doch dorthin hat soeben Napoleon die
Kriegsfackel getragen. Deswegen läßt sich  Goethe das
unerreichbare Italien von Meyer in dessen Geburtsort
Zürich in Form von Gemäldekopien nahebringen und
konzentriert sich ansonsten auf mineralogische und
geographische Studien. Unterwegs besucht er Cotta
in Tübingen und faßt den Plan zu einem Tell-Epos,
dessen Stoff er dann Schiller abtritt. Eine Beschrei-
bung der Reise stellt erst Eckermann nach Goethes
Tod zusammen.
225
Wilhelm Tell
Freilichtaufführung
auf dem Rütli
Goethes Geburtstag – so hatte es der Vorstand vor einem Jahr geplant – sollte
im Rahmen der zweiten Schweizer Reise auf dem Rütli stattfinden. Nicht ge-
rechnet hatten wir allerdings mit dem enorm großen Zuspruch; statt 30 Teilneh-
mern    wollten  46  Mitglieder  die  Freilichtaufführung  von  Schillers Tell
miterleben.
Im Nachhinein möchte ich noch einmal ganz herzlich Monika Schopf-Beige für
ihre Bereitschaft danken, die Extra-Exkursion ermöglicht zu haben . Da ich be-
reits bei der Tell-Premiere im Juli auf dem Rütli war, habe ich mich über den
Verlauf der Theateraufführung des DNT-Weimar  auf der Freilichtbühne am Rütli
von verschiedenen Teilnehmern ins Bild setzen lassen und eigentlich nur Positi-
ves vernommen, desgleichen über den Verlauf der restlichen Exkursion. Die Aus-
nahme hiervon: Vereinzelte Beanstandungen über sehr weiche Hotelbetten, die
aber nach den harten Fußmärschen offenbar dann doch in einen erholsamen
Schlaf gestatteten.
226
2004: Auf Goethes Spuren in Stendal- Tagesexkursion
Schon  als  Winckel-
mann zuerst in Dres-
den  der  Kunst  und
den  Künstlern  sich
näherte und in die-
sem Fach als Anfän-
ger erschien, war er
als Literator ein ge-
machter  Mann.  Er
übersah  die Vorzeit
so  wie  die  Wissen-
schaften in manchem
Sinne. Er fühlte und
kannte das Altertum, so wie das Würdige der Gegenwart,
des Lebens und des Charakters, selbst in seinem tiefge-
drückten Zustande. Er hatte sich einen Stil gebildet.
(aus Goethe: Winckelmann und sein Jahrhundert)
Zunächst einmal besichtigen wir die im 2. Weltkrieg
stark beschädigte historische Altstadt rund um den
Alten  Markt  und
werfen einen Blick
in die Marienkirche
und den Dom.
Nach  einem  Be-
such  in  der  histo-
rischen  Abspanne
Alte  Schmiede ist
am Nachmittag die
Besichtigung  des
Winckelmann-Museums  unter  der  Führung  des
Berliner Kunsthistorikers Prof. Dr. Wolfgang von
Wangenheim vorgesehen. Das Winckelmann-Mu-
seum ist das einzige Museum, das dem Begründer
der Klassischen Archäologie und neueren Kunstwis-
senschaft gewidmet ist.
An seiner Stelle stand einst das bescheidene Ge-
burtshaus Johann Joachim Winckelmanns, der hier
am 9. Dezember 1717 als Sohn eines Schuhmachers
geboren wurde. Das Museum gibt Auskunft über
Leben und Werk dieses großen Stendalers wie über
das Wirken seiner bahnbrechenden Ideen.
Seit  2003  steht  in  dem  an  den  Museumshof  an-
schließenden Garten das Trojanische Pferd, das auf
Winckelmanns Vorliebe für den griechischen Dich-
ter Homer anspielt.
In der ständigen Ausstellung wird die
umfangreiche Winckelmann-Samm-
lung gezeigt, die die 1940 gegründete
Winckelmann-Gesellschaft über Jahr-
zehnte  zusammengetragen  hat;  seit
dem Jahr 2000 ist diese internationale
wissenschaftliche Gesellschaft auch
Träger des Museums.
227
Besuch des Winckelmann-Museums – Führung
durch Prof. Dr. Wolfgang von Wangenheim / Füh-
rung: Historische Altstadt mit Dom.
2005: Reise nach Marbach und Knittlingen
1.Tag
Marbach – Stadtführung – Schillers Geburtshaus.
Am Nachmittag unternehmen wir zu-
nächst  einen  geführten  ausführlichen
Bummel durch die Altstadt Marbachs,
wo  uns  Schiller  in  jedem  zweiten
Schaufenster in irgendeiner Form be-
gegnet.  Sodann  geht  es  ins
Geburtsthaus,  das  es  –
wir staunen – bereits seit
1859 gibt und das seitdem
ein  beliebtes Wallfahrtsziel
der Schiller-Verehrer ist.  
Bereits  zu  Schillers  100.
Geburtstag richtete der Mar-
bacher  Schillerbund  hier
eine  Gedenkstätte  ein,  und
die im 19. Jahrhundert gestif-
teten  Reliquien  bilden  seit-
dem den Grundstock für die
Sammlungen der 1903 eröff-
neten ersten Ausstellung im heutigen
Schiller-Nationalmuseum.
Wir  sehen  Schillers  Taufhäubchen,
einen Knabenanzug und die Porträts der
Eltern; weitere Exponate aus dem 18.
Jahrhundert  lassen  seine  Marbacher
Kindheit anschaulich werden und ver-
mitteln einen Eindruck vom damaligen
Leben  in  einer  württembergischen
Kleinstadt.
228
2.Tag
Besuch des Schiller-Nationalmuseums – Ausstellung:
»Götterpläne und Mäusegeschäfte«
Götterpläne und Mäusegeschäfte stehen heute auf dem
Programm,  so  der  Titel  der  Jubiläumsausstellung  im
Schiller-Nationalmuseum: Sieben Abteilungen erwarten
uns mit folgenden Themen: Schiller stirbt, Schiller wird
geehrt; Schiller schreibt; Schiller in Gesellschaft; Schil-
lers Freunde; Schiller rechnet, Schiller reist und  Schil-
ler wird verehrt. Unter drei Stunden ist das nicht zu
bewältigen. Beim Mittagessen schlagen wir die gest-
rige ZEIT auf und lesen die Rezension von Hannelore
Schlaffer,  die wir hier  im Auszug wiedergeben,  da
sie´s auf den Punkt bringt:
Über ein dämmriges Kabinett mit der Totenmaske und dem Be-
richt von der Vivisektion gelangt der Besucher, noch ehe er den
Saal dieser »Werkschau« betreten hat, in den der Väter: Johann
Caspar Schiller, Herzog Carl Eugen, Herzog Carl August, am
Ende Danneckers idealisierende Büste des Dichters, der sich
selbst entworfen hat. Ohne die Hilfe der Fürsten, scheint die In-
szenierung zu sagen, hätte Deutschland seinen Dichter nicht er-
halten.
Neben der Schiller-Büste liegt denn auch die Ur-
kunde Josephs II. zu Schillers Erhebung in den
Adelsstand; ironischerweise macht sie doch den
revolutionären Geist, der mit dem Erstlingswerk
seinen Fürsten brüskierte und später Ehrenbür-
ger der Französischen Republik werden sollte,
zum Favoriten der Monarchie.
Die  Ausstellung  spannt  in  der  Abteilung
(schreibender Schiller) den Bogen zwar von
den Räubern (woraus der Titel der Ausstellung zi-
tiert) zum Wilhelm Tell, läßt aber die Dra-
men und philosophischen Schriften, die
dazwischen entstanden, beiseite, sind sie
doch (noch?) im Bildungsbewußtsein wohl
aufgehoben, und besetzt Schillers Lebens-
bogen stattdessen mit kleinen Almanachen,
Verlegerbriefen, Notrufen an Freunde, Ent-
würfen zur Schiller-Legende.
Der Hauptsaal der Sektion zur Rechten zeigt,
daß der Weg zur Nobilitierung nichts war als
ein harter Kampf auf dem Buchmarkt. Die vielen Al-
manache, die statt der Werke ausgestellt sind, liegen
auf Bänkchen aufgeschlagen wie kleine pietistische
Gebetbücher und sehen aus wie ein Heer von Mäuslein,
die der Mäusekönig ausgesandt hat, die Welt zu erobern. Es lässt
sich voraussehen, dass es hinter der Pforte zur Linken erst recht
nur noch um Taktik geht und ums Geldzählen.
Die Marbacher Ausstellung distanziert sich nicht von Schiller, sie
hebt ihn nur sanft fühlend vom Sockel. Das 19. Jahrhundert, voller
Andacht für sein Werk, hat es gleichwohl mit Spott und Parodie ver-
folgt. Die verständnisvolle Anteilnahme an seinem Kampf um den
literarischen Markt und ums nackte Dasein – eine sentimentale
Folge der Literatursoziologie – macht Schiller zum Unternehmer.
So aufgeklärt diese Perspektive sein mag, der
große Dichter ist damit nicht auferstanden.
Auffällig bei allem  gegenwärtigen Feiern
bleibt es, daß die Theater, um Stücke sonst
so sehr verlegen, kaum die Gelegenheit zur
Aufführung seiner Dramen  wahrnehmen.
Zwischen Biografie und Ausstellung: Wo ist
Schillers Werk geblieben?
229
Am nächsten Tag geht es nach Ludwigsburg, wo sich Mo-
nika Schopf-Beige als Vorsitzende der dortigen OV nota-
bene besonders gut auskennt. Es ist einer jener sehr heißen
Tage, bei denen im Schwabenland die Luft zum Sieden
kommt.
Heute ist offener Samstag und mittendrin die Goetheaner
aus  Berlin  auf  den  Spuren  der Schwäbischen  Dichter-
schule, die uns Frau Schopf-Beige vor den Geburts- und
Wohnhäusern von Eduard Möricke, Justinus Kerner, Lud-
wig Uhland und Wilhelm Hauff näher bringt. Sie weiß so
viel, es ist so heiß, die Fußgängerzone mit ihrem Gewusel
so nah und Goethe ganz weit weg.
Am Nachmittag spaltet sich die Gesellschaft, die einen
wollen mehr hören über die schwäbischen Dichter, die an-
deren zieht’s ins fußläufig gelegene kühle Schloß, kommt
man nach Ludwigburg doch nicht alle Tage.
Dort haben wir Glück; aufgrund der spontanen Anfrage
via  Handy, wird  ein bereits  im Ruhestand  befindlicher
Schloßführer geschwind kontaktiert; dieser streift sich für
uns ein Kostüm über und führt die Berliner, von Anekdo-
ten übersprudelnd, zwei launige Stunden durch seine Re-
sidenz:  Schloß  Ludwigsburg  ist  eines  der  größten  im
Original erhaltenen barocken Bauwerke in Europa. Es bie-
tet  seinen  Besuchern  einen  beeindruckenden  Streifzug
durch  fürstliche Prunkräume aus zwei  Jahrhunderten  –
vom Barock über das Rokoko bis zum Klassizismus.
Goethe war auch im Schloß, und zwar auf der Rückreise
seiner dritten Schweizer Reise. Am 29. August 1797 ver-
merkt er im Tagebuch: Das bekannte geräumige Schloß ist
sehr wohnbar, aber sowohl das alte als das neue in ver-
hältnißmäßig bösem Geschmack ausgeziert und meublirt.
Im neuen gefielen mir die äqualen Parketts von eichnem
Holze, die sich sehr gut gehalten hatten. Wahrscheinlich
waren sie nicht gerissen, weil die Etage an den Garten
stößt und nur wenig über ihn erhoben ist; gegen den Hof
aber ist sie um den ganzen Unterstock erhoben, diese Zim-
mer können also nicht so ganz vollkommen trocken seyn.
Auf einer Galerie waren alte schlichte Gemählde von Ve-
nezianischen Lustbarkeiten, darunter war auch die be-
rühmte Brückenschlacht von Pisa.
Nun ja, auf jemanden, der sich gerade sein gesamtes Haus
nach klassizistischem Geschmack eingerichtet hat, muß
das barocke Prunkschloß tatsächlich in bösem Geschmack
ausgeziert und meublirt gewirkt haben.
Sehr wohnbar fanden wir es allerdings weniger, woran
man nur wieder sieht, daß sich über die Geschmäcker treff-
lich streiten lässt.
3.Tag
Ludwigsburg – Stadtführung:
»Schwäbische Dichterschule« durch
Monika Schopf-Beige / Führung
durch Schloss Ludwigsburg.
230
3.Tag (Fortsetzung)
Knittlingen – Führung durch das Faust-Museum.
Das Faust-Museum in Knittlingen ist im
Alten  Rathaus, einem  Fachwerkhaus  aus
dem  18.  Jahrhundert,  untergebracht. Die
Dauerausstellung zeigt im Erdgeschoß Ex-
ponate  zum  historischen  Johann  Georg
Faust, der vermutlich um 1480 in Knittlin-
gen geboren sein soll, sowie zu den zahl-
reichen Bearbeitungen des Fauststoffs.
Die Museumspädagogin Heike Hamberger,
Leiterin  des Knittlinger Faust-Museums,
führt uns durch die Daueraustellung und
stellt  zunächst  einmal  klar: Wir  wissen
weder, wie der historische Faust ausgese-
hen hat, noch wissen wir,  ob er verheiratet
war,  Familie  hatte,  noch  welche  Ausbil-
dung er hatte. Das Problem ist, daß im 17.
Jahrhundert  Knittlingen  mehrfach  abge-
brannt ist. Das heißt, die Originalunterla-
gen, wie Taufregister, Geburts- und Ehe-
register,  sind  alle  verbrannt.  Wir wissen
aber, daß die Familie Faust hier existiert
hat.
Die Zeugnisse, die allesamt von Zeitgenos-
sen stammen, verraten nicht nur ein beein-
druckendes  Berufs-Portfolio,  sondern
eröffnen Einblicke, sowohl in die Persön-
lichkeit des Magiers und Astrologen, Heil-
kundigen  und  Naturwissenschaftlers  als
auch in die Epoche seiner Lebenszeit, der
Renaissance.
Fausts spektakulärer Tod in Staufen im
Breisgau,  wahrscheinlich  durch  eine
Explosion  bei  einem  alchemistischen
Experiment verursacht, setzte die Le-
genden um einen Teufelspakt in Gang.
Die  phantastischen  Geschichten,  zu
denen er das Volk im 16. Jahrhundert in-
spirierte,  über  den  ersten  literarischen
Niederschlag  im  später  so  genannten
Volksbuch, der Historia von D. Johann
Fausten und  die  erste  Gestaltung  als
Menschheitsdrama  von  Christopher
Marlowe, zum Puppenspiel vom Dok-
tor Faustus bis hin zu Johann Wolfgang
von  Goethes Faust  I und Faust  II
dieser inhaltliche Bogen kann im bunt
und lebendig gestalteten ersten Ober-
geschoß des Museums gut nachvoll-
zogen werden.
Fausts Weg ins 21. Jahrhundert wird
schließlich  im  zweiten  Oberge-
schoß  fortgesetzt:  Literarische
„Fäuste“ nach Goethe, humoristi-
sche Adaptionen in Satire, Karikatur,
Comic und Dialekt, weibliche Faust-
und Mephisto-Gestalten, Ausprägun-
gen  in  Theater,  Film,  Ballett  und
Musik, all dies wird übersichtlich und
eindrucksvoll im größten der drei Aus-
stellungsräume präsentiert.
231
3.Tag (Fortsetzung)
Fahrt nach Maulbronn –Führung druch die Klosteranlagen.
Heute geht es in die be-
nachtbarte,  mittlerweile
zum Weltkulturerbe ge-
hörende mittelalterliche
Zisterzienserklosteranla-
ge Maulbronn.
Während der zwei stün-
digen Führung, die sich
gleichzeitig  über  meh-
rere  Jahrhunderte  er-
streckt,  erfahren  wir  so
ganz  nebenbei,  daß  es  auch  hier  –  eben
durch unsern Doktor Faust – einen Goethe-
bezug gibt.
In die Schlagzeilen rückt Maulbronn vorü-
bergehend  dank  eines  Schwaben,  dessen
geheimnisvolle  Gestalt  nicht  nur  Goethe
fasziniert hat. Im heute leider arg verwilder-
ten  Klostergarten  zeigt  der  Führer  nicht
ohne Stolz den Faust-Turm. Dort soll
der  berühmte  Schwarz-
künstler  gewohnt  haben,
bedrängt  von Abt  Johann
Entenfuß,  die  chronisch
leere Klosterkasse mit sei-
ner Goldmacherkunst wie-
der aufzufüllen.
Gold hat er dem Abt Enten-
fuß, der auch  den spätgoti-
schen  Gästebau mit seinem
schlanken Ziererker errichten ließ, nicht mi-
schen können. Aber die Tage mit dem ge-
heimnisvollen  Magier  bescherten  den
geistlichen  Herren  von  Maulbronn  wohl
doch  manche  Kurzweil.  Dafür  bürgt  die
Chronik: soll auch des Winters auf einer
schwartzen Sau über den Fischteich gerit-
ten sein.
Wie wir in Knittlingen ja bereits vernom-
men  haben,  ist  all  dies  doch  weitgehend
Spekulation,  tatsächlich  aber  lebte  der
Alchimist Faust mit Sicherheit einige Zeit
in der Klosterstadt.
In einer Beschreibung des Ortes Maulbronn
heißt  es: Im  Jahre  1516  hat  Maulbronn
einen  Mann  beherbergt,  der  Johannes
Faust aus Knittlingen geheißen...
Im Garten, an der Kirchen-
mauer,  liegt  übrigens  das
Grab der von Schiller so
genannten Madame Luzi-
fer,  Caroline  Dorothea
Schelling. Sie starb wäh-
rend einer Reise zu ihren
Eltern  am  7.  September
1809.
Ihr  Mann,  der  Philosoph
Friedrich Wilhelm Schelling, ließ
über ihrem Grab eine Pyramide errichten.
232
4.Tag
Besuch des Literaturarchivs in Marbach
An unserem letzten Tag haben wir Gelegenheit, das
Deutsche  Literaturarchiv in  Marbach  zu
besichtigen,  eine  der  bedeutendsten  und  ange-
sehensten deutschen Forschungseinrichtungen. Mit
über 1.400  Vor- und Nachlässen von Schriftstellern
und  Wissenschaftlern  bewahrt  es  die  umfang-
reichste Quellensammlung zur Literatur- und Geis-
tesgeschichte seit dem 18. Jahrhundert.
Die Bibliothek ist mit über 1.000.000 Bänden, da-
runter zahlreichen Dichter- und Gelehrtenbibliothe-
ken, eine der wichtigsten Spezialbibliotheken für
neuere  deutsche  Literatur  und  Literaturwissen-
schaft von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Seine
zwei Museen, das Schiller-Nationalmuseum und
das Literaturmuseum der Moderne, erschließen das
Archiv in Dauer- und Wechselausstellungen einer
großen Öffentlichkeit. Letzteres wurde wenige Wo-
chen zuvor eröffnet, und wir können den nicht ganz
unumstrittenen  Neu-
bau  nun  auch  von
innen in Augenschein
nehmen.  Wie  immer
sind  die  Meinungen
über die architektoni-
sche  Gestaltung  ge-
teilt.
Ein Schwerpunkt der Sammlung, For-
schung und Vermittlung ist die Exil-
literatur, die im Helen und Kurt Wolff
Archiv sichtbar gebündelt ist.
Zu  dieser  weltweit  bedeutendsten
Quellensammlung für die Exillitera-
turforschung gehören u.a.die Nach-
lässe  und  Teilnachlässe  von Alfred
Döblin,  Hilde  Domin,  Yvan  und
Claire  Goll,  Mascha  Kaléko,  Sieg-
fried Kracauer, Konrad Merz, Else Lasker-Schüler,
Heinrich  Mann,  Joseph  Roth,  Kurt  Pinthus  und
Carl  Zuckmayer  sowie  wichtige  Exil-Verlagsar-
chive (u.a.von S. Fischer).
Da heute der 28. August 2005 ist, gedenken wir un-
terwegs natürlich unseres Geheimrats und stoßen
auf dessen 256. Geburtstags an. Volker Hesse ver-
liest den berühmten Brief von Schiller an Goethe
von 13. Juni 1794, dessen förmliche Anrede  lautete:
Hochwohlgeborener  Herr,  Hochzuverehrender
Herr  Geheimrat und  in  dem  Schiller  Goethe
schriftlich  einlud,  an  der  neu  gegründeten  Zeit-
schrift Die Horen als Autor und Gutachter mitzu-
arbeiten. Dieses Schreiben begründete bekanntlich
die Freundschaft der beiden Dioskuren.
233
2006: Auf Goethes Spuren durch Sizilien
234
1. Tag: Palermo – Kloster Monreale –
Botanischer Garten
Hier ist erst der Schlüssel zu allem (…) Von Italien
bleibt ohne Sizilien gar kein Bild in der Seele (…) Die
Reinheit der Konturen, die Weichheit des Ganzen, das
Auseinanderweichen der  Töne,  die  Harmonie  von
Himmel, Meer und Erde. Wer es gesehen hat, der hat
es auch sein ganzes Leben, so heißt es in der Italieni-
schen Reise.
Die subtropische Natur und die griechischen  Relikte
auf der Insel vor der italienischen Stiefelspitze ma-
chen einen unauslöschlichen Eindruck auf Goethe.
Ende März 1787 sticht er bei Neapel in See, erlebt
hohen  Wellengang  und  Turbulenzen.  Aus  diesem
Blickwinkel zeigt sich ihm auch der im Nordwesten
des Golfes von Palermo aufragende Monte Pellegrino
als das schönste aller Vorgebirge der Welt.
Nach einem ausgedehnten Rundgang durch die Alt-
stadt von Palermo besuchen wir den Dom von Mon-
reale. An seiner Südseite stehen die Mauern des alten
Benediktinerklosters San Martin mit dem Il Chiostro,
einem schönen Kreuzgang mit Spitzbodenarkaden
und 228 marmornen, individuell gestalteten Doppel-
säulen mit interessanten Kapitellen. In der Mitte be-
findet sich ein Garten mit einem Brunnen.
Am  Nachmittag  besuchen
wir den Botanischen Garten:
Riesenbambus, große Yucca-
Pflanzen, Kakteen und Suc-
culenten, Palmen, Oleander,
Hibiskus  und  Tamarisken.
Magnolien,  ein  Drachen-
baum, riesige Gummibäume
sowie Orangenbäume voller
Früchte  demonstrieren  die
südlichen  Gefilde
– Goethes Wunder-
garten. Hier  kam
er auf den Gedan-
ken: Ob  ich  nicht
unter dieser Schar
die Urpflanze ent-
decken  könnte?
Eine  solche  muss
es doch geben!
235
2. Tag: Bagheria – Villa Palagonia
Palermo, Montag, den 9. April 1787.
Heute den ganzen Tag beschäftigte uns der Unsinn
des Prinzen Palagonia, und auch diese Torheiten
waren ganz etwas anders, als wir uns lesend und
hörend vorgestellt... Der Weg nach dem Schlosse
zu ist breiter als gewöhnlich, die Mauer in einen
fortlaufenden hohen Sockel verwandelt, auf wel-
chem ausgezeichnete Basamente seltsame Grup-
pen in die Höhe tragen, indessen in dem Raum
von einer zur andern mehrere Vasen aufgestellt
sind.
Von den Tollheit des Prinzen Pallagonia (...) geben wir
nachstehendes Verzeichnis. Menschen: Bettler, Bettlerin-
nen, Spanier, Spanierinnen, Mohren,
Türken,  Buckelige,  alle  Arten  Ver-
wachsene, Zwerge, Musikanten, Pul-
cinelle,  antik  kostümierte  Soldaten,
Götter, Göttinnen, altfranzösisch Ge-
kleidete, Soldaten mit Patrontaschen
und Gamaschen, Mythologie mit frat-
zenhaften Zutaten: Achill und Chiron
mit Pulcinell. Tiere: nur Teile derselben,
Pferd mit Menschenhänden, Pferdekopf auf Menschen-
körper, entstellte Affen, viele Drachen und Schlangen,
alle Arten von Pfoten an Figuren aller Art, Verdoppelun-
gen, Verwechslungen der Köpfe. Vasen: alle Arten von
Monstern und Schnörkeln, die unterwärts zu Vasenbäu-
chen und Untersätzen endigen.
Denke man sich nun dergleichen Figuren schockweise
verfertigt und ganz ohne Sinn und Verstand entsprun-
gen, auch ohne Wahl und Absicht zusammengestellt,
denke man sich diesen Sockel, diese Piedestale und
Unformen in einer unabsehbaren Reihe, so wird man
das unangenehme Gefühl mit empfinden, das einen
jeden überfallen muß, wenn er durch diese Spitzru-
ten des Wahnsinns durchgejagt wird
Unser heutiges Ziel ist die Villa Palagonia  in
Bagheria, östlich von Palermo, wo Adelsfami-
lien ihre barocken Prachtvillen besaßen. Sämtli-
che Mauern und die Fassaden verzieren groteske
fratzenschneidende Figuren aus Sandstein, die
der  Villa  den  Beinamen Ungeheuervilla ein-
brachten.
Als Goethe im April 1787 die Villa besucht, ver-
faßt  er  den  nebenstehenden  hochemotionalen
Bericht über seine Eindrücke.
236
Heute besuchen wir das berühmte Tal der Tempel
in Agrigent. Beidseits der Via dieTempli liegen im
Sonnenschein griechische und römische Tempel
der alten Stadt Akragas. Hier erkennt man die un-
terschiedlichen Baustile von der Archaik bis zur
Klassik. Agrigent hieß damals noch Girgenti und
zog bereits mit seinen Ruinen Kunstinteressierte
an. Der römische Sarkophag hatte es Goethe be-
sonders angetan: Mich dünkt, von halberhabener
Arbeit nichts Herrlicheres gesehen zu haben, zu-
gleich vollkommen erhalten.
Die Überreste der antiken Stadt gehören heute zum
UNESCO-Weltkulturerbe und müssen nicht – wie
Goethe einst beklagte – weiter zerfallen.
Am nächsten Tag geht unsere Fahrt weiter nach
Piazza Armerina, einem malerischen Städtchen auf
drei Hügeln. Wir besuchen die spätrömische Villa
del Casale; erst im 20. Jahrhundert wurden 3500
Quadratmeter Wand- und Boden Mosaiken freige-
legt und restauriert.
Nach 1950 legte man die Gebäude systematisch
frei. Ans Licht kamen Dutzende Räume mit fast
vollständig  erhaltenen  Mosaik-Fußböden  von
atemberaubender Schönheit. Etwa die Bikinimäd-
chen, Sportlerinnen, die tatsächlich jene knappen
Zweiteiler tragen, deren Erfindung man bislang auf
die 50-er Jahre des 20. Jahrhunderts datiert hatte.
3. u. 4. Tag: Segesta – Agrigent – Piazza
Armerina
237
5. Tag: Amphitheater Taormina
6. Tag: Vulkan Ätna
Catania, Sonnabend, den 5. Mai 1787.
Folgsam dem guten Rate, machten wir ans zeitig auf
den Weg und erreichten, auf unsern Maultieren immer
rückwärts schauend, die  Region  der durch die  Zeit
noch ungebändigten Laven. Zackige Klumpen und Ta-
feln starrten uns entgegen, durch welche nur ein zufäl-
liger Pfad von den Tieren gefunden wurde. Auf der
ersten bedeutenden Höhe hielten wir still. Kniep zeich-
nete mit großer Präzision, was hinaufwärts vor uns
lag: die Lavenmassen im Vordergrunde, den Doppel-
gipfel des Monte Rosso links, gerade über uns die Wäl-
der von  Nicolosi, aus denen  der  beschneite,  wenig
rauchende Gipfel hervorstieg. Wir rückten dem roten
Berge näher, ich stieg hinauf: er ist ganz aus rotem vul-
kanischem Grus, Asche und Steinen zusammengehäuft.
Um die Mündung hätte sich bequem herumgehen las-
sen, hätte nicht ein gewaltsam stürmender Morgenwind
jeden Schritt unsicher gemacht; wollte ich nur einiger-
maßen fortkommen, so mußte ich den Mantel ablegen,
nun aber war der Hut jeden Augenblick in Gefahr, in
den Krater getrieben zu werden und ich hintendrein.
(Italienische Reise)
Unser verdienter Reisemarschall Hans-Dieter Kei-
cher  übernahm  dankenswerterweise  den  org-
anisatorischen Ablauf der Reise, da ich kurzfristig
verhindert war. Volker Hesse las die jeweiligen Si-
zilien-Textpassagen aus Goethes Italienischer Reise.
Wie berichtet wurde, ließ die Gruppe nur wenige
Orte aus, die Goethe 1787 aufgesucht und beschrie-
ben hat, so auch Taormina. Marianne Keicher hat in
Taormina noch eine Ode an Herrn von Goethe ge-
dichtet.
Goethe: Ansicht des Ätna
Gipfelstürmer Volker Hesse
und Hans-Dieter Keicher
Nimmer wird mein Herz sich senken,
lustvoll las ich jedes Wort.
Sizilien konntest Du mir schenken,
spürt’ ich Dich an jedem Ort!
Ist die Welt heut’ arm am Geiste –
nährst Du mich noch 100 Jahr;
wenn ich dann schon längst vergreiste,
ist Dein Wort noch immer wahr!
(Taormina, April 2006, Marianne Keicher)
2006: Goethes Geburtstag in Bahnitz
238
Zum zweiten Mal fahren wir ins
ländliche Bahnitz im  Havelland,
um Goethes 252. Geburtstag im
Faust-Jubiläumsjahr mit einer ko-
mödiantischen  Parodie  auf  das
moderne Regietheater zu feiern.
Zunächst einmal stärken wir uns
am   rustikalen  Kuchenbuffet,
denn um 18 Uhr erwartet uns in
der  Theaterscheune  ein  fast
zweistündiges höchst vergnüg-
liches Bühnen-Spektakel.
Da  der  sommerliche  Besuch  der Faust-
Premiere in der Ruine des St.Pauli-Klosters
in Brandenburg zwei Monate zuvor bei den
Mitgliedern so gut angekom-
men war, hatten wir mit dem
Prinzipal des dortigen event-
Theaters  beschlossen,  ein
heiteren Theaterereignis über
die  Bahnitzer  Bühne  gehen
zu  lassen,  das  sich  diesmal
aber nicht um den Faust, son-
dern  ausschließlich  ums
Gretchen  dreht,  das  nach
Meinung des Regisseurs Lutz
Hübner  ansonsten  immer  zu
kurz kommt.
Der Titel des Ganzen: Gretchen 89 ff., eine
parodistisch anmutende Liebeserklärung an
das Theater, ein Spaß für alle und ein tiefer
Blick hinter die Theater-Kulissen: Im rasan-
ten Wechsel  erleben wir die  unterschied-
lichsten  Regisseur-Charaktere  und
Gretchen-Darstellerinnen  bei  den  Proben
zur Kästchenszene aus Goethes Faust I (Re-
clamheft, Seite 89 ff).
239
Zu Beginn erscheint ein landläufig be-
kanntes Gretchen als mädchenhafte
naive,  jungfräuliche  Verkörperung
deutscher Theaterseligkeit im klassi-
schen  Outfit  mit  Zopf,  Faltenrock
und Puffärmelbluse. Genau so kennt
man  es,  sie  intoniert Es  war  ein
König in Thule in hinlänglich sittsa-
mer  Manier;  die  Welt  scheint  in
Ordnung  
Doch  dann  werden  wir  unver-
sehens ins Regietheater des aus-
gehenden 20. Jahrhundert hinein
katapultiert und erleben Goethes
schönes Kind nun jeweils als Projekti-
onsgestalt  exzentrischer  Nachwuchs-
regisseure.
Ist sie naiv oder abgebrüht,
intelligent oder debil, hübsch
oder häßlich, die süße Maid?
Auf alle diese Fragen weiß
im  Theater  vor  allem  einer
immer die Antwort: der Re-
gisseur.
Margarete erscheint im Nacht-
hemd oder im knallroten Hän-
gekleidchen, als Intellektuelle
mit Hornbrille oder neugierige
kleine Schlampe mit Hotpants,
eben gerade so, wie´s dem Re-
gisseur im Kopf herumspukt.
Er entscheidet  auch,  ob das
ominöse Kästchen eine Gold-
schatulle  ist,  eine  Zigarren-
schachtel  oder  ein  blauer
Müllsack, und keine Schau-
spielerin darf sich sicher sein,
ob  sie  wirklich  Schmuck
darin findet.
In einer Reihe von kabarettis-
tisch  zugespitzten  Sketchen
treffen jene Witzfiguren der Bühnen-
scheinwelt aufeinander, die unser anek-
dotisches  Halbwissen  vom  Theater
geprägt haben. Und kein Klischee ist so
an den Haaren herbeigezogen, daß es
nicht von der Wirklichkeit hinter den
Kulissen noch übertroffen würde.
Lutz Hübner: Der sexbesessene Psycho-
loge, der Schmerzensmann, der Strei-
cher,  die  Dramaturgin  –  Archetypen
eines ganz bestimmten Regiestils treffen
auf Archetypen weiblicher Bühnenkunst
wie die Diva und die Anfängerin.
Nur wird bald klar: Regisseure haben
eine  Macke  und  Schauspieler  eine
Selbstdarstellungsneurose. Alle proben
sie die berühmte Gretchen-Szene.
Was dabei herauskommt, ist jedes Mal
ein Zusammenprall der besonderen Art.
In  höchst  vergnüglichen,  pointierten
Dialogen  wird  an  diesem Abend  die
schillernde Welt des modernen Regie-
theaters  persifliert und vom Kopf auf
den Bauch gedreht.
Wir sind höchst erheitert und haben ge-
nügend Gesprächstoff auf der einstün-
digen Rückfahrt nach Berlin.
2007: Auf Goethes Spuren durch Weimar
und Goethe-Geburtstag in Tiefurt
1.Tag
Weimar – Stadtführung: Auf den Spuren Anna Ama-
lias / Festsaal im Wittumspalais Musikalisch-lite-
rarischer Abend: Briefe Goethes im 1. Weimarer
Jahrzehnt.
Zu unserem 20-jährigen Bestehen wollen wir uns
eine ganz besondere Exkursion gönnen. Entspre-
chend unserem diesjährigen Jahresthema: Goe-
the  zwischen  Musenhof  und
Ministeramt, geht es im August
nach längerer Pause wieder ein-
mal nach Weimar. 76 Mitglie-
der sind mit von der Partie, im
Doppeldecker  reisen  wir  in
drei Stunden an, logieren im
Hotel  Anna  Amalia in  der
Nähe des Wittumspalais.
Mittags begeben wir uns auf
Anna Amalias Spuren  durch  Weimar; danach
erwartet uns eine Führung durch die historischen
Räume des Wittumspalais.
Ursprünglich errichtet  am Beginn der sogenann-
ten Esplanade von 1767-1769 als Stadtpalais für
Jakob Friedrich von Fritsch, den Geheimrat und
Minister in Weimar, bewohnte Her-
zogin Anna Amalia das Palais ab
Mai 1774 – nachdem das Re-
sidenzschloß  in  Flammen
aufgegangen  war  –  bis  zu
ihrem Tode 1807.
Anna Amalia ließ 1775 die
Innenräume nach der neus-
ten Mode entwerfen und be-
auftragte  Goethes  einstigen
Zeichenlehrer Adam Friedrich
Oeser mit der Ausgestaltung der
Deckengemälde.
Nach  zahlreichen  Zwischennutzungen  im  19.
Jahrhundert übernahm 1919 das Goethe-Natio-
nalmuseum das Palais und richtete die Wohn-
räume  wieder  entsprechend der  historischen
Nutzung ein.
Sie bieten ein anschauliches Bild adeliger
Wohnkultur und heutige Besucher  wer-
den  insbesondere auf jene kulturellen
Tee-Gesellschaften Anna Amalias  im
ersten Weimarer Jahrzehnt hingewiesen,
für die Wilhelm Bode zu Beginn des 20.
Jahrhunderts  den Begriff Weimarer Mu-
senhof prägte.
240
Man beschäftigte sich mit gemeinsam ge-
lesenen Büchern, mit den eben über die
Bühne gegangenen Theaterstücken, den
musikalischen  Ereignissen  der  Saison
oder arbeitete an den Journalen und Ta-
schenbüchern mit, die in Weimar, Tiefurt
oder Jena herausgegeben wurden.
Der  Kreis  setzte sich  aus Adligen wie
Bürgerlichen, aus Hofleuten, Staatsdie-
nern, Schriftstellern, Künstlern und Wis-
senschaftlern zusammen. Mitglieder oder
Gäste des Kreises waren u.a. Goethe, der
Philosoph  und Theologe  Johann  Gott-
fried Herder, sowie der Dichter Christoph
Martin Wieland, den sie 1772 als Lehrer
ihrer  beiden  Söhne  an den  Hof geholt
hatte, sowie die Hofdamen Charlotte von
Stein und Luise von Göchhausen.
Im Festsaal des Wittumspalais klingt der
Tag aus mit einem musikalisch-literari-
schen Abend. Der Schauspieler Philipp
Heine,  Sohn  des  Weimarer  Goethe-
Darstellers Manfred Heine liest Goethe-
Briefe  aus  dem  ersten
Weimarer Jahrzehnt, mu-
sikalisch  begleitet  vom
Kammertrio Weimar.
241
2.Tag
Ereignis Weimar – gemeinsamer Besuch der Zen-
tralen Ausstellung im Schloß / Fahrt nach Belvedere
–  Besuch von Schloß und Park / Weißer Saal im
Schloß: Literarisch musikalische Soirée mit
Duo con emotione (zusammen mit dem Freundeskreis
Goethe Nationalmuseum).
Zunächst steht am Vormittag das Ereignis Wei-
mar–Jena, Kultur um 1800 auf dem Programm,
die große Jubiläumsausstellung über Anna Ama-
lia, Carl August und das Entstehen der  Klassik.
Nach zehn Jahren bleibt in Erinnerung: Viele,
viele Menschen drängen sich im Schloß. Um ge-
nügend Hängeflächen für die  teils sehr  großfor-
matigen  Portraits  zu  generieren,  hat  man  30
kleine Themenboxen kreiert; zahlreiche sehr be-
eindruckende Exponate wurden noch nie ausge-
stellt, dementsprechend werden sie umlagert.
Will man inhaltlich den Anschluß nicht verlieren,
muß man schon bei den eigenen Leuten bleiben
und sich sputen, um die Ausführungen der zuge-
teilten Kunsthistorikerin in dem ins Ohr einge-
hängten  Audio-Guide  mitzubekommen.  Die
nächste  Gruppe  – Touristen  aus Japan – folgt
schon auf dem Fuße.
Das Treppenhaus und elf weitere Stationen sind
zu absolvieren, bevor überhaupt das erste Mal der
Name Goethe fällt. Viel ist zu erfahren über die
bewegte  Geschichte  des
Fürstenhauses  der
Wettiner  seit  dem
Mittelalter  und
des  herzoglichen
Hauses  Sachsen-
Weimar  seit  der
Reformation; ketze-
rische  Kommentare
folgen: Was wäre denn Wei-
mar überhaupt gewesen ohne ihn?
Manch einer der unsern beschließt, sich auf ei-
gene Faust auf den Weg zur Klassik zu begeben;
dort sind wir dann wieder auf vertrautem Terrain
und können den Einfluß des Geheimrats auf die
Weimarer  Zeitläufte  auch  getrost  in  englisch,
französisch oder spanisch verfolgen.
Äußerst lohnenswert ist der Erwerb des opulent
bebilderten und mit sorgfältig kommentierten Er-
läuterungen ausgestatteten Ausstellungskatalogs.
242
Im Folgenden ein Auszug aus dem Ausstellungspro-
spekt Ereignis Weimar, der idealerweise zusammen-
faßt, was den Besuchern bei der Dauerausstellung
im Anna Amalia-Jubiläumsjahr geboten wird:
Weimar ist als Geburtsstätte der Klassik ein zentra-
ler Ort unseres kulturellen Erbes; Goethe, Schiller,
Herder und Wieland sind Namen, die der
Provinztadt  bis heute weltweite Beach-
tung sichern. Wie aber kommt es dazu,
dass  Weimar  zu  dieser  Metropole  der
deutschen  Geistesgeschichte  werden
kann? Welchen Anteil hat im späten 18.
Jahrhundert  die  Politik  der  Herzogin
Anna Amalia und ihres Sohnes Herzog
Carl August an der einzigartigen kultu-
rellen Blüte, die sich um 1800 in ihrem
Fürstentum entfaltet?
Aus  Anlaß  des  200.  Todestages  Anna
Amalias und des 250. Geburtstages Carl
Augusts gibt die Ausstellung Antworten auf diese
Fragen. Mit über 500 bedeutenden Exponaten aus
den vielfältigen Sammlungen der Kultureinrichtun-
gen  und  Wissenschafts-Institute  in  Weimar  und
Jena,  läßt  die Ausstellung im Schloßmuseum  die
Entwicklung des kleinen  Herzogtums zur kulturellen
Großmacht anschaulich werden.
Vor  dem  Hintergrund  der
Biografien beider Herrscher-
persönlichkeiten  beleuchtet
sie die Traditionen der Häu-
ser  Sachsen  und  Braun-
schweig, veranschaulicht die
prekäre politische und wirt-
schaftliche Lage zur Zeit des
Regierungsübergangs  von
Anna Amalia auf ihren Sohn
und thematisiert die  Versuche
der Regierung, mit vielfälti-
gen  Reformen der drängen-
den Probleme Herr zu wer-
den. Nach anfangs erfolg-
losem  Engagement  auf
Wirtschafts- und macht-
politischen Gebiet stellt
sich Erfolg und Fortüne
in der  Kulturpolitik ein.
An  die  Stelle  eines  zu-
nächst  dilettantisch  ge-
pflegten  Genietreibens  tritt
eine  zunehmend  professionelle
Lenkung von Wissenschaft und Kunst, die zu
einer einzigartigen Konzentration geistig kul-
turellen  Kapitals  in  Sachsen-Weimar  führt.
Dieses Ereignis Weimar bringt dem kleinen Herzog-
tum  seine  Reputation  als  geistiges  Zentrum
Deutschlands ein. Am Ende rettet diese einzigartige
Position das Fürstentum auch über die Fährnisse
der napoleonischen Zeit hinweg.
Abends weilen wir  noch einmal im Schloß.  Im dor-
tigen Weißen Saal entführt uns das Duo con emo-
zione mit Anekdoten  und  Musik  in  die  Zeit  von
Herzogin Anna Amalia.
243
Der  ausgewiesene  Wieland-Ex-
perte Egon Freitag hat sich freundli-
cherweise bereiterklärt, uns durch Oßmannsstedt
zu führen, das –10 km nördlich von Weimar – ein
wenig abseits von den herkömmlichen Touristen-
pfaden friedlich verträumt daliegt.
Als Wieland 1797, das ehemalige Rittergut er-
wirbt, schwebt ihm, so erfahren wir, Horazens Sa-
binum vor, so nannte man die Villa des Horaz ,
ein römisches Landhaus in den Sabiner Bergen.
Vor die Tore der Stadt zieht er mit seiner Frau
Anna Dorothea, sieben Kindern und vier Enkel-
kindern.
Egon Freitag zitiert aus einem Brief Wielands: Ich
habe drei tüchtig arbeitende Pferde, 15 Rinder
und 80 Schafe. Ich habe stundenlang Maulwurfs-
hügel geebnet und Steine von meinen Äckern ge-
lesen. Das heißt,  der  Dichter  hat  damals  auch
selber mit Hand angelegt. Er schreibt dann stolz:
Ich habe heute glücklich meine erste Heuernte
eingebracht.
Über 200 Briefe sind aus den Oßmannstedter Jah-
ren überliefert, in denen er das Landleben sehr
lobt. Wenn Egon Freitag Wieland seitenweise zi-
tiert, nimmt die Vorstellung vom Alltag der Dich-
terfamilie Gestalt an. Wie ein Patriarch residiert
er  vier  Jahre,  bis  1801 seine  geliebte  Ehefrau
stirbt; er gerät in wirtschaftliche Nöte und muß
zurück nach Weimar ziehen.
Im Innern der soeben frisch renovierten Wieland-
Gedenkstätte der Klassik Stiftung Weimar findet
sich allerdings wenig Persönliches; Möbel aus der
Zeit halt, ein Piano, einige Gipsbüsten und natür-
lich ein Dichterschreibtisch
Nun bleibt noch ein letzter Weg hinunter zur Ilm-
biegung, wo Wieland seit 1813 bestattet liegt,  an
seinem Lieblingsplatz im Park in der so genann-
ten Wildnis am Ufer der Ilm.
Ein mannshoher Sandsteinobelisk steht dort, vom
Dichter selbst in Auftrag gegeben. Der Obelisk
hat drei Seiten. Eine Front wird geschmückt von
der Lyra, für den Sänger, den Poeten Wieland.
Die andere Seite zeigt
zwei ineinander ver-
schlungene  Hände,
Sinnbild  für  den
Treuebund  mit  der
geliebten  Ehefrau.
Alsdann gibt es noch
einen  Schmetterling
in  einem  Kranz  aus
Rosen für die  Dritte
im  Bunde.  Mit  dem
Dichter  und  seiner
Frau begraben ist So-
phie  Brentano,  En-
keltochter  seiner
Jugendliebe  Sophie
La Roche.
3.Tag
Oßmannstedt – Besuch des Wielandgutes und Parks
244
Am Nachmittag kann man heute wahlweise das
Goethehaus besuchen; all jene, die es schon ken-
nen,  folgen  Ulrike  Müller,  der  promovierten
Musik- und Literaturwissenschaftlerin, durch die
Stadt. Unter dem Motto Weimar weiblich. Wir be-
geben uns auf die Spuren bedeutender Frauen, die
dazu beigetragen haben, daß aus dem Thüringer
Provinzstädtchen eine berühmte Stätte der Kultur
und Kunst geworden ist.
Ulrike Müller führt gerne auf weiblichen Pfa-
den durch ihre Stadt und dabei an Orte, die das
gängige Touristen-Programm nicht berührt, so
manches Histörchen aus dem Nähkästchen der
Weimarer Damenriege inbegriffen.
Die  Salonkultur war – wie auch in Berlin – da-
mals eindeutig Frauensache; Gelegenheit
zum hochgeistigen Austausch, aber
auch Klatsch und Tratsch. Selbst
unter dem Dach des Goethe'schen
Wohnsitzes traf sich regelmäßig
eine Damenrunde zum Gegensa-
lon  junger  Frauen,  eingeladen
von Ottilie von Pogwisch, Gattin
von Goethe-Sohn August.
Doch der bedeutendste Treffpunkt war die
Tafelrunde  der  Herzogin Anna Amalia. In der
nach ihr benannten Bibliothek weist Ulrike Mül-
ler im prächtigen Rokokosaal
auf die einzige Frau, die es
geschafft hat, neben all den
männlichen  Größen  im
Bild dargestellt zu werden:
Johanna  Schopenhauer,
Schriftstellerin  und  Mutter
des  berühmten  Philosophen.
Eine Ehre, wie sie meint, die ihr
wohl nur zuteil wurde, weil sie mit dem Hofbiblio-
thekar eng befreundet war.
Vorbei  geht  es  nun  am  Schiller-
haus, in dem die Schwestern von
Lengefeld  das
Leben  präg-
ten.  Char-
lotte,  die
Schiller ge-
heiratet hatte
und  ihre  mit
Wilhelm  von  Wolzogen  in
zweiter Ehe (eine der ersten Ge-
schiedenen!) verheiratete, schrift-
stellernde  Schwester  Caroline  als  sein
geistiges  Gegenüber.  Im  Gebäude  des
heutigen Stadtmuseums wohnte die Fa-
milie  des  späteren  Verlegers  Bertuch.
Dessen Frau hatte die Idee einer Kunst-
blumenmanufaktur als Erwerbsmöglich-
keit  für  verarmte  bürgerliche  Frauen.
Womit sich der Kreis zu Christiane Vul-
pius schließt. Denn die hatte dort gear-
beitet, bevor sie Goethe begegnete.
Es sind noch so zahlreiche Frauen und Ge-
schichten, auf die man bei der Weimar
weiblich-Tour  trifft.  Die  Frau  von
Stein natürlich und die schöne junge
Herzogin Maria Pawlowna, die mit
märchenhafter Mitgift vom Zaren-
hof nach Weimar gekommen war,
wo  sie  unter  anderem  für  soziale
Einrichtungen  wie  eine  Haushalts-
schule für Frauen sorgte.
Neben bekannten Namen ruft Ulrike Müller bei
ihrem Rundgang gerne auch solche Damen in Er-
innerung, deren bedeutsames Wirken heute fast
vergessen ist.
Vielen von uns schwirrt der Kopf nach all dem
Neuen,  was  wir  erfahren  haben.  Wir  nehmen
einen  Eiskaffee  im Café  am  Frauenplan,  ein
neuer Treffpunkt mit Blick auf Goethes Wohn-
haus. Betrieben wird es, mit selbstgebackenen
Kuchenschöpfungen, natürlich von zwei Frauen.  
3.Tag (Fortsetzung)
Stadtrundgang: Frauenpersönlichkeiten des
klassischen Weimar
245
Heute  machen wir uns auf den Weg  nach Tiefurt  an
der Ilm, dem Sommersitz von Anna Amalia, etwa vier
Kilometer östlich des Stadtzentrums gelegen, wo uns
zunächst eine Führung durch das kleine Schlößchen er-
wartet.
Ende des 16. Jahrhunderts errichtet, ursprünglich als
Pächterhaus eines herzoglichen Kammergutes, und 1765
umgebaut und erweitert, besteht es aus einem Hauptge-
bäude, dessen Obergeschoß sieben Räume umfasst, und
einem kleineren Nebengebäude. Beide sind durch einen
überdachten Gang verbunden. Im Obergeschoß befindet
sich eine Terrasse mit einer Pergola, auf der eine Mäd-
chenskulptur  und  zwei  Sphingen  zu  sehen  sind.  Ein
Blick in die Küche offenbart neben dem Zubehör, u. a.
aus Holz und Zinn, nachgemachte Braten und Gerichte
in Pappmaché.
Mehr als 20 Sommer verbringt Anna Amalia hier, weit
weg vom höfischen Treiben in Weimar und doch nahe
genug an der Stadt, um reichlich Besuch zu bekommen.
1806 verwüsten  die Truppen Napoleons Tiefurt.  Ein
Großteil der ursprünglichen Ausstattung geht dadurch
verloren. Anna Amalia kehrt nach diesem Schock nicht
wieder nach Tiefurt zurück und stirbt im darauffolgen-
den Jahr im Alter von 67 Jahren. Erst ihr Enkel Carl
Friedrich richtet das Schloß ab 1820 wieder neu ein.
1907 wird das Schloß zu einem Museum ausgestaltet
und für Besucher geöffnet. Eine umfassende Renovie-
rung im Geschmack der Zeit um 1800 findet von 1978
bis 1981 statt, dabei stellt man nun auch im Oberge-
schoß die Raumfolge aus der Zeit Anna Amalias wieder
her.
4.Tag (Fortsetzung)
Tiefurt – Führung durch Schloß und Park
246
Die Herzogin ließ die Büsten von Wieland,  Herder und
selbstverständlich  eine  von  Goethe  im  Park aufstellen.
Diese waren aus Holz, sodaß sie die Zeitläufte nicht über-
standen. Nur ein Steinporträt Wielands befindet sich noch
im Park, das von dem Berliner Bildhauer Johann Gott-
fried Schadow stammt. Außerdem gibt es einen Herder-
Gedenkstein.
Das Zentrum des Parkes bildet der Musentempel mit
den aufwendigen Rabatten, von denen er umgeben
ist. Der Name des kleinen Tempels steht seit jeher für
die Huldigung der Musen, jener Wesen aus der grie-
chischen Mythologie, die ihre Hände schützend über
die schönen Künste halten.
Zu den markanten Gebaüden im Park zählt der Teesalon Anna
Amalias. Er entstand 1805 im damals beliebten chinesischen
Stil und war die letzte von zahlreichen Parkarchitekturen, die
die Herzogin errichten ließ – zum Zeitvertreib für sich, ihre
Hofdamen und ihre Gäste.
Der Altar im Tiefurter Park  ist  das älteste Mozart-
Denkmal, das außerhalb seiner Heimat Österreich ent-
stand. In Weimar gehörte Mozart um 1800 zu den am
meisten gespielten Komponisten: Immer wieder führte
man den Don Giovanni auf, Die Hochzeit des Figaro
und Cosi fan tutte.
Diesen lauschigen Sitzplatz mit der großen Inschrifttafel ließ
Anna Amalia 1782 anlegen. Die Statue des kleinen Amor, der
eine Nachtigall mit seinem Pfeil
füttert,  kam  zwei  Jahre  später
hinzu. Das Denkmal entstand zu
Ehren der Schauspielerin Corona
Schröter.  Sie  hatte  im  selben
Sommer  einen  denkwürdigen
Auftritt als Titelheldin in Goe-
thes  Singspiel Die  Fischerin,
das hier im Park vor nächtlicher
Kulisse aufgeführt wurde.
247
An diesem Abend  erwartet uns nach einem ländli-
chen Schmaus in der Alten Remise eine Freilicht-
aufführung von Goethes Fischerin am Ufer der Ilm.
Der Park diente damals dem Liebhabertheater um
Anna Amalia auch als Kulisse. Das am 22. Juli 1782
von  Goethes  gedichtete  Singspiel Die  Fische-
rin wurde hier uraufgeführt. Das Stück stand nach
Goethe ganz in Beziehung zur Wald- und Wasser-
natur des Ortes und war vor allem auf Beleuchtungs-
effekte  ausgerichtet.  Die  Hauptrolle  spielte
hierbei Corona Schröter.
Für Goethe war es immer ein besonderes Vergnü-
gen, große kostümierte Kavalkaden zu erfinden und
zu leiten; in Belvedere besaß man ein Naturtheater,
dessen Kulissen aus grünen, beschnittenen Hecken
bestanden.  In  Tiefurt  mußte  die  Natur  selbst  die
Szene für Liederspiele abgeben.
Gegen 19 Uhr machen wir uns an diesem 28. August
2007 auf  dem Weg zur Ilm; es wird langsam ein
wenig frisch; Decken werden verteilt. Am gegen-
über liegenden Ufer packen die Musiker ihre Instru-
mente aus; die Notenpulte sind erhellt von LED-
Leuchten.
Auf dem Wasser der Ilm schaukelt ein Floß, das die
Bühne darstellt. Darauf sitzt die Fischertochter Dort-
chen und flickt ein Netz. Wie so oft bangt sie um
den Vater und ihren Verlobten, weil die beiden nicht,
wie versprochen, beizeiten vom Fischen nach Hause
gekommen sind. Dortchen beschließt, ihnen auch
einmal einen Schrecken einzujagen und versteckt
sich. Als die Männer dann heimkehren, fürchten sie,
daß Dortchen ertrunken sei. Alle helfen beim Su-
chen, das ganze Fischerdorf ist auf den Beinen!
4.Tag (Fortsetzung)
Freilichtaufführung Die Fischerin im Ilmpark
248
An dieser Stelle gab Goethe bei der Uraufführung
das entscheidende Stichwort – er rief: Und Feuer
an!. Genau auf diesen Moment hin ist das ganze
Stück berechnet: Wie 230 Jahre zuvor beginnen nun
überall im Wald sich brennende Fackeln zu bewe-
gen. Von dramatischen Orchesterklängen untermalt,
lodern hier und plötzlich flackernde Feuer auf (...),
indessen die entferntere Gegend rings umher in tie-
fer Nacht lag. Selten hat man eine schönere Wirkung
gesehen. Die Mitwirkenden, darunter die freiwillige
Feuerwehr und Tiefurter Bürger geben ihr Bestes,
Solisten, Chor und Orchester der Musikschule Franz
Liszt Weimar machen das Ganze zu einem unver-
geßlichen Erlebnis.
Dortchen wird wiedergefunden; alle umarmen sich.
Standing ovations vom etwas durchgefrorenen Pu-
blikum. Im Stockdunkeln machen wir uns auf den
Rückweg  zum  Schloß.  Doch  plötzlich  flackern
Lichter auf, erst eins, dann ein Dutzend, dann ganz
viele. Die Veranstalter statten jeden Besucher aus
mit kleinen brennenden Teelichtern in transparenten
Tüten, sodaß die große Wiese bald aussieht, als wür-
den hier lauter Glühwürmchen ihr Wesen treiben.
Als wir uns dem Eingang nähern, steht dort ein Blä-
ser-Ensemble im Mondlicht und spielt: Der Mond
ist aufgegangen. Die meisten der Älteren sind sogar
ziemlich textsicher, auf einmal steht auf der nächt-
lichen Wiese ein spontan gebildeter Laienchor und
intoniert Matthias Claudius:
...der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille
und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so hold,
als eine stille Kammer,
wo ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen sollt!
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen,
und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost verlachen,
weil unsre Augen sie nicht sehen.
So legt euch denn ihr Brüder
in Gottes Namen nieder.
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen
und laß uns ruhig schlafen
und unsern kranken Nachbarn auch.
Anschließend fahren wir zurück nach Weimar und
stoßen an auf den 258. Geburtstag des Geheimrats
bei Kerzenschein im Schardt´schen Palais, ebendort
wo sich Goethe und Charlotte von Stein im Novem-
ber 1775 zum ersten Mal begegnet sind.
4.Tag (Fortsetzung)
Anstoßen auf Goethes 258. Geburtstag im Haus von
Schardt (Charlotte von Steins Elternhaus).
249
2008: Auf Goethes und Schillers Spuren in Thüringen
250
Mit einer Rekordbeteiligung  von 50 Mitgliedern
machen wir uns am 11. Juli frohgemut auf den Weg
nach Thüringen.
Zunächst geht es nach Jena, wo uns Jens F. Dwars,
der  Verfasser  des  Büchleins Der  Jenaer  Goethe
durch das kleine Schillerhaus und den Garten führt;
anschließend besuchen wir die Jenaer Universität,
der Goethe als Naturforscher eng verbunden war.
Hier  beginnt  bekanntlich  die  Freundschaft  mit
Schiller im Jahr 1794, die als lebendiges Zeugnis
eines freien geistigen Austauschs und der intensiven
Zusammenarbeit Epoche macht.
Mittags  speisen  wir  im
historischen Gasthof Zur
Grünen  Tanne an  der
Camsdorfer  Brücke,
Goethes  Stammlokal
während seiner zahlrei-
chen Jena-Aufenthalte.
Von  hier  schreibt  er
am 16. Februar 1818
an   Zelter: Hier  ver-
weile ich nun die schönsten
Stunden des Tags, den Fluss,
die Brücke, Kies, Anger und
Gärten und sodann das liebe
närrische  Nest,  dahinter
Hügel  und  Berge  und
die famosesten Schluchten und Schlachthö-
hen vor mir.
1.Tag
Jena – Führung durch Jens F. Dwars (Autor von Der
Jenaer Goethe): Schillerhaus und Garten, Innenhof
der alten Jenaer Universität / Mittagessen Gasthof
Grüne Tanne / Gabelbach.
Am nächsten Morgen geht’s zu Fuß hinauf auf den Kickel-
hahn, nach einer halben Stunde haben wir das Goethehäuschen
erreicht. An die Wand der Jagdaufseherhütte auf dem Kickel-
hahn ritzt er 1780 die berühmte In-
schrift in die Bretterwand:
Über allen Gipfeln ist Ruh.
In allen Wipfeln spürest du
kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde ruhest du auch.
Mittlerweile hat man die Inschrift unter Glas gesetzt, da sonst
vermutlich nicht mehr viel von ihr zu sehen gewesen wäre. Er-
klärtermaßen übernachtet er dort, um dem Wuste des Städgens,
den Klagen, den Verlangen, der unverbesserlichen Verworren-
heit der Menschen auszuweichen.
Kurz vor seinem Tod erklimmt Goethe noch einmal im August
1831 mit seinen beiden Enkeln den Kickelhahn, gerade so, als
hätte er das balde ruhest du auch vorhergesehen.
Bergab  gelangen  wir  zum  Museum  Jagdhaus
Gabelbach. Im 1783 erbauten Jagdhaus verweilte
Goethe oft als Gast. Heute gibt das Museum
Einblick in Goethes naturwissenschaftliche
Studien  und  beherbergt Ausstellungen  zu
damaligen Jagdgewohnheiten.
Anschließend fahren wir nach Stützerbach,
wo uns im  dortigen kleinen Museum eine
weitere Ausstellung erwartet: Goethe und
der  tätige  Mensch.  Dort  dokumentiert
man  seine  naturwissenschaftlichen
Studien, die er im Thüringer Wald machte.
Weiter geht es nun nach Bauerbach, wo wir uns im
historischen Zum braunen Roß mit Thüringer Spe-
zialitäten stärken.
251
2.Tag
Wanderung zum Kickelhahn, Jagdhaus Gabelbach / Besichtigung
der kleinen Ausstellung: Goethe und die Natur / Stützerbach
Besichtigung der Museumsausstellung Goethe und der tätige
Mensch / Bauerbach – Besuch des Schillermuseums
252
Am nächsten Tag fahren wir nach
Ilmenau und tauchen ein in das
den  meisten  nicht  so  geläufige
Thema Goethe  und  der  Ilmen-
auer Bergbau. Er selbst – oder
vielmehr  eine  Bronzegestalt
eines ältlichen, recht mürrisch
dreinblickenden Mannes in Le-
bensgröße, der Goethe darstel-
len soll – sitzt auf einer Bank
auf dem Ilmenauer Marktplatz
vor dem einstigen Amtshaus,
in  dem  Goethe  meist  näch-
tigte,  wenn  er  in  Dienstge-
schäften unterwegs war.
Heute  ist  hier  das  Goethe
Museum  Ilmenau  unterge-
bracht, und man erläutert uns
sachkundig die Exponate der
dortigen  Dauerausstellung,
die  dem  Ilmenauer  Bergbau
gewidmet ist.
Ilmenau hatte zu jener Zeit be-
reits eine lange Bergbautradi-
tion für Kupfer und Silber, doch
aus geologischen Gründen war
der Bergbau in den 30-er Jahren
des 18. Jahrhunderts zum Erlie-
gen gekommen.
Carl  August  möchte  nun  zu
Beginn seiner Regierung durch
eine  Wiederbelebung  des  Il-
menauer Bergbaus seinem Her-
zogtum eine dringend benötigte
Finanzquelle erschließen, und
natürlich weiß Goethe von die-
sen Überlegungen. Als er am 4.
Mai  1776  nun  ohnehin  in  Il-
menau  weilt,  nimmt  er  die
Gelegenheit wahr, läßt sich die
alten verfallenen Anlagen zei-
gen und betritt zum ersten Mal
in seinem Leben einen Stollen.
Er  betreibt  die  Wiederauf-
nahme des Bergbaus mit großer
Energie, indem er sich zunächst
vor allem sachkundig macht. Er
verfertigt  zahlreiche  Skizzen
und Zeichnungen dazu; an sei-
nen  Freund  Merck  schreibt  er
1780: Ich  habe  mich  diesen  Wissenschaften,  da
mich mein Amt dazu berechtigt, mit einer völligen
Leidenschaft  ergeben  und  habe  eine  sehr  große
Freude daran.
Bei seinen Reisen nimmt er jede Gelegenheit wahr,
Bergwerke zu besichtigen und sich von den Steigern
und Technikern alles erläutern zu lassen. Im Mai
1781 legt er eine von ihm und einigen Mitarbeitern
verfaßte  30-seitige  historisch-juristisch-ökono-
misch-geologische Nachricht  von  dem  Ilme-
nauischen  Bergwesen vor, die Goethe mit einem
Begleitbrief seinem Landesherrn übergibt.
Im  Februar 1784  eröffnet man
schließlich  nach  achtjähriger
Vorbereitungszeit  den  neuen
Bergbaustollen. Bis zur Förde-
rung der ersten Tonne Kupfer-
schiefer  verhindern  jedoch
zahlreiche Wassereinbrüche die
Arbeiten im Schacht. Im Okto-
ber 1796 ereignet sich ein neuer
Wassereinbruch,  ein  Teil  des
Entwässerungsstollens ist einge-
brochen und das Grubenwasser
steigt im Schacht auf.
Jetzt hätte es der Feuermaschine
von Tarnowitz bedurft, die sich
Goethe und Carl August 1790 in
Schlesien  angeschaut  hatten,
eine  aus  England  stammende
Pumpe,  mit  der  man  enorme
Wassermengen aus großer Tiefe
wieder heraufbefördern konnte.
Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 76.000
Taler, nachdem zu Beginn lediglich 20.000 Taler
veranschlagt waren.
1814 werden die Schächte schließlich verfüllt, der
Betrieb endgültig aufgegeben.
Dennoch  bleibt  Goethe  le-
benslang Ilmenau verbunden,
das  er  insgesamt  28  mal  im
Rahmen seiner Amtspflichten
sowie  seiner  schriftstelleri-
schen und naturwissenschaftli-
chen Arbeiten besucht.
3.Tag
Ilmenau – Besuch im Goethe Stadt Museum (Berg -
bauausstellung),  Bergmannskapelle
Verfallener Kupferschiefertagebau
Goethezeichnung, 1776
Ilmenauer Schachtkaue,
Goethezeichnung, 1776
3.Tag (Fortsetzung)
Dornburg – Führung durch Rokokoschloß und
Rosengarten und die  Goethezimmer im Renais-
sanceschloß
253
Auf dem Rückweg geht es wieder einmal über das
am  Wege  liegende  Dornburg,  das  sich  jetzt,  zur
Rosenzeit, von seiner schönsten Seite zeigt. Uns er-
wartet eine Führung im
soeben renovierten Ro-
kokoschloß  sowie  ein
Besuch in den Goethe-
zimmern  im  Renais-
sanceschloß, die einige
Mitglieder  noch  nicht
kennen.  
Für  die  Literaturge-
schichte  ist  dieses
Schlößchen  unlösbar
mit Goethes Aufenthalt
von  1828  verbunden.
Nachdem er bereits frü-
her mehrmals in Dorn-
burg  eingekehrt  war
und an archäologischen
Funden reges Interesse
gezeigt hatte, dient ihm
das Renaissanceschloß
im  Sommer  1828  als
Refugium,  nachdem
ihn  in  Weimar  die
Nachricht vom plötzli-
chen  Tode  des  Groß-
herzogs  Carl  August
erreicht hat.
Wie immer bei schweren seelischen Erschütterun-
gen  zeigt  sich  auch  Goethe  diesmal  nicht  in der
Lage, an den Trauerfeierlichkeiten für den am 14.
Juni verstorbenen Freund teilzunehmen. Dem Kanz-
ler von Müller erklärt er wenige Tage später: Mein
ohnehin sehr leiden-
der  Gemütszustand
würde, bei spezieller
Vergegenwärtigung
der Verdienste unse-
res  hohen  Abge-
schiedenen,  bis  zur
Verzweiflung gestei-
gert werden.
Goethe  kommt  am
7.  Juli  nach  Dorn-
burg;  ursprünglich
beabsichtigt  er,  nur
wenige Tage zu blei-
ben, doch wirkt sich
die  ruhige  Umge-
bung  so  wohltuend
auf seine psychische Verfassung aus, daß aus den
wenigen Tagen ein Aufenthalt von fast zehn Wochen
wird. Erst am 11. September wird er nach Weimar
zurückkehren.
Sein Domizil schlägt er wie immer im Obergeschoß
des  Renaissanceschloßes  auf,  wo  er  von  seinem
Zimmer aus eine wunderliebliche Aussicht in das
herrliche Saaletal genießt. Die von Goethe bei sei-
nen  Dornburg-Aufenthalten  stets  als  Wohn-  und
Schlafzimmer benutzte Bergstube blieb in ihrer da-
maligen Ausstattung erhalten. Wir genießen eben-
falls die schöne Aussicht, in der Hoffnung, eines
Tages wieder hierher kommen zu können.
2009: Auf Goethes Spuren durch Franken
1.Tag
Nürnberg Altstadtführung: Kaiserburg, Fünf-
eckturm, Turm Luginsland, Walpurgiskapelle, Mu-
seum, Besuch der St. Sebaldkirche und Sebaldusgrab,
Hauptmarkt, Frauenkirche, Männleinlaufen, Denk-
mal Hans Sachs, Heiliggeistspital, Museumsbrücke,
St.-Lorenzkirche / Vortrag Prof. Horst Brunner:
Geschichte Nürnbergs mit Goethe-Bezügen.
2.Tag
Führung Germanisches Museum / Besichtigung
Kartäuserkloster /Besuch des Dürer-Hauses mit
Führung durch »Agnes Dürer« alias Gisela Brandstät-
ter / Abfahrt nach Coburg – Besuch der Veste Co-
burg mit Bulgarenturm, Zwingermauer, Fürstenbau
u. Kapelle, Steinerne Kemenate / Besichtigung der
Kunstsammlungen, Fest-und Bankettsaal, Luther-
zimmer, Bildgobelin etc.
3.Tag
Exkursion ins Fichtelgebirge,
Wunsiedel Felsenlabyrinth Luisenburg
Aufstieg bis zum Goethefelsen / Fahrt nach
Bischofsgrün – Aufstieg über den Goetheweg auf
den Ochsenkopf, auf halber Höhe Besichtigung der
Weiß-Main-Quelle. Sessellift ins Tal.
Zum ersten Mal kommt Goethe durch Nürnberg auf
dem Rückweg aus Italien  1787, steigt ab  im Roten
Hahn wandert alle sechs Kirchen ab und studiert die
darin befindlichen Kunstwerke, insbesondere die Dü-
rerschen. Er besichtigt Burg, Rathaus und Neptunbrun-
nen, ferner die St.-Rochus-Friedhofskapelle, wo ihn
erneut Werke von Dürer interessieren. Der Vorschlag,
uns auf Goethes Spuren durch Franken zu begeben,
stammt natürlich von Dr. Johannes Schrenk, der uns
zunächst einmal kundig durch die Nürnberger Altstadt
führt – bzw. das, was von ihr nach 1945 übrig geblie-
ben ist. Wir steigen auf den Burgberg, besuchen Sebal-
dus-,  Lorenz-  und  Frauenkirche,  betrachten  das
Männleinlaufen und das Hans-Sachs-Denkmal; besu-
chen  tags  drauf  das  Germanische  Museum  und
schauen uns jene Bilder an, die Goethe dort auch sah;
sodann begeben wir uns ins  Dürerhaus, wo uns Ehe-
frau Agnes über die mittelalterlichen Farbmixuren des
Meisters aufklärt.
254
Am Nachmittag steht ein Besuch der Veste
Coburg  samt Besichtigung  der  umfangrei-
chen  Kunstsammlungen  an;  drei  Stunden
lang kommen wir aus dem Schauen gar nicht
heraus; gebannt lauschen wir den Ausführun-
gen der äußerst kundigen Veste-Führerin. Wie
viel kann das Gehirn an einem Nachmittag an
Informationen  aufnehmen?  Goethe  mußte
sich das noch alles selbst erarbeiten.
Tags darauf geht’s ins Fichtelgebirge; unser
Ziel ist das Felsenlabyrinth Luisenburg, das
Goethe 1820, als er dort mit 70 Jahren herum-
kraxelt, folgendermaßen beschreibt: ein La-
byrinth, welches ich vor 40 Jahren mühselig
durchkrochen, nun aber durch architektoni-
sche Gartenkunst spazierbar und im einzel-
nen beschaulich gefunden…
Goethe reist zum erst Mal 1785 zusammen
mit dem Urfreund Knebel das erste Mal ins
Fichtelgebirge; am 1. Juli ersteigen die beiden
den Ochsenkopf. Ìhm geht es hier vor allem
um die Erkundung der geologischen Verhält-
nisse. Selbstredend gibt es dort auch einen
Goethefelsen, zu dessen Füßen sich alle Stei-
gewilligen zum Fototermin versammeln; die
Herren der Schöpfung sind offenbar überwie-
gend im Talcafe hängengeblieben.
Von der Frankenreise im existiert im Übrigen
ein 30-seitiges, von Ellen Blohm erstelltes
Reisetagebuch mit 190 Bildern.
255
2010: Auf Goethes Spuren in Oberitalien
1.Tag
Flug nach Innsbruck / Sterzing – Altstadt / Rund-
gang in Bozen durch einheimische Reiseleitung.
Goethe hält sich auf seiner »Flucht« nur drei Stunden in Innsbruck auf,
obwohl er sich gern mehr Zeit genommen hätte, denn ihm gefällt die
herrliche Lage der Stadt. Über die alte Paßstraße geht es von Innsbruck
hinauf ins Gebirge. Unser Ziel ist dabei der Brenner und danach als
erste Station Sterzing.
11. September (früh)
Als ich um neun Uhr nach Sterzing gelangte, gab man mir zu verstehen, daß man
mich gleich wieder wegwünsche. In Mittenwald Punkt zwölf Uhr fand ich alles
in tiefem Schlafe, außer dem Postillon, und so ging es weiter auf Brixen, wo man
mich wieder gleichsam entführte, so daß ich mit dem Tage in Kollmann ankam.
Die Postillons fuhren, daß einem Sehen und Hören verging, und so leid es mir
tat, diese herrlichen Gegenden mit der entsetzlichsten Schnelle und bei Nacht
wie im Fluge zu durchreisen, so freuete es mich doch innerlich, daß ein günstiger
Wind hinter mir herblies und mich meinen Wünschen zujagte. Mit Tagesanbruch
erblickte ich die ersten Rebhügel.
In der Südstadt besichtigen wir die Pfarrkirche
mit  den  spätgotischen  Heiligenfiguren  des
Hans Multscher und flanieren durch die Alt-
stadt mit ihren schönen Laubengängen, dem
Rathaus und den Stadttürmen. Weiter geht es
entlang des Etschtals von Sterzing über Klau-
sen und Bozen bis nach Trient.
256
2.Tag
Trient – Altstadtführung / Malcesine
Besuch des Castello mit Goethe-Zimmer /
Garda – Fahrt mit dem Schiff nach Lazise
/ Fahrt nach Vicenza.
Torbole, den 12. September, nach Tische.
Heute Abend hätte ich können in Verona sein, aber es lag mir noch
eine herrliche Naturwirkung an der Seite, der Gardasee, den wollte
ich nicht versäumen, und bin herrlich für meinen Umweg belohnt.
Nach fünfen fuhr ich von Rovereto fort, ein Seitental hinauf.Wenn
man hinauf kommt, liegt ein ungeheurer Felsriegel hinten vor, über
den man nach dem See hinunter muss. Wenn man hinab kommt, liegt
ein Örtchen am nördlichen Ende des Sees, und ist ein kleiner Hafen
daselbst, es heißt Torbole.
Wie Goethe machen wir einen Umweg über den Gardasee:
Über den San-Giovanni-Paß gelangen wir nach Torbole
am Nordufer des Gardasees, das heute ein Surferparadies
ist. Sodann geht es weiter am Ostufer des Gardasees bis
Malcesine. Dort schwärmen wir aus, einige klettern zur
Burg hinauf; Goethe wird dort beinahe als Spion vom miss-
trauischem Podestà verhaftet, als er die malerische Grenz-
festung zeichnet.
Ich bemerkte wohl, daß mein Zeichnen Aufsehen erregt hatte, ich
ließ mich aber nicht stören und fuhr ganz gelassen fort. Endlich
drängte sich ein Mann zu mir, nicht von dem besten Ansehen, und
fragte, was ich da mache. Ich erwiderte ihm, daß ich den alten Turm
abzeichne, um mir ein Andenken von Malcesine zu erhalten. Er
sagte darauf, es sei dies nicht erlaubt, und ich sollte es unterlassen.
An Charlotte v. Stein: ..die Lust, Dir das Schloss zu zeichnen, hätte
mir übel bekommen können!
Schiffahrt  auf dem
Gardasee nach Sirmione
257
3. Tag
Besichtigung der Villa Valmarana ai Nani / Besich-
tigung der Villa La Rotonda / Santuario della
Madonna di Monte Berico / Vicenza – ausge-
dehnter Altstadtrundgang.
Von der Piazza am Santuario della Madonna di Monte
Berico lässt sich ein Überblick über Vicenza gewinnen.
Ein Spaziergang führt uns zu der Villa Valmarana ai
Nani und der Villa Valmarana-Capra (La Rotonda).
Wenn man nun diese Werke gegenwärtig sieht, so erkennt man
erst den großen Wert derselben, denn sie sollen ja durch ihre
wirkliche Größe und Körperlichkeit das Auge füllen, und durch
die schöne Harmonie ihrer Dimensionen nicht nur in abstrakten
Aufrissen, sondern mit dem ganzen perspektivischen Vordringen
und Zurückweichen den Geist befriedigen.
Nachmittags steht ein Rundgang in Vicenza auf dem Pro-
gramm  mit  der  Basilica,  dem  Stadtpalast,  der  den  Ruhm
Palladios begründete, dem Palazzo Chiericati, dessen Fassade
fast vollständig in Säulen aufgelöst ist und dem Teatro Olim-
pico. Diese Theateranlage nach dem Vorbild der Antike ist
ein Spätwerk Palladios.
258
4. Tag
Fahrt nach Verona – Rundgang mit San Zeno, Castel-
vecchio / Stadtführung: Piazza Bra, la piazza dell’ Arena,
Casa di Giulietta, Piazza delle Erbe, Piazza dei Signori, Haus
der Familie Scala, Teatro Romano / Fahrt nach Monte-
grotto.
5. Tag
Fahrt nach Padua – Botanischer Garten und Basilica San
Antonio / Scrovegni – Kapelle, Stadtführung mit Universi-
tät, Piazza delle Erbe mit Palazzo della Ragione, Piazza Ante-
nore, Cattedrale und Battistero, Kleine Rundfahrt in den
Euganischen Hügeln über Abano – Weinprobe Goethe und
der Wein.
In Verona besichtigen wir die Arena, anschließend be-
suchen wir die Giardini del Giusti, wo Goethe eine Zeit-
lang  wohnte.  Sodann  erläutert  uns  Herr  Weiss  die
Kirche San Zeno mit ihrem berühmten  Bronzeportal
und Hochaltar Andrea Mantegnas. Castelvecchio, die
alte Skaligerburg aus dem 13. Jahrhundert, den Arco dei
Gavi, das antike Stadttor Porta dei Borsari sowie das
Haus der Capuletti mit dem Balkon der Julia. Bei 35
Grad im Schatten mit 47 Goetheanern im Schlepptau
behält unser Italien-Führer doch stets die Ruhe und sei-
nen schwäbischen Humor.
In Padua  besuchen wir die herrlichen Fresken Giottos
in der Arenakapelle. Dieser kleine Raum birgt einen
der größten Schätze ganz Oberitaliens, den Fresken-
zyklus Giottos aus den Jahren um 1305.
Höhepunkt am Nachmittag für  Volker Hesse im Bota-
nischen Garten: Eine Zwergpalme (chamaerops humi-
lis),  bekannt  als  Goethe-Palme,  die  ihn  zu  seinen
Ausführungen über die Metamorphose der Pflanzen
inspiriert hat.
259
2010 Tagesexkursion: Goethes Geburtstag in Wiepersdorf
Unserem diesjährigen Jahresthema Goethe  zwischen
Aufklärung  Klassik  und  Romantik  entsprechend,
wählen wir diesmal für die Feier von Goethes 261.
Geburtstag einen romantischen Ort und was könnte
da passender sein, als das südlich von Berlin, etwa
eine Fahrstunde entfernt gelegene Wiepersdorf. Fast
100 Mitglieder haben sich diesmal angemeldet und
da müssen wir uns schon etwas einfallen lassen.
Uns empfängt bei schönstem Sonnenschein ein opu-
lent blühender Landschaftsgarten mit verschlunge-
nen Wegen, gesäumt von allerhand Sandsteinstatuen
aus der griechisch-römischen Sagenwelt und Ruhe-
bänken, mittendrin das  gerade  renovierte  Schloß
samt Orangerie, in der uns erst einmal ein ländlicher
Imbiß erwartet.
Wer Wiepersdorf einmal zu DDR-Zeiten einen Be-
such abgestattet hat, erinnert sich: das war einmal
ganz anders, ziemlich verwildert und ungepflegt und
das ist alles noch gar nicht so lange her.
Wiepersdorf  hat eine  lange Tradition  als  Ort des
geistigen  Austausches.  Einst  der  Wohnsitz
von Achim und Bettina von Arnim, dem bedeuten-
den Dichterpaar der Romantik, diente das Schloß
nach einer höchst wechselvollen Geschichte kurz
nach dem Zweiten Weltkrieg als sowjetische Kom-
mandantur und Unterkunft für Kriegsflüchtlinge.
Das  von  Enteig-
nung bedrohte ver-
wahrloste Anwesen
und das zum Abriß
vorgesehene Schloß
konnte auf Initiative
der  energischen
Urenkelin  Bettina
Enke von Arnim gerettet werden. Sie schlug der zu-
ständigen Kulturverwaltung vor, Wiepersdorf als
einen  Ort kultur- und literaturgeschichtlichen Wer-
tes zu bewahren und hier ein Refugium für Schrift-
steller zu schaffen.
Die Provinzialverwaltung Brandenburg nahm die
Idee auf, und der Kulturbund zur demokratischen
Erneuerung Deutschlands errichtete hier 1946 einen
Schutzverband Deutscher Autoren, quasi eine Villa
Massimo für Arme. Auf diese Weise konnte Wie-
persdorf vier Jahrzehnte Sozialismus einigermaßen
unbeschadet überstehen.
2006 wurde es übernommen von der Deutschen Stif-
tung Denkmalschutz und liebevoll restauriert; heute
260
Wiepersdorf / Besichtigung des Museums, des Parks,
der Kirche und der Gräber / Vortrag Hans-Hellmut Al-
lers Bettina und Achim von Arnim /
Literarisch-musikalisches Programm: Goethe und
seine Gärten mit Antje und Martin Schneider.
261
wird  das  Herrenhaus  mit  Unterstützung  des  Landes
Brandenburg und des Bundes dauerhaft als Künstler-
haus erhalten.
Ein umfangreiches Programm erwartet uns: Hans-Hell-
mut Allers hält einen Vortrag über die ungewöhnliche
Ehe der von Arnims: 1811 heiratet Achim von Arnim
Bettina Brentano. 1814 ziehen beide auf das Gut Wie-
persdorf. Während es Bettina nach drei Jahren meist
wieder nach Berlin zieht, bleibt Achim sein Leben lang
als Gutsherr und Dichter in Wiepersdorf.
Von  gegenseitigen  Besu-
chen  abgesehen,  leben
beide  getrennt  von  einan-
der.  Diese  räumliche
Entfernung  hat  einen  um-
fangreichen  Briefwechsel
zur Folge, der eine wichtige
Quelle  in  der  Arnim-  und
Romantikforschung darstellt.
Bettina beschreibt die kultur-
geschichtlichen Ereignisse in
Berlin, während Arnim dörfli-
ches Leben zu Beginn des 19.
Jahrhunderts  aufzeichnet.Trotz  der  lang  anhaltenden
Trennungen  entsprossen  der  Ehe  immerhin  sieben
Kinder.
Daran  schließt  sich ein  heiteres musikalisch-literari-
sches  Programm,  vorgetragen  von Antje  und  Martin
Schneider über Goethe und seine Gärten, begleitet von
Gabriele Müller (Klavier) und Matthias Erbe (Violine).
Nach dem Kaffee führt
man  uns  durch  das
kleine Museum; wir be-
sichtigen Park und Kir-
che samt der Ruhestätten
des Dichterehepaars und
einiger ihrer Nachfahren.
Dann  kann  ein  jeder  an
diesem  wunderschönen
Sommertag nach eigenem
Gusto  durch  den  Park
schlendern; nur rechtzeitig
zum Abendbuffet samt ge-
meinsamem  Anstoßen  auf
den Jubilar muß er sich wie-
der einfinden.
2011: Auf Goethes Spuren in Sachsen
1.Tag
Leipzig Stadtrundgang durch die vormalige
Altstadt mit Prof. Mattausch / Goethe- und
Bachdenkmal / Essen in Auerbachs Keller /
Führung durch die Historischen Weinstuben und
den Großen Keller / Stadtgeschichtliches Mu-
seum Leipzig / Kaffeetrinken im Arabischen
Coffe Baum.
Goethes Spuren in Leipzig im Jahre 2011
zu folgen, erweist  sich als  ein außeror-
dentlich schwieriges und von vielen Bau-
stellen gesäumtes Unterfangen. Dr. Josef
Mattausch, langjähriger Vorsitzender der
Leipziger OV und seit vier Jahrzehnten
beim Goethe-Wörterbuch tätig,  ist  ein
außerordentlich kundiger Führer, der uns
zu den wenigen authentischen Orten führt,
bei  denen  man  als  phantasievoller
Goetheaner  noch  einige  gedankliche
Assoziationen zum Leipzig des 18. und
19. Jahrhunderts herstellen kann, als da
wären:  die  Thomaskirche,  Marktplatz
samt  Rathaus  und  natürlich  Auerbachs
Keller mit einem kleinen liebevoll einge-
richteten Goethe-Museum.
Die  auf  einem  hohen  Sockel  stehende
Bronzestatue auf dem Naschmarkt vor der
Alten Handelsbörse, die Goethe als Stu-
denten darstellt, stammt – wie übrigens
die meisten Goethe-Denkmäler – aus der
Gründerzeit, ist aber natürlich der typi-
sche Idealhintergrund fürs Gruppenfoto.
262
2.Tag
Dresden – Schillerhäuschen (Loschwitz),
Körnerhaus, Weinberg / Schloß Pillnitz
gemeinsamer Parkspaziergang mit Palmen-
haus / Mit historischem Raddampfer auf der
Elbe retour nach Dresden / Spaziergang
über die Augustusbrücke in die Neustadt /
Führung im Kügelgenhaus / Spaziergang mit
»Canalettoblick«
Wir beginnen unseren Dresden Aufenthalt mit einem Besuch des Schiller-
Häuschens in Loschwitz. Sodann geht's ins wunderschön gelegene Schloß
Pillnitz samt Palmenhaus. Es gilt als die bedeutendste chinoise Schloßanlage
in Europa. Das Ensemble aus Architektur und Gartenkunst liegt vor den Wein-
bergen harmonisch eingefügt in die Flußlandschaft des Elbtals. Verbürgt ist
Goethes Aufenthalt dort zwar nicht, doch bei so besonders einzigartig schönen
Orten  wie  diesem  können  wir
schon mal damit leben.
Zurück nach Dresden geht's mit
einem historischen Raddampfer,
sodann steht an der Besuch im
Kügelgenhaus, wo wir für zwei
Stunden  in  die  Dresdner  Romantik  eintauchen.
Anschließend dürfen wir auch noch die wiederherge-
stellte Stadtsilhouette samt Frauenkirche im nachmit-
täglichen Sonnenschein genießen, den sogenannten
Canalettoblick. Uns geht's einfach gut.
263
2. Tag (Fortsezun)
Fahrt zum Schloß Moritzburg, Führung /
Musik der Goethezeit auf der Schloß terrasse
(Kammermusikalisches Trio Nottambulo).
Nun geht es ins wenige Kilometer entfernte Schloß Moritzburg.
Dort erwartet uns nach kurzer Führung auf der Schloßterrasse
eine musikalische Darbietung der besonderen Art: Drei junge
Meistersschüler der Musikakademie Dresden spielen Trios aus
der Goethezeit;  am Horizont geht allmählich die Sonne unter-
und färbt die Wolken rot, Mauersegler und Schwalben flitzen
durch die Szenerie; im Schlossgraben quaken Frösche, so etwas
kann man nicht absichtlich inszenieren, das ist ein Geschenk.
264
3. Tag
Dresden – Spaziergang in der historischen
Altstadt bis zum Lichthof des Albertinums / Führung:
Geschichte u. Rekonstruktion des Albertinums / indivi-
dueller Rundgang / Innenbesichtigung der Frauenkir-
che / Führung in der Gemäldegalerie Alte Meister.
Jetzt wird es ernst, schließlich haben wir noch gar nichts von den Kunst-
sammlungen gesehen, nichts vom Grünen Gewölbe und dem Albertinum,
geschweige denn vom Zwinger, und das wird nun nachgeholt. Fünf Stun-
den Dresdner Barock mit dem Knopf im Ohr. Den Auftakt bildet Raffaels
Sixtinische Madonna und nun sind wir wieder auf vertrautem Terrain, die
meisten dieser Kunstwerke hat Goethe bei seinen Dresden-Aufenthalten
ausführlich studiert und manche seiner Gedanken darüber in Kunst und
Altertum niedergeschrieben. Wer noch Aufnahmekapazitäten hat, nimmt
auch noch an der Führung durch die wieder aufgebaute Frauenkirche teil.
Der Wettergott ist wieder einmal gnädig,  wie so häufig,  wenn wir auf
Goethes Spuren wandeln, und so nehmen wir Abschied vom schönen Sach-
senlande bei hochsommerlichen Temperaturen. Wir kommen wieder!
265
2011 Tagesexkursion: Goethes Geburtstag in Wörlitz
Wörlitz – Begrüßung an der Rousseauinsel / Führung
durch die Parkanlagen: Goethe, Fürst Franz und der
englische Garten (Stationen: Rousseauinsel, Gotisches
Haus, Nymphäum, Toleranzblick, Neue Brücke, Wall-
wachhaus zum Pferde, Dornauszieher, Pantheon, Son-
nenbrücke, Italienisches Bauernhaus, Gusseiserne
Brücke, Grotte der Egeria) / Vortrag auf der Felsen-
insel: Der Fürst und seine Beziehungen zu Weimar /
Besichtigung des Schloßgartens / Gondelfahrt.
266
Von 1764 bis kurz nach 1800 angelegt, ist  der 112  Hektar
große Wörlitzer Garten nicht nur einer der größten, sondern
auch einer der bedeutendsten Landschaftsparks Kontinental-
europas. Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau
verwirklichte unter dem Einfluß der bürgerlichen Aufklärung
ein Reformprogramm, das alle Lebensbereiche umfasste und
verwandelte Anhalt-Dessau in ein Musterländchen – in einen
Garten für die Menschen. Sichtbarer Ausdruck dessen ist das
Dessau-Wörlitzer Gartenreich.
Nach der ersten Reise nach England 1763-64 faßte Fürst Franz
den Entschluss zur Anlage dieses Landschaftsparkes. Von sei-
nen weiteren Studienreisen nach England, Italien, Frankreich,
in die Schweiz und nach Holland
brachte er immer neue Ideen mit,
bei  deren  garten-
künstlerischer  Um-
setzung er oft selbst
gestalterisch  ein-
griff. Die Wörlitzer
Anlagen wurden so
zum Wallfahrtsort
für  aufgeklärte
Zeitgenossen wie
Goethe  und Carl
August.
267
2012: Sonderveranstaltung 25 Jahre Goethe-Gesellschaft Berlin e.V.
Treffpunkt am wiederhergestellten Goethe-Denkmal
im Tiergarten / Erläuterung der Restaurierungs-
arbeiten durch den Leiter der Gartendenkmalpflege
Klaus von Krosigk / Kirche Sankt Matthäus: Kammer-
musik der Goethezeit mit dem Königin-Luise-Quintett
(Piano: Klaus Hellwig, 1. Violine: Christiane Edinger, 2. Violine:
Anna-Barbara Kastelewicz, Viola: Manfred Osten, Violoncello:
Ramon Jaffé)
/ anschließender Umtrunk in der Kirche.
Ein rundes Jubiläum bedarf eines besonderen
Ortes, und der soll möglichst auch noch etwas
mit Goethe zu tun haben. Diesmal fällt die Wahl
leicht, denn kurz zuvor ist das Goethe-Denkmal
wieder an seinen  ursprünglichen Standort im
Tiergarten zurückgekehrt, nachdem es fast vier
Jahrzehnte  beschädigt im Lapidarium verbracht
hatte.  In  weißer  gründerzeitlicher  Marmor-
pracht,  nun  wieder ergänzt  um die fehlenden
Musen und Grazien, ersetzt es die hässliche Be-
tonkopie, die mit Graffiti verschmiert dort seit
den 1970-er Jahren stand. Der Leiter der Garten-
denkmalpflege, Klaus von Krosigk, erläutert die
umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen. Wir
sind beeindruckt.
268
Anschließend geht es zu Fuß in die wenige
hundert Meter entfernte Stüler-Kirche, wo uns
ein Konzert der besonderen Art erwartet. Das
Königin-Luise-Quintett, bestehend aus 4 inter-
national  bekannten  Musikern  und  unserem
Lieblingsreferenten  Manfred  Osten  an  der
Bratsche  (das  kann  er  nämlich  auch).  Die
Nachmittagsstrahlen der Mai-Sonne scheinen
durch die Fenster, Musik der Goethezeit er-
klingt. Im Foyer der Kirche gibt es anschlie-
ßend Sekt und die neueste Publikation aus der
Feder von Hans-Wolfgang Kendzia und Lo-
thar Fröhlich. Wir machen uns auf den Heim-
weg mit dem Gefühl, dies sei ein gelungener
Nachmittag gewesen.
269
2012: Auf Goethes Spuren in Rom
1.Tag
Rom – Fahrt zum Goethe-Denkmal Piazza
del Popolo / Besuch in Goethes Wohnhaus
am Corso / Monte Pincio / Spanische
Treppe / Trevi-Brunnen.
Der achtmonatige Aufenthalt in der »Hauptstadt der Welt«
bezeichnet die entscheidende Wende in Goethes Leben zu
Selbstfindung, Harmonie und Glück und wird zur maßgeb-
lichen Epoche für die Ausbildung der deutschen Klassik.
Schon sein Vater hatte ihn mit den Veduten und Prospekten
im Flur des Elternhauses, aber mehr noch durch seine Rei-
sebeschreibung auf die Sehenswürdigkeiten Roms vorbe-
reitet.
Als er Rom am Ende Oktober 1786 durch die Porta del Po-
polo betritt, empfindet er diesen Tag als wahre Wiederge-
burt.  Unter dem Pseudonym J. Philipp Möller nimmt  er
begeistert  an den  Diskussionen der deutschen  Künstler-
kolonie teil und absolviert ein unglaubliches Besichtigungs-
programm in der Ewigen Stadt. Daneben widmet er sich der
Natur und Landschaft, dem Volksleben und der Volksdich-
tung, Kirchenfesten und päpstlichen Zeremonien.
Zunächst besuchen wir Goethes Wohnhaus am Corso und
machen  uns  mit  seinen  Gewohnheiten  und  Freunden  in
Rom vertraut, zu denen Tischbein, Hackert und Angelica
Kauffmann  gehörten.  Danach  erkunden  wir  den  Monte
Pincio, die Spanische Treppe sowie den Trevi-Brunnen.
Goethe: Nur unter der Porta del Popolo war
ich gewiss, Rom zu haben.
270
2.Tag
Besichtigung der Kirchen Santa Maria degli
Angeli und Santa Maria Maggiore / San Pie-
tro in Vincoli / Kolosseum / Titus-Bogen /
Kapitol / Moses des Michelangelo.
Wir beginnen mit einem Rundgang zu den
Kirchen S. Maria degli Angeli und S. Maria
Maggiore. Am Nachmittag besichtigen wir  S.
Pietro in Vincoli mit dem Moses des Michel-
angelo. Goethe über ihn: Ein übermenschli-
cher,  aber  auch  die  Menschheit  gewaltig
überbietender Moses.  
Zum Ausklang des Tages besuchen wir das
nahegelegene Kolosseum.
271
3.Tag
Forum Romanum / Palatin / Piazza Vene-
zia / Besuch des Kapitols / Kapitolinische
Museen.
Das Forum Romanum war einst der Nabel
der Welt. Wir beginnen den Rundgang am
Titus-Bogen, der für den Sieg des Vespa-
sian und seines Sohnes über die Juden er-
richtet wurde.
Am Nachmittag besuchen wir das Kapitol,
einst  das  Machtzentrum  des  Imperiums
sowie die Kirchen S. Maria und Regina
Coeli.
272
4.Tag  
Besuch des Vatikans und der Kunstsamm-
lungen Sixtinische Kapelle / Führung:
Werke Raffaels in den Stanzen / Besuch der Pe-
terskirche.
Der heutige Tag ist dem Besuch der Vatikanischen
Kunstsammlungen gewidmet. Über die Sixtini-
sche Kapelle urteilt Goethe:
alles wird aber durch den Anblick des größten Meister-
stücks ersetzt. Und ich bin dem Augenblicke so für Mi-
chelangelo  eingenommen,  dass  mir  nicht  einmal  die
Natur auf ihn schmeckt, da ich sie doch nicht mit so gro-
ßen Augen wie er sehen kann. Wäre nur ein Mittel, sich
solche Bilder in der Seele recht zu fixieren! Wenigstens
was ich von Kupfern und Zeichnungen nach ihm erobern
kann, bring’ ich mit.
Ausführlich  beschäftigen  uns  auch  die  Werke
Raffaels in den Stanzen. Den Tag beschließt der
Besuch der Peterskirche.
273
5.Tag
Busrundfahrt; Villa des Hadrian in Tivoli,
Palestrina, Fortuna-Tempel, Museum Bar-
barini mit Nil-Mosaik / Fahrt nach Frascati
Weinprobe
Unser Dichter konnte gar nicht oft genug in die Albaner
Berge kommen. Zwei Tage gehn wir schon hier herum und
es ist immer etwas Neues und Reizendes, schrieb er an Frau
von Stein.
Uns bringt der Bus zuerst zur Villa des Hadrian in Tivoli.
Anschließend  geht  es  nach  Palestrina,  Geburtsort  des
gleichnamigen Musikers, dessen Motetten Goethe in  Rom
begeistert hörte. Wir besuchen den Fortuna-Tempel und den
Palast der Barbarini, heute ein Museum, dessen Attraktion
das Nil-Mosaik ist. Anschließend genießen wir in Frascati
ein letztes Zusammensein bei Wein und Spanferkel.
274
6.Tag
Fahrt zum Protestantischen Friedhof bei der Ces-
tius-Pyramide – Grab von Goethes Sohn
August / Fahrt zum Altkatholischen Friedhof /
Fahrt nach Ostia.
Am letzten Tag unseres Rom-Aufenthaltes fah-
ren wir zum Protestantischen Friedhof am Fuße
der Cestius-Pyramide.
Hier haben neben Goethes Sohn August noch
andere bedeutende Persönlichkeiten ihre letzte
Ruhestätte  gefunden,  darunter  der  englische
Schriftsteller Keats und die beiden Söhne Wil-
helm von Humboldts.
Man könnte sich in den Tod
verlieben,  wenn  man  an
einem so lieblichen Ort be-
graben wird, rief Shelley,
dem  es  nicht  vergönnt
war, hier zu liegen.
Im April 1830 bricht August von Goe-
the im 40. Jahr seines Lebens von Wei-
mar auf, um wie Vater und Großvater
nunmehr sein Italien zu entdecken. Er
will  nicht mehr am Gängelbande wie
sonst geleitet seyn, aber gehorsam folgt
er dennoch den übermächtigen Spuren,
die ihn am 16. Oktober in die Tiberstadt
führen. Doch nur zehn Tage sind ihm
zum  Kennenlernen  und  für Ausflüge
vergönnt,  dann  stirbt  er  plötzlich  am
Schlagfluss, möglicherweise verursacht
durch  eine  seit  langen  Jahren  beste-
hende Leberzirrhose. Man begräbt ihn
auf dem Fremden-Friedhof seitlich der
Pyramide des Cestius.
Goethes Zeichnung
der Cestius-Pyramide
für Frau von Stein,
16. 2. 1788
275
2012:  Tagesexkursion: Goethes Geburtstag in Sanssouci
Führung durch Schloss und Park Sanssouci /
Besuch des Grabes Friedrich II.
15. Mai 1778 – Von Treuenbrietzen kom-
mend  erreichen  die  Reisenden  Potsdam
gegen 10 Uhr. Man besucht den Marstall und
das Waisenhaus. In Goethes Tagebuch heißt
es  sodann: Nachmittag  nach  Sanssouci  –
Kastellan  ein  Flegel. Eine  ausführliche
Sanssouci-Visite ist auf dem Rückweg von
Berlin  vorgesehen.  Am  22.  Mai  besieht
Goethe  sich  ausgiebig  die  Schlossanlage
Sanssouci, die dortige Bildergalerie und den
umgebenden Park, wobei Erfahrungen für
die Weimarer Anlagen gesammelt werden.
Über sein kompliziertes Verhältnis zu Fried-
rich dem Großen hat unser Ehrenmitglied
Katharina Mommsen ein sehr aufschlußrei-
276
Gemeinsamer Spaziergang zum Restaurant Historische Mühle
/ Palmenhaus / Rezitation von Goethe-Gedichten: Cora
Chilcott: Eins und Alles / Abendessen Historische Mühle / Pal-
menhaus (Brandenburger Buffet)
anschließend wohlergehen im Palmenhaus
des Restaurants Historische Mühle, das Goe-
the bei seiner Vorliebe für tropische Fächer-
blattgewächse  sicher  sehr  zugesagt  hätte.
Wir stoßen bei italienischen Köstlichkeiten
wieder  einmal  auf  unseren  verehrten  Ge-
heimrat an und lauschen Cora Chilcott, die
unter dem Titel Eins und Alles in bewährter
Manier und zuweilen a capella Goethelyrik
zu Gehör bringt.
ches Buch verfasst (siehe unter Ver-
öffentlichungen von Mitgliedern der
Goethe-Gesellschaft Berlin e.V. am
Ende der Publikation).
Wir wandeln also vergnügt an die-
sem 28. August, Goethes 263. Ge-
burtstag,  auf seinen  Spuren  durch
Schloss und Park und lassen es uns
277
2013: Auf Goethes Spuren an Rhein, Main und Neckar
1.Tag
Frankfurt – Führung durch Goethes Geburts-
haus am Großen Hirschgraben / Besichtigung der
dem Haus angeschlossenen Gemäldegalerie des
Goethe-Museums.
Hier erblickt Goethe in seinem Elternhaus am Großen Hirschgraben
am 28. August 1749 bekanntlich mit dem Glockenschlage zwölf das
Licht der Welt. 16 Räume in vier Etagen sind zu besichtigen und
geben Einblick in die gutsituierte Welt der Goethes: von der Küche
im Erdgeschoß über die vornehm ausgestattete Beletage mit dem
Musikzimmer bis zu Goethes Studierstube unter dem Dach.
Die dem Goethe-Haus angeschlossene Gemäldegalerie des  Goethe-
Museums stellt den Dichter im Bild vor und veranschaulicht Goe-
thes Verhältnis zur Kunst seiner Epoche. Anschließend begrüßt uns
die Leiterin des Goethehauses, Frau Prof. Bohnenkamp-Renken,
und wir besichtigen Romantiker-Autographen.
278
2.Tag
Mainz – Gutenberg-Denkmal, Besuch des Doms;
Bilder der Nazarener / Landesmuseum: Ausstellung
»Goethezeit und Biedermeier – Heile Welt und
Schein idylle« / Wiesbaden – Goethe-Denkmal /
Diese  schöne  Stadt,
heißt  es  bei  Goethe
über Mainz. Dabei sind
es kriegerische Umstände, die den Dichter zum
ersten  Mal  nach  Mainz  führen. Am  17.  Juni
1793 wird Goethe Zeuge der Belagerung von
Mainz und der nächtlichen Beschießung der
Stadt, die er in Form eines fiktiven Tagebuches nieder-
schreibt.
Zunächst erweisen wir dem großen Sohn der Stadt, Johannes Gensfleisch, genannt
Gutenberg, unsere Reverenz; besuchen sodann den Dom, betrachten dort
die Bilder der Nazarener, deren romantische Gefühls- und
Rührungsästhetik Goethe so sehr irritierte.  
Im Landesmuseum Wiesbaden schauen wir uns die Ausstel-
lung Goethezeit und Biedermeier – Heile Welt und Schein-
idylle an,  ist  doch  ein  Themenbereich  den  sogenannten
»Goethemalern« gewidmet, deren ideale Rheinlandschaften an
Arkadien  – das antike Sehnsuchtsland – denken lassen.
Am meisten aber beeindruckt die Gruppe das sonderbare vor
dem Museum befindliche Denkmal aus Fichtelgebirgsgranit: Ein
thronender Goethe mit nacktem Oberkörper in ein Tuch gehüllt mit
einem Adler im Arm. Jemand liest aus Wikipedia vor, was es damit
auf sich hat: 1919 wurde das Denkmal von Wiesbadener Bürgern
gestiftet und von dem Münchener Bildhauer Hermann Hahn ge-
schaffen. Das Denkmal sollte vor dem Museum stehen, da Goethe
bei seinen Besuchen in Wiesbaden in den Jahren 1814 und 1815 an-
geblich entscheidenden Einfluß auf dessen Entstehung nahm.
279
3. Tag
Rüdesheim – Landschaftspark im Niederwald / Geisen-
heim – Schloss Johannesberg / Winkel – Haus der Familie
Brentano / Besuch des Grabes von Karoline von Günde-
rode / Vesper im Weinberg des Weingutes Geromont.
Rheinromantik  pur
erleben wir im 1788
von  Karl  Maximi-
lian von Ostein an-
gelegten englischen
Landschaftspark im
Niederwald bei Rü-
desheim und verweilen fürs Gruppenbild beim
kleinen Schau-ins-Land-Pavillon, der auch heute
noch an derselben Stelle steht. George Bulwer-
Lytton schrieb über den Park: jener Tempel be-
herrscht eine der schönsten Aussichten auf Erden!
(in seinem Roman Die Pilger des Rheins).  
Ein kurzer Abstecher führt uns zum Schloß Johan-
nesberg, in dem Goethe wiederholt Gast war.
Am Nachmittag sind auch wir bei den Brentanos
eingeladen. Das 1751 erbaute Haus wird heute
von Udo von Brentano bewohnt und liebevoll ge-
pflegt.  Goethe  verfasste  hier  einen Teil  seiner
Italienischen Reise. Zu Ehren Goethes baut der
jetzige  Hausherr  einen  Goethe-Wein  an.  Be-
schlossen wird der Tag im Weinberg des Weingu-
tes Geromont bei einer deftigen Vesper und einem
edlen Tropfen Wein, den uns die Hausherrin Ur-
sula von Breitenbach kredenzt.
280
3. Tag (Fortsetzung)
Bingen – Spaziergang auf den Rochusberg /
Besichtigung der Rochuskapelle und des Goethe-
Bildes / Ausklang in der Goethe-Ruhe
Wie Goethe pilgern auch wir zum Rochusberg über Bingen und genießen
die Aussicht: Goethe ist von der Atmosphäre des Wallfahrtsortes so angetan,
daß er sich spontan entschließt, ein Bild des Heiligen zu stiften. Er selbst
entwirft die Skizze, die Malerin Louise Seidler führt das Bild aus. Sein ab-
schließendes Urteil: Ein Bild des heiligen Rochus, welches gar nicht übel,
aber doch allenfalls noch von der Art ist, daß es Wunder thun kann,
281
4.Tag
Fahrt mit dem Rheindampfer durch das Mittelrheintal:
Bingen, Assmannshausen, Bacherach (Altstadtrundgang,
Besichtigung der intakten Stadtmauer mit Wehrgängen und
Türmen. Pfarrkirche St. Peter, Altes Haus), Kaub, Oberwesel,
Loreley-Felsen, Boppard (Rundgang durch die Altstadt des
Römerstädtchens)
Morgens nimmt uns der Rheindampfer in Bingen auf und führt uns durch das romantische Rheintal
nach Norden. Dies sind die Höhepunkte: Assmannshausen, Bacherach, Kaub, Oberwesel, St. Goar
mit dem mächtigen Felsen der Loreley. In Bacherach folgen wir auf einem
Stadtrundgang den Spuren von Hei-
nes Der Rabbi von Bacherach. Das
malerische  Städtchen  beeindruckt
mit  einer  noch  weithin  intakten
Stadtmauer mit Wehrgängen und
Türmen. Rund um die alte Pfarr-
kirche  St.  Peter  erstrecken  sich
herrliche  Fachwerkbauten,  die
wie das Alte Haus, das zu den
bekanntesten  mittelalterlichen  Fachwerkhäusern  am
Rhein zählt. Hoch über dem Ortskern von Bacherach
thront seit Jahrhunderten die Feste Stahleck. Darunter
die Ruine der aus gotischer Zeit stammenden Werner-Kapelle.
282
5.Tag
Heidelberg – Führung durch die Altstadt auf Goethes
Spuren: Haus der Madame Delph, Palais Boisserée,
Goethe-Marianne-Bank, Schloß
Zwei Aufenthalte in Heidelberg haben schicksalhaft in Goethes
Leben eingegriffen. Anfang November 1775 erreicht ihn im Haus
der Handelsjungfer Delph am Marktplatz der Ruf nach Weimar, der
ihn auf dem Weg nach Süden umkehren ließ. Ende September 1815
reist Marianne von Willemer nach Heidelberg. Goethe wohnt da-
mals bei den Brüdern Boiserée im ehemaligen Sickingenschen Pa-
lais. Den Stunden mit Marianne im Schloßgarten verdanken wir
einige der schönsten Gedichte des West-östlichen Divan. Heute
erinnern an diese letzte Begegnung noch Goethes Zeichnung der
Schloßruine, eine steinerne Goethe-Bank aus den 1920-er Jahren ,
sowie – wieder einmal – ein Goethesches Haupt mit Inschrift.
283
2014: LiteraTour nach Schwaben:
Mit Goethe, Hölderlin und anderen Dichtern
1. Tag
Stuttgart – Stadtspaziergang / Königin-Katharina-
Stift / Hohe Carlsschule / »Bopser« / Geburtshaus
von Hegel / Schloss von Hohenheim.
25  Mitglieder  der  Goethe-
Gesellschaft nehmen teil an der Litera-
Tour  durch  Schwaben  unter  der
bewährten  Leitung  von  Klaus  Weiss
(Alba  Tours),  der  seine  schwäbische
Heimat,  insbesondere  die  Region  um
Stuttgart, natürlich wie seine Westenta-
sche kennt.
Dort  treffen  sich  zur  Goethezeit  be-
rühmte Literaten ihrer Zeit: Hölderlin,
Mörike,  Uhland,  Wieland,  Hauff  und
Justinus  Kerner.  Goethe  besucht  die
Stadt drei Mal und meint: Ich habe hier
Tage verlebt wie vordem nur in Rom.
Im  Mittelpunkt  des  Rundgangs  steht
Schillers  Leben  in  der Hohen  Carls-
schule und seine tiefe Abneigung gegen
Herzog Carl Eugen.
Goethe begegnet ihm erstmals bei sei-
nem  dortigen  Besuch  1779,  freilich
ohne es zu wissen. Im Weißen Saal des
Neuen Schlosses erlebt er, wie der junge
und unbekannte Eleve Friedrich Schiller
vor  seinen  Augen  drei  Medizinpreise
entgegennimmt, will dieser doch zu die-
sem Zeitpunkt eigentlich noch Arzt wer-
den.
Wir sehen den Bopser, wo Schiller sei-
nen Freunden aus seinem Erstlingswerk
Die  Räuber vorliest.  Der  Rundweg
endet am Geburtshaus von Georg Wil-
helm  Friedrich  Hegel,  der  in  Berlin
starb. Am Nachmittag führt uns der Weg
zum Schloß von Hohenheim. In dessen
Park entstanden Der Spaziergang von
Schiller, Des Sängers Fluch von Uhland
und Mörikes Roman Maler Nolten.
284
2. Tag
Esslingen / Rundfahrt auf die Schwäbische
Alb – Burg Lichtenstein, Sankt Johann, Bad Urich
/ Besuch des Hohenneufen.
Der  Vormittag  ist  der  Freien  Reichstadt
Esslingen gewidmet, gelegen an der alten
Römerstraße von Cannstatt nach Rottweil.
Einst gehörte sie zum Bistum St. Denis bei
Paris; 1298 wurde sie Freie Reichstadt und
hat, wie durch ein Wunder, ihr mittelalter-
liches Stadtbild mit zahlreichen Fachwerk-
häusern fast vollständig erhalten
Danach beginnen wir eine Rundfahrt auf die
SchwäbischeAlb. Der erste Höhepunkt ist
die  Burg  Lichtenstein,  Schauplatz  von
Hauffs gleichnamigen Roman. Wir lassen
die  von  Herrn  Weiss  in  schwäbischem
Idiom  vermittelte  Veranschaulichung  des
vielfältigen literarischen Wirkens am jewei-
ligen Ort auf uns wirken und uns bezaubern
vom landschaftlichen Reiz der Region zwi-
schen  der  Schwäbischen  Alb  und  dem
Schwarzwald.
Wissenswertes erfahren wir auch am Blau-
topf in  Blaubeuren.  Dieser  Ort hat  etwas
Magisches.  Blau  und  Grün  fließen  hier
schier unvergleichlich ineinander. Gleich-
sam ein leuchtendes Auge aus den Tiefen
des Erdreiches,  Quelle für  Mythen,  Mär-
chen und allerlei wundersame Geschichten.
Eine der schönsten ist wohl die Historie von
der schönen Lau, in der Eduard Mörike er-
zählt, wie eine Wassernixe am Blautopf das
Lachen wieder lernt.
Bei  Sankt  Johann  legen  wir  eine  kleine
Wanderung ein, bevor wir das romantische
Städtchen  Bad  Urach  anschauen.  Nach
einem Besuch des Hohenneufen sind wir zu
Gast im Weinbaubetrieb Dolde in Linsen-
hofen.
Zum Programm gehört die Be-
sichtigung der Weinberge und
die Probe des örtlichen Täles-
wei: Silvaner,  Riesling  und
Spätburgunder.  Beschwingt
treten wir die Heimfahrt an.
285
3. Tag
Tübingen — Altstadt und Schloss Hohentübingen /
Fahrt im traditionellen Stocherkahn / Hölderlinturm
/ Theologisches Stift / Wurmlinger Kapelle / Beben-
hausen – Besuch des Zisternizienser- Klosters.
Am Morgen besichtigen wir die alte Universitätsstadt
Tübingen, deren malerische Altstadt von Schloß Hohen-
tübingen beherrscht wird. Eine Fahrt im traditionellen
Stocherkahn führt vorbei am sogenannten Hölderlinturm,
in dem der große Dichter seine letzten traurigen Jahre
verbrachte. Hier spazierte Goethe mit seinem Verleger
Cotta, fand die Stadt aber etwas rückständig. Das Theo-
logische Stift erinnert an den Physiker Kepler, die Phi-
losophen  Hegel  und  Schelling,  die  Theologen
Melanchthon  und Vischer,  die  Dichter  Hölderlin  und
Mörike, die hier studierten.
Der Tag wird beschlossen mit dem Besuch des Zister-
zienserklosters Bebenhausen. Herr Weiss beantwortet ge-
duldig alle Fragen: Nein, hier war Goethe auch nicht.
286
4. Tag und 5. Tag
Besuch des Zister zien ser-Klosters Maul bronn /
Marbach –Altstadt und Schillers Geburtshaus /
Jagsthausen – Besuch des Schlosses des Götz
von Berlichingen.
An den beiden letzten Tagen absolvieren wir noch
einmal ein Mammutprogramm; am Vormittag ver-
bringen wir zwei Stunden in Maulbronn, der am
vollständigsten erhaltenen eindrucksvollsten Klos-
teranlage des Mittelalters nördlich der Alpen.
Sodann geht  es  geschwind  nach  Marbach,  beim
Spaziergang  durch  die Altstadt  statten  wir  kurz
Schillers Geburtsthaus einen Besuch ab.
Auf der Rückfahrt nach Berlin unternehmen wir
einen Abstecher nach Jagsthausen und besuchen
das Schloß des Götz von Berlichingen mit der ei-
sernen Hand. Ein pensionierter Lehrer, der sich ein
Leben lang dem Thema gewidmet hat, erzählt uns
die wahre Geschichte des Reichsritters.
Da Goethes Spuren in Schwaben weniger ausge-
prägt sind als auf den anderen Exkursionen, ist die
Aufmerksamkeit der Reisenden diesmal mehr auf
die literarischen Strömungen und die kulturhistori-
schen  Zusammenhänge  seiner  Zeit  gelenkt. Wir
haben viel und erstaunlich Neues über Hölderlin,
Schiller,  Mörike,  Uhland,  Schwab,  Hauff  und
Justinus Kerner erfahren, gleichzeitg frischte unser
kundiger Reiseleiter durch Lesungen am authenti-
schen Ort verschüttete Kenntnisse ihrer Werke auf.
287
2015: Auf Goethes Spuren durch Schlesien
1.Tag
Breslau – Stadtführung.
Was  hat Goethe 1790 überhaupt bewogen, nach
Schlesien zu fahren, gab es doch dort weder Bäder
noch literarische oder wissenschaftliche Anknüp-
fungspunkte? Gar nichts; es ist eine Dienstreise.
Carl August möchte  den Freund an seiner Seite
haben in einer bevorstehenden militärischen Kon-
frontation  mit  Österreich.  Diese  fällt  dann  aber
überraschenderweise  aus,  da  der  österreichische
Kaiser Joseph II. gerade noch zur rechten Zeit das
Zeitliche segnet.
Nach vier Stunden Fahrt erreichen wir Breslau und  be-
geben uns sogleich ins Zentrum, dem Rynek (Altstadt-
ring). Unsere bei Vater Staat angestellte Gästeführerin
Kristina  führt  uns  routiniert  und  geschult  durch  ihre
schöne Stadt, in der man sowohl deutsche Vergangenheit
als auch polnische Gegenwart registriert. Aufgrund der
hohen Temperaturen kommen wir überein, daß wir uns
am Nachmittag doch lieber wieder ins 18. Jahrhundert
begeben würden, was dann auch geschieht.
Die  viel  gerühmte  Stadt  Breslau  wird  auch  polnisches
Venedig  oder  Stadt der hundert Brücken genannt. Nach
dem verheerenden Mongolensturm 1241 baute man Breslau
planmäßig und rasterförmig wieder auf. Ins Zentrum legte
man den 175 x 212 Meter großen Marktplatz, in dessen
Mitte im Laufe der  Jahre  weitere Häuserzeilen und das
prächtige gotische Rathaus errichtet wurden.
Unter dem mittleren Fenster befindet sich der Eingang zum
berühmten Schweidnitzer Keller, einer seit 700 Jahren be-
stehenden Gaststätte. Auf der Tafel im Eingangsbereich, die
einige prominente Gäste im Laufe der Jahrhunderte auf-
zählt, befindet sich selbstredend auch Goethe.
288
Am  Vormittag  geht  es  ins  Kloster
Trebnitz,  dem  ersten  Frauenkloster
der Zisterzienser in Polen, das 1202
von Heinrich I. und seiner Frau Hed-
wig  gestiftet  wurde.  Hedwig  wurde
mit  12  Jahren  mit  dem  Herzog von
Schlesien Heinrich I. verheiratet.
In der Krypta der Klosteranlage über-
rascht uns plötzlich Herr Eisner mit
der  Mitteilung, er habe Goethe ent-
deckt – als Pilger kniend vor der hl.
Hedwig, die ihm einen Laib Brot dar-
reichte. Goethe? In einer schlesischen
Barockkirche? Bei seinem recht ge-
spannten Verhältnis zum Katholizis-
mus allerdings sehr ungewöhnlich.
Doch  welche  Überraschung!  Die
Skulptur des jungen Mannes weist  im
Profil tatsächlich durchaus Ähnlich-
keiten  mit Goethe auf.
2. Tag
Fahrt nach Trebnitz – Besuch des Klosters der
Herzogin Hedwig / Altstadtspaziergang Breslau
Am Nachmittag erkunden wir noch einmal die Altstadt; sie wird
dominiert von der auffälligen Kirche der Hl. Elisabeth aus dem 14.
Jahrhundert, die wegen ihres bunten Dachs und des 86 Meter hohen
Kirchturms  jederzeit  als  Orientierung  dient. Im  Südwesten des
Rynek schließt sich ein weiterer ebenfalls mit prachtvollen Häusern
umgebener Platz an: Der Salzmarkt.
Hier verliebt sich Goethe in die 21-jährige Henriette von Lüttwitz und hält bei
ihrem Vater sogar um ihre Hand an, obwohl in Weimar Christiane mit dem ein-
jährigen August auf seine Rückkehr wartet. (Hierzu später mehr) .
289
3. Tag
Tschenstochau Paulinenkloster / Krakau
Bummel durch das jüdische Viertel Kasmierz.
Mittags brechen wir nach Krakau auf und
wandern in der Dämmerung durch das jüdi-
sche Stadtviertel Kazimierz, gegründet 1335
als eigenständige Stadt und wir erfahren fol-
gendes: Vor dem II. Weltkrieg war Krakau
die viertgrößte jüdische Gemeinde in Polen.
Die 65.000 Krakauer Juden stellten 25% der
Gesamtbevölkerung der Stadt dar. 1942 er-
richteten  die  Nationalsozialisten  ein  jüdi-
sches  Ghetto  in  Podgórze,  jenseits  der
Weichsel.  Nur  10%  der  Krakauer  Juden
überlebten.
Heute spielt sich dort wieder  internationales
Leben ab; Kazimierz besitzt  ein jüdisches
Kulturzentrum,  jüdische  Geschäfte  und
Restaurants, die entsprechende Gerichte und
abendliche Klezmermusik anbieten. Uns er-
wartet in einem gemütlichen Keller-Restau-
rant ein willkommenes Abendbrot.
Wer einmal erleben will, welchen Stellenwert der katholische Glaube im
Leben der Polen besitzt, muß Czestochowa (deutsch: Tschenstochau) be-
suchen. Über 4 Millionen Touristen pilgern jährlich zum Jasna Gora, zum
Hellen Berg vor den Toren der Stadt. Das sind durchschnittlich über 10.000
Besucher pro Tag. Besonders der eigenen polnischen Nachkommenschaft
wird hier das Herzstück des polnischen Glaubens nahegebrach: Die Vereh-
rung der Schwarzen Madonna.
Zufällig fällt unser Besuch ausgerechnet auf Fronleichnam, einen der höchs-
ten katholischen Feiertage. Wir befürchten, wegen des Andrangs nur wenig
Chancen zu haben, überhaupt die Kirche betreten zu können. Doch welches
Glück, wir kommen gerade im rechten Augenblick und gewinnen einen
Eindruck von der Frömmigkeit und auch der Herzlichkeit der Polen.
290
4. Tag
Salzbergwerk Walitzka / Krakau – Stadtbesichtigung:
Wawel/Königsburg mit Schloss, Kirche und Krypta,
Tuchhallen, Kirche Sankt Marien.
Am Freitagvormittag statten wir dem  östlich von
Krakau gelegenen Salzbergwerk Walitzka unseren
Besuch ab. Der Abstieg erfolgt über 18 Stockwerke
hölzerne Stufen hinab zu Fuß. Mehr als 100 Meter
tief in der Erde bestaunt man auf der rund 2,5 km
langen Besichtigungstour über Treppen und durch
lange Stollen hindurch magische Höhlen und Grot-
ten, Kapellen, Heiligenfiguren, nachgestellte Berg-
werksszenarien und vieles andere mehr.
Auch hier erscheint am unvermuteten
Ort auf einmal der Schutzpatron dieser
Reise:  als  Skulptur  aus  Salzgestein.
Unsere Bergwerkführerin liest uns ein
Tableau vor mit einem Goethe-Zitat
in  polnischer  Sprache,  das  sie  uns
übersetzt:
Man muß die Schönheit unbedingt unterstützen,
denn nur wenige vermögen, sie hervorzubringen,
doch so viele Menschen bedürfen ihrer dringend  
Wilhelm Meister Lehrjahre.
Der Wawel, die Burganlage zählt, wie auch
die Altstadt Krakaus, zum UNESCO-Welt-
kulturerbe. Die komplexe Bebauung zeugt
von einer 1000-jährigen Baugeschichte, in
der alle Stilepochen wie Romantik, Gotik,
Renaissance und Barock ihre Spuren hinter-
ließen.
Die Wawel-Kathedrale ist die Grablege der
polnischen Wahlmonarchie. 30  Mitglieder
der polnischen Königsfamilien, u. a. Kasimir
der Große, Königin Hedwig I. und andere
Persönlichkeiten wurden hier bestattet.
Nachmittags zieht es uns in die Altstadt; besonders beein-
druckend ist der Marktplatz mit den farbigen historischen
Fassaden sowie den Tuchhallen, in denen Bernsteinschmuck
in allen erdenklichen Varianten angeboten wird.
291
5. Tag
Tarnowitz / Besuch der Universität Breslau mit
Besichtigung der Aula Leopoldina / Schweidnitz
— Friedenskirche / Hirschberg – Stadtführung.
Auf  dem  Rückweg  gen  Westen  kommen  wir
noch einmal nach Breslau und besichtigen die
berühmte barocke Aula Leopoldina im 1. Stock
der Universität. Die Malereien über dem Mittel-
teil des  Saales zeigen  die Verherrlichung von
Gottes Weisheit, Quelle des Wissens für alle und
geben Personifizierungen der damaligen Wissen-
schaft und Kunst wieder.
Am nächsten Tag geht es bei schwülen 35 Grad
wieder gen Westen in Richtung Tarnowitz, wo
wir hoffen, auf Spuren Goethes zu stoßen, der
sich im dortigen Bergwerk die erste feuerbetrie-
bene Pumpmaschine Europas ansah. Doch Fehl-
anzeige. Zwischen einigen Gärten mit Hühnern
und Gänsen befindet sich, mitten in der Pampa,
nur ein kleines Bergwerksmuseum samt einiger
Lokomotiven auf freiem Feld.
Auf dem Weg nach Hirschberg machen wir mittags
Halt an der Friedenskirche  Schweidnitz. Ein zwar
großes Gebäude ist hinter alten Bäumen zu erken-
nen – aber recht schmucklos und sogar ohne Turm.
Betritt man die Kirche durch die Sakristei, wird
man geradezu erschlagen von der prächtigen baro-
cken Ausstattung und von dem riesigen Kirchen-
raum.  Im  Herbst  2002  wurde  die  Kirche  in  die
UNESCO-Liste Weltkulturerbe aufgenommen.
Den Nachmittag verbringen wir in der sehenswer-
ten Altstadt von Hirschberg, das man 1945 in Jele-
nia Góra umbenannte.  Wie durch ein Wunder erlitt
Hirschberg keine Kriegszerstörungen, gleichwohl
wurden zahlreiche Häuser der Altstadt dem Verfall
preisgegeben. 1965  er-
folgte eine Rekonstruk-
tion der Ringbebauung,
heute können die Berli-
ner nur neidisch auf die
zahlreichen  liebevoll
restaurierten Häuser aus
dem 18. Jahrhundert bli-
cken; so sah es am Neuen Markt an der Berliner
Marienkirche auch einmal aus.
292
5. Tag (Fortsetzung)
Abendessen Schloß Stonsdorf.
Am 10. September 1790 trifft auch Goethe auf
dem Rückweg von Krakau wieder in Breslau
ein. Am nächsten Tag schreibt er an Herder:
11.September
…Nun sind wir wieder hier in dem lärmenden, schmut-
zigen, stinkenden Breslau, aus dem ich bald erlöst zu
sein wünsche. …Es ist all und überall Lumperei und
Lauserei, und ich habe gewiß keine eigentlich ver-
gnügte Stunde, bis ich mit Euch zu Nacht gegessen und
bei meinem Mädchen geschlafen habe. …
Die Verdrossenheit des Schreibens fällt eindeu-
tig aus dem Rahmen seiner sonstigen Briefe aus
Schlesien. Ganz offensichtlich ist mittlerweile
die Antwort des Freiherrn von Lüttwitz einge-
troffen, der die ungewöhnliche Brautwerbung
abschlägig beschieden hat.
Spontan entschließt sich Goethe zu einer Reise
ins Riesengebirge, ohne Begleitung. In der Zeit
vom 13.-18. September verschwindet er kom-
plett von der Bildfläche. Ohne Begleitung sei-
nes  Dieners  macht  er  sich  auf  den Weg  zur
Schneekoppe. Er will offensichtlich allein sein,
kann jetzt keinen Menschen sehen. Karl-Heinz
Ziolko schreibt in seinem Buch  Goethes Schle-
sische Reise: Aller Wahrscheinlichkeit nach hat
Goethe am 22. September allein den höchsten
Berg  des  Riesengebirges,  die  Schneekoppe,
bestiegen.
Im Notizheft des Dieners findet sich ein Ver-
merk: Hempelbaude 1 Taler 4 Groschen; Erd-
äpfel. Ziolko:  den  mühseligen  Aufstieg  zur
Hempelbaude unternimmt nur, wer nach einem
abendlichen  Kartoffelgericht  und  Übernach-
tung auf einem harten Holzbett am nächsten
Morgen auch auf den Berg will. Wir konstatie-
ren  also  mit  ihm:  Goethe  war  oben  auf  der
Schneekoppe, in dieser mehrtägigen Riesenge-
birgstour wollte er sich seinen Frust von der
Seele laufen.
Wir essen zu Abend im liebevoll von privater
Seite wiederhergestellten Schloß Stonsdorf.
Die  Verfasserin  dieser  Zeilen  stöbert  ein
wenig im angrenzenden alten Hotelanbau mit
seinen  knarrenden  Treppen  und  Nischen
herum; unversehens hängt dort neben einem
Feuerlöscher – als einziger Wandschmuck –
wer wohl? Goethe, wenige Wochen vor sei-
nem Ableben, friedlich auf dem Kickelhahn
sitzend.  Das  Bild  abhängen  und  es  in  den
Speisesaal transportieren ist eins; schon als
Beweis unserer Hypothese, daß wir während
der  gesamten Exkursion  von  ihm begleitet
werden.
293
6. Tag
Agnetendorf – Besichtigung der Villa Wiesenstein (Gerhart-
Hauptmann-Museum) / Krummhübel – Besichtigung der
mittelalterlichen Stabholzkirche Wang / Schildau
Besichtigung und Abendessen.
Bereits am nächsten Tag soll sich das bewahrheiten: in
der Villa Wiesenstein in Agnetendorf, dem ehemaligen
Hause Gerharts Hauptmanns, der sich ja quasi als Re-
inkarnation des Weimarers fühlte und auch so inszenierte,
begegnet Goethe uns mehrfach. Zunächst einmal als Por-
trait des Hausherrn im Foyer; auf seinem Schreibtisch
steht er auch; zum anderen als Wanderers Sturmlied auf
dem Schmuckfries in der im Jugendstil ausgeschmückten
Eingangshalle. Selbst die im 1. Stock gezeigte Wander-
ausstellung kommt nicht ohne ihn aus.
Der Nachmittag ist der mittelalterlichen Stabholz-Kirche
Wang oberhalb von Krummhübel gewidmet. Die Kirche
Wang – ein architektonisches Kleinod – wurde im 12.
Jahrhundert in der Ortschaft Vang in Südnorwegen  ge-
baut.
Als die Norweger im 19. Jahrhundert an Stelle der inzwi-
schen zu klein gewordenen und stark verfallenen Kirche
eine neue bauen wollten, entschlossen sie sich, sie zu ver-
kaufen oder, sollte sich kein Interessent finden, sie abzu-
reißen. Der norwegische Maler Jan Christian Dahl konnte
dies verhindern, indem er den preußischen König Fried-
rich Wilhelm IV. für den Kauf dieser Kirche gewann. Sie
wurde auseinandergenommen und per Schiff und Pferde-
wagen über Stettin und Berlin nach Schlesien gebracht,
das damals eine preußische Provinz war. Am Fuße der
Schneekoppe baute man die Kirche für die evangelischen
Christen auf und weihte sie in Anwesenheit des Königs
1844 ein..
294
7. Tag
Sanktuarium Kloster Grüssau, Oberschreiberhau / Glashütte
in Petersdorf / Abendessen in Schloß Schildau.
Am letzten Tag Dauernieselregen. Die geplante Auffahrt zum
Reifträger per Sessellift und die Wanderung auf dem Hoch-
plateau wurden notabene gestrichen.
Stattdessen fahren wir in die Klosteranlage Grüssau. In der
langen Perlenkette der schlesischen Kunstdenkmäler  gehört
das Sanktuarium sicher zu den größten und prächtigsten des
Landes. Seit der Gründung durch Benediktinermönche im
Jahre 1242 gilt das Kloster als Mittelpunkt von Kunst und
Kultur.
Anschließend statten wir noch der Kristallglashütte Julia in
Piechowice (Petersdorf) einen Besuch ab. Sie gilt als eine der
größten Touristenattraktionen im Hirschberger Tal. Die traditi-
onsreiche Hütte stellt ihre Produkte noch komplett von Hand
her; 80% der Produkte gehen ins Ausland. Gegründet wurde die
Glasfabrik Ende des 19. Jahrhunderts von Friedrich Wilhelm
Heckert, der Ziergläser im Stil des Historismus und im Jugend-
stil produzierte.
Das Hirschberger Tal lockt mit Europas höchster Schlösserdichte,
daher nehmen wir unser Abschiedsessen in einem weiteren Her-
renhaus ein: Schloß Schildau, mit ebenfalls höchst wechselvoller
700- jähriger Geschichte, liegt inmitten eines Landschaftspark, der
nach Entwürfen Peter Joseph Lennés gestaltet wurde. Viel gäbe es
auch hierüber zu berichten, doch der Platz fehlt.
Ein zehnfach interessantes Land nennt Goethe Schlesien in einem
Brief nach Weimar, und wer wollte ihm da widersprechen?
295
2016: Auf Goethes Spuren durch Böhmen
1.Tag
Eger –Besichtigung des historischen Markt-
platzes, Besichtigung der Burg
An der diesjährigen sechstägigen Exkursion
nehmen bei überwiegend gutem Wetter 36
Mitglieder teil.
In den Jahren zwischen 1785 und 1823 –
also in einem Zeitraum von knapp vier Jahr-
zehnten unternahm Goethe 17 mehrwöchige
Reisen nach Böhmen, deren Dauer zusam-
mengerechnet gut drei Jahre ergibt.
In Eger besichtigen wir den  histo-
rischen Marktplatz sowie anschlie-
ßend  das  Wallenstein-Museum.
Das Pachelbelhaus oder  Juncker-
haus  ist  heute  das  Gebäude  des
Egerer Museums. Wegen des goti-
schen  Portals,  der  Eingangshalle  aus  der
Zeit der Renaissance und der gesamten An-
lage ist dieser Bau eines der  am besten er-
haltenen  Patrizierhäuser  der  Stadt.  Ein
gotisches Spitzbogenportal führt zum längs-
rechteckigen Innenhof. Er wird an zwei Sei-
ten von einem Holzbalkon mit beschnitzten
Balustern umzogen. An den Wänden doku-
mentieren  zahlreiche  Epitaphien  aus  ver-
schiedenen  Kirchen  die  Geschichte  der
Stadt. Das Museum beherbergt zahlreiche
Exponate zur Stadtgeschichte, zu Wallen-
stein und dem Dreißigjährigen Krieg.
Von Goethe finden sich hier keinerlei Spu-
ren, was wenig verwunderlich ist; mit Grab-
inschriften hatte er wenig im Sinn und den
30-jährigen  Krieg  samt  Wallen-
stein überließ er Schiller. Einziger
Spurenverweis: Eine kleine  Bro-
schüre im Museumsshop mit dem
Titel Westböhmen  in  Goethes
Leben, Werk und Wirken, von der
noch die Rede sein wird.
Sodann führte Gerhard Dietsch die Gruppe
auf die Egerer Burg oder das, was davon
übrig ist. Bis heute haben sich ein Torso des
einst glanzvollen Palastbaus, der gewaltige
wehrhafte Schwarze Turm und vor allem die
einzigartige romanisch-gotische Doppelka-
pelle des Hl. Martin, Erhard und Ursula er-
halten.
296
1.Tag (Fortsetzung)
Franzensbad – Spaziergang durch den Kurpark /
Fahrt nach Karlsbad (Karlovy Vary)
Anschließend geht es ins benachbarte Franzensbad (Frantis-
kovy Lázne), gegründet 1793 unter Kaiser Franz I., das heute
ca. 5200 Einwohner hat. Es gehört zu den ersten Moorbädern
in Europa. Das kleine Kurbad besitzt 24 kalte Mineralquellen,
von denen noch 12 genutzt werden.
Nur eine Stunde Zeit bleibt uns für einen Spaziergang durch
die in den letzten 20 Jahren wiederhergestellte Kurzone mit
Blicken in verschiedene Brunnenhäuser, in denen vor allem
Glaubersalzquellen sprudeln, die wir natürlich umgehend kos-
ten.
Die meisten Häuser und Hotels der Kurpromenade erinnern
immer noch an das frühe 19. Jahrhundert, als Goethe hier zu-
weilen kurte. Wie es so seine Art war,  wählte er eines  der
schönsten Häuser zum Quartier, das heute wieder im alten
Glanz erstrahlt und seinen Namen trägt.
Sodann fahren wir nach Karlsbad und landen dort rechtzeitig
zum Abendessen im Hotel Zentral.
297
2.Tag
Karlsbad – Stadtführung / Standseilbahnfahrt
zum Kaiserturm (Kaiser Karl IV.) / Fußwande-
rung zurück nach Karlsbad, unterwegs Besichti-
gung der Russischen Kirche.
Am Morgen erläutert uns die Stadtführerin stolz »ihr« Karlsbad der Gründer-
zeit. Hinauf und hinunter geht es entlang der Kurpromenade samt ihren Trink-
hallen mit verschiedenen Heilquellen (zwischen 42° und 73°) einschließlich
des bekannten Sprudels und der Denkmäler, die an berühmte Besucher erin-
nern, wie Schiller, Smetana, Beethoven u.v.a..
Vom Karlsbad der Goethezeit ist heute allerdings nicht mehr sehr viel zu fin-
den. Dann folgt die offenbar obligatorische Seilbahnfahrt zum Kaiserturm
(Kaiser Karl IV.), von dem jeder sein Foto über das gesamte Karlsbad machen
kann; zu Fuß wandern wir zurück durch das noble Villenviertel und besichti-
gen unterwegs die russische Kirche.
298
Mittags  können  wir  individuell  ausschwärmen
und uns auf Goethes Spuren begeben, die aller-
dings  nur  noch vorhanden  sind  in Gestalt  von
Denkmälern oder als übliche Memorial-Plakette:
Hier wohnte Goethe…
Wie sehr der Dichter dem Karlsbad zugetan war,
formulierte er 1812 in einem Brief an Wilhelm
von Humboldt: Weimar, Karlsbad und Rom sind
die einzigen Orte, wo ich leben möchte.
Auch heute ist Karlovy Vary immer noch einen
Besuch wert, wenngleich an die Goethezeit hier
nur noch wenig erinnert. Die prächtigen Zucker-
tortenvillen inmitten grüner Hügel und die geruh-
sam  dahinfließende  Eger,  zu  beiden  Seiten
flankiert von einer belebten Kurprome-
nade samt Trinkpavillons, verleihen dem
Bad auch heute noch viel Charme. Die
Gästebücher aus jener Zeit,
als die Stadt noch deutsch-
sprachig war, sind voll mit
berühmten  Namen  wie
Dostojewski,  Fontane,
Herder,  Schiller,  Bach,
Brahms,  Beethoven,
Chopin, Dvorák, Grieg,
Liszt,  Paganini  oder
Wagner – um nur einige
zu nennen. Doch Goe-
thes Spuren sind hier verblasst, da
hilft auch der im 19. Jahrhundert so
angelegte  Goethe-Wanderweg
nichts, der an zahlreichen Erinne-
rungstafeln  und  einem  Goethe-
denkmal vorbeiführt.
Hier saß er, hier trank er und hier wohnte er drei
Wochen. Die meisten Karlsbader Touristen sind
heute der deutschen Sprache nicht mehr mächtig;
die jungen Tschechen wissen ohnehin nicht, wer
dieser Goethe ist. Egal, uns freut´s, wenn wir sei-
nen Namen lesen.
299
3.Tag
Fahrt nach Teplitz (Teplice) –
Führung durch Schloß und Park Teplitz
Ort des Treffens Goethe/Beethoven, 1812.
Am nächsten Tag geht es nach Teplitz, das
im Gegensatz zur  Reise  vor  16  Jahren
diesmal auf dem Programm steht, da hier
bekanntlich die Begegnung Goethes mit
Ludwig  van  Beethoven  stattfand.  Wir
residieren im ersten Haus am Platze im
Hotel Prince de Ligne, direkt gegenüber
dem Schloß Teplitz.
Der Nachmittag beginnt mit einer Füh-
rung durch das Schloß mit seinen beein-
druckenden  Sammlungen  und  einem
sehenswerten Renaissancesaal.
Bedeutende Persönlichkeiten weilten in
seinen Mauern, so Prinz Charles Joseph
de Ligne, Giacomo Casanova, Frederic
Chopin und Franz Liszt. Ob Goethe je-
mals das Schloß von innen gesehen hat,
ist nicht überliefert.
Lange Zeit war es im Besitz der Familie
Clary-Aldringen. Sie wurde 1945 enteig-
net und vertrieben. Seitdem befindet es
sich in Staatsbesitz. Anschließend besich-
tigen wir bei Temperaturen um 30 Grad
die Teplitzer Altstadt
300
Danach  geht  es  in  den  Park,  um  jenen
authentischen Ort aufzusuchen, an dem Goethe
und Beethoven angeblich den  drei Kaiserinnen
samt Hofgesellschaft begegneten, heute durch eine
Plakette im Boden bezeichnet.
Im Jahre 1812 lernen sich Goethe und Beethoven
in Teplitz persönlich kennen: Kurz nach seiner An-
kunft im Juli besucht Goethe den dort bereits wei-
lenden Beethoven. Dieser erlebt den von ihm seit
seiner Kindheit so verehrten Dichter als  höflich-
korrekten Geheimrat.
Goethe lauscht den wahrscheinlich eruptiven Kla-
vierimprovisationen  Beethovens  und  vermerkt
kurz und trocken in sein Tagebuch: Abends bei
Beethoven. Er spielte köstlich. Sie unternehmen
einen gemeinsamen Spaziergang.
An Christiane schreibt er: …zusammengefasster,
energischer, inniger habe ich noch keinen Künstler
erlebt, ich begreife recht gut, wie der gegen die
Welt wunderlich stehen muß…
In einer abendlichen Lesung wird die historische
Begegnung,  um  die  sich  mehrere  Anekdoten
  ranken,  noch  einmal  en  détail  geschildert:  Der
französische Schriftsteller und Musikkritiker Ro-
main Rolland resümiert: Ohne Zweifel hat Goethe,
der ein Urteil über die Musik scheute, den Kom-
ponisten zu seiner Fingerfertigkeit, seinem perlen-
den Spiel beglückwünscht und sich von der Musik
gerührt  und ergriffen gezeigt. Aber ein  ästheti-
sches Urteil darüber, wie Beethoven es von einem
Goethe erwartet hatte, kam nicht über seine Lip-
pen, weil Goethe im Grunde – nichts davon ver-
stand – Beethoven brach in Zorn aus…
301
4.Tag
Schloss Trzblitz – Gedenkstätte
Ulrike von Levetzow / Schloß Dux
– Führung
In der Früh machen wir uns in Richtung Marienbad auf, je-
doch mit mehreren Zwischenstationen, mit denen uns Ger-
hard Dietsch überrascht.
Bevor es ins Prämonstratenser-Kloster Tepl geht, dessen da-
maliger Abt 1805 Marienbad gründete, fahren wir durch
herrliche Landschaften auf gewundenen Landstraßen ins
Verwalterhaus des Schlösschens Trzblitz, in dem Ulrike von
Levetzow ihren Lebensabend verbrachte.
Dort hat man vor wenigen Jahren ein kleines Ulrike-Mu-
seum eingerichtet; außerdem findet Prof. Bernsau tatsäch-
lich  auf  dem  kleinen  benachbarten  Friedhof  ein  kleines
Memorial-Gebäude mit ihrem Grab.
Weiter geht´s zur nächsten Überraschung : Schloß Dux, in
dem Casanova seine letzten Lebensjahre verbracht und die
Bibliothek gepflegt hat. Auch hier hat man einige Räume
für die Touristen aufbereitet: Wir sehen Casanovas Schlaf-
stätte – kein Dopppelbett allerdings – und dann ihn höchst-
selbst als Pappkameraden zwischen lauter alter Folianten.
Goethe kannte zwar Casanova nicht
persönlich, doch mit Sicherheit des-
sen mehrbändige Erinnerungen. Ein
Blick ins Internet verrät zudem, daß
Henriette  von  Schuckmann,  eben
jene junge adlige Dame, der – wie
wir im Vorjahr auf der Schlesien-
reise  erfahren  hatten  –  Goethe
1790 überraschend einen Heirats-
antrag gemacht hatte, eine lebhafte
Korrespondenz mit Casanova un-
terhielt.
302
4.Tag
Prämonstratenserkloster Tepl – Führung /
Fahrt nach Marienbad – Individueller Bum-
mel durch die Kuranlagen
Mittags erreichen wir das Kloster Tepl, das
im  Jahr 1193  von  den Prämonstratensern
gestiftet wurde und heute wieder von Mön-
chen bewohnt wird. Dem dort wirkenden
Abt Karl Reitenberger war es zu verdanken,
daß Marienbad gegründet wurde. Wir erhal-
ten eine kunst- und kirchenhistorische Füh-
rung – die 900-jährige bewegte Geschichte
des Klosters in 45 Minuten. Fotografieren
untersagt!
Das erste Mal müssen wir das Verbot leider
ignorieren, denn wem begegnen wir in einer
Vitrine im Mineralienkabinett: Genau, un-
serem Dichter, dessen Skulptur dort steht.
In den Jahren 1820–1823 besuchte er mehrfach von Marienbad
aus das Stift Tepl, über dessen kulturelle Bedeutung er in seinen
Tagebüchern und in Mitteilungen an den Großherzog von Wei-
mar anerkennend berichtete. Später überließ er dem Museum
des Stifts seine Gesteins- und Mineraliensammlung.
Im 18. Jahrhundert
wurde  das  Kloster
im  Barockstil  um-
gebaut,  dort  befin-
det  sich  die
berühmte, mit über
100.000 Bänden und 1.000 Handschriften bestückte zweitgrößte
Barockbibliothek Tschechiens.
Die 66,25 Meter lange und 16 Meter breite rekonstruierte Mariä
Verkündungskirche zeugt vom Übergang vom romanischen zum
gotischen Baustil und stellt das Kernstück der Abtei dar.
Mittags erreichen wir Marienbad, residieren am authentischen
Ort, nämlich im Hotel Danubius am Goetheplatz und haben erst
einmal  Gelegenheit zu einem individuellen Bummel. Inzwi-
schen  erstrahlen  die  meisten  Hotels  aus  der  Gründerzeit  in
neuem Glanz; die Lage des Ortes im langgestreckten Tal inmit-
ten der bewaldeten Hügel des Kaiserwaldes lassen uns auch
heute noch nachvollziehen, was Goethe damals veranlaßt hat,
immer wieder dort die Kur zu nehmen.
303
5.Tag
Fahrt nach Elbogen – Besichtigung der Stadtkirche,
Burg und Heimatmuseum
An Goethes 74. Geburtstag unternimmt er, mit
der Familie von Levetzow einen gemeinsamen
Ausflug  nach  Elbogen  (Loket),  einem  noch
heute wunderschönen Örtchen mit Burg und rot-
weißer  Barockkirche  nahe  Karlsbad.  Goethe
nennt das damalige Elbogen ein landschaftli-
ches Kunstwerk. Selbstverständlich gibt es in
Loket auch ein Hotel Goethe; übernachtet hat
Goethe jedoch, im heutigen Hotel Bílý kun, dem
Weißen Pferd. Zu Goethes Zeiten galt das Haus
als vornehme Adresse. Heute sind die Zimmer
etwas altbacken, aber die herrliche Panorama-
terrasse hoch über dem Flußlauf der Eger ist ge-
blieben.
304
5.Tag (Fortsetzung)
Marienbad – Besichtigung Goethe-Museum /
Lesung: Marienbader Elegie.
Im Goethe-Museum sprich man nur tschechisch,
eine Führung in deutsch Sprache gibt es nicht;
lediglich  einen  Film  noch  aus  sozialistischen
Zeiten. Wir besichtigen die drei mit Möbeln der
Zeit  ausgestatteten nachempfundenen  Räume,
die Goethe 1823 zur Verfügung standen: Arbeits-
und Schlafraum sowie das seinem Sekretär John
vorbehaltene Zimmer.
Goethe beschäftigte  sich intensiv mit den um
Marienbad  vorkommenden  Mineralien;
zahlreiche Badegäste begleiteten ihn auf
seinen Touren.
Zu Goethes Zeiten ist in dem klassizisti-
schen Gebäude ein Hotel mit dem hübschen
Namen  »Zur  Goldenen  Traube«  unterge-
bracht – des Geheimrats Kurpension wäh-
rend seines vierten Aufenthalts im Jahr 1823.
Davor befindet sich das Marienbader Goethe-
Denkmal. Der Geheimrat überblickt, entspannt
auf einer Bank sitzend, von hier aus das Zentrum
des Kurbads. Da in Elbogen mal wieder nicht
alle  dabei  waren,  versammeln  wir  uns  erneut
zum Gruppenfoto.
Abends versuchen wir uns in der Bibliothek mit
einer Veranschaulichung der Geschehnisse im
Sommer 1823, deren Höhepunkt am authenti-
schen Ort die von Detlef Schönewald eindring-
lich vorgetragene Elegie bildet.
Ulrike, die ihr Leben lang unverheiratet bleibt,
wird später mit dem berühmten Ausspruch zi-
tiert: Keine Liebschaft war es nicht.
305
6. Tag
Fahrt nach Schloß Königswart
Führung durch das Schloß / Besuch des
Kammerbühls bei Franzensbad
Am letzten Tag brechen wir auf in Richtung
Schloß Königswart, wo man uns bereits zu
einer Schloßführung erwartet. Bei unserem
ersten Besuch im Jahre 2000 kaum sichtbar
hinter Bauplanen und Gerüsten, erstrahlt es
nun wieder im alten Glanz.
Die Geschichte des Schloßes Königswart/
Kynžvart beginnt im 13. Jahrhundert, als
der böhmische König Pøemysl Otakar II.
anordnet, hier eine Wachburg zu erbauen.
25 Räume können besichtigt werden: Da-
runter  die  Treppenhalle,  der
Dunkle Salon, der Malachitsalon,
das  kleine  Arbeitszimmer,  der
Blaue  Salon  Napoleons,  das
Kanzlerarbeitszimmer des späte-
ren  Hausherrn  Clemens  Wenzel
Lothar von Metternich mit einem
Ausziehtisch,  der  während  des
Wiener Kongresses (1814- 1815)
diente.  Die Kunst-
sammlungen  sind
imposant. Wertvolle Altarta-
felbilder, eine französische
Tapisserie aus der Renais-
sancezeit, frühbarocke Por-
traits  und  auch  etliche
Kuriosa  sind  dort  zu  be-
sichtigen.
Auf  dem  Rückweg  besuchen  wir  den
Kammerbühl,  wo  Goethe  bekanntlich
den Vulkanismus erforschte. Zu sehen
ist heute lediglich noch der Stollenein-
gang, der für die Grabungen auf Goe-
thes Anregung hin von Graf Sternberg
errichtet wurde. Auch ein Goethe-Re-
lief mit deutschem Text erinnert an
seine Forschungen.
306
6. Tag (Fortsetzung)
Abschiedsessen im Restaurant Steinbruch
im Vogtland.
Für das Abschiedsessen hatte Steffen Besser,
mit  dem  wir  stets  komfortabel  und  sicher
durch Westböhmen reisten, sich noch etwas
ganz  Besonderes ausgedacht: Das auf einer
Anhöhe  gelegene  Ausflugsrestaurat Zum
Steinbruch,  im  Vogtland  beim  Städtchen
Plauen gelegen.
Die Anfahrt verlief – bedingt durch mehrere
Umleitungen – etwas mäanderhaft, doch als
wir gegen 14 Uhr mit einem Bärenhunger ein-
treffen, ist die Stimmung bei hitzerekordver-
dächtigen Temperaturen und kalten Getränken
unter den Mitreisenden nach dieser gelunge-
nen Exkursion bestens. Berliner auf Goethes
Spuren in Westböhmen, das passte gut oder –
wie es heute im Internet auf den Bewertungs-
portalen im günstigen Fall heißt: Gerne jeder-
zeit wieder!
307
2016: Tagesexkursion nach Glienicke- Goethes 267.Geburtstag
Führung durch Schloss, Hofgärtnerei und Park
Glienicke / Spaziergang zum Wirtshaus Moorlake
/ Lesung im Festsaal: Bernd Lange (DNT Wei-
mar), Hermann und Dorothea / Gemeinsames
Abendessen an der Havel.
Goethes 267. Geburtstag am 28. August feier-
ten wir diesmal bei 32 Grad Celsius mit einer
Führung durch Schloß, Hofgärtnerei und Park
Glienicke.
308
Anschließend liest Bernd Lange, Ensemble-Mitglied beim Deut-
schen National-Theater-Weimar, Hermann und Dorothea im Wirts-
haus Moorlake.
Es handelt sich um eine freundlicherweise vom Liebhabertheater
Schloß Kochberg konzedierte Vorabpremiere; dort wird man vier
Tage später zum Jahrestag der Grenzöffnung für Flüchtlinge 2015
Goethes Flüchtlings-Epos in neun Gesängen zu Gehör bringen.
Vor allem jene Hexameter, in denen  Goethe den Flüchtlingstreck
beschreibt, verdeutlichen, wie aktuell der Text auch wieder in der
heutigen Zeit ist.
Beim anschließenden Abendessen im Freien mit Ausblick auf die
Havel erheben wir unsere Gläser und stoßen auf den Geheimen Rat
an.
309
                                               
Feier 30 Jahre Neugründung Goethe Gesellschaft Berlin e.V.  in Schloß Steinhöfel         
Unser rundes Jubiläum feierten wir  in Schloß Steinhöfel, erbaut zur Goethezeit von David Gilly, den auch Goethe sehr schätzte. 80 km östlich von Berlin
gelegen, erreicht man es mit dem Wagen in ca. 40 Minuten, der Bus, mit dem die meisten Teilnehmer anreisten, benötigte allerdings 1 ½ Stunden, da man die
Autobahn  wegen eines Radrennens in Fürstenwalde mal eben kurz gesperrt  hatte.
Dies brachte unseren ausgeklügelten Zeitplan ziemlich durcheinander;  mäßig sommerliche Temperaturen samt einsetzendem Starkregen vereitelten den
geplanten Parkspaziergang, sodaß uns die Kunsthistorikerin Ursula Rückert die wechselhafte Geschichte des Schlosses bei Kaffee und Kuchen
erläuternt mußte, bei den etwas beengten Raumverhältnissen kein ganz leichtes Unterfangen. Auf ein ausführliches Vorstellen der noch nicht ganz
fertigen Jubiläumsschrift verzichteten wir unter diesen Umständen und liessen  lediglich ein Ansichtsexemplar samt Subscriptionsliste herumgehen.
Die Zeit drängte, denn um 17 Uhr erwartete uns  in der ehemaligen Schloß-Bibliothek das angekündigte Programm: Himmelhochjauchzend, zum Tode
betrübt- Goethes  Gedichte und Briefe aus 60 Jahren an die von ihm geliebten Frauen, gelesen und verkörpert von Vicky Spindler und Mathias
Mertens, musikalisch umrahmt von Gitarrenmusik aus der Goethezeit, dargeboten von zwei jungen Schülern aus der Fürstenwalder Musikschule. Das
Ganze, heiter  und nuancenreich dargeboten,  wurde vom Auditorium höchst positiv aufgenommen und mit reichlich Applaus bedacht.
                                      
Beschwingt begaben wir uns zum gemeinsamen abendlichen Buffet und traten guter Dinge gegen 20  Uhr die Heimreise an.  
2017 Auf  Goethes Spuren durch Thüringen
Ausrechnet an den heißesten Tagen des Jahres fand unsere diesjährige Exkursion
Auf Goethes Spuren in Thüringen statt, an der 39 Mitglieder teilnahmen. Erneut
hatten wir uns nach den Reisen durch Schlesien (2015) und Böhmen (2016) dem
Reisebüro Besser anvertraut und waren auch
diesmal   im wahrsten Sinne des Wortes   gut
damit gefahren.
Nach der Ankunft in Weimar  im Hotel
Leonardo, ging es ins neue Museum zur
Ausstellung  
WINCKELMANN.MODERNE ANTIKE.
Wir hatten das Glück, von zwei sehr
kompetenten Kustodinnen durch die exzellente
Schau geführt zu werden und genossen,
aufgrund des schönen Wetters, das Privileg, die
beindruckenden Exponate ohne Gedränge von
allen Seiten in Augenschein nehmen zu können.
Anschließend fuhren wir nach  Rudolstadt an jenen Ort, an dem sich Goethe und
Schiller das erste Mal begegneten. Unlängst hat man hier eine Schiller
Gedenkstätte eingerichtet, durch die uns Herr  Otto, der  Vorsitzende der GG-
Rudolstadt führte.  
Die kleinen Räume des ursprünglichen Wohnhauses der Familie von Lengefeld
sind allerdings für die Besuche größerer Gruppen nur bedingt geeignet. Alsbald
begaben wir uns in den schattigen Schillergarten, wo uns kalte Getränke und ein
ausgezeichnetes Buffet erwarteten.  
Herr Otto geleitete uns anschließend auf
mäandernden Pfaden zum Bus und
erläuterte uns en passant zahlreiche
historische
Bauten und die
Geschichte Rudolstadts der letzten zwei Jahrhunderte,
die DDR inbegriffen.  
Am Montag ging es nach Eisenach, dort hatte man im
Lutherjahr rund um die Uhr und ganzjährig geöffnet;
Goethe, der sich dort eigentlich nur dienstlich aufhielt,
hat in Eisenach nicht wirklich ausgeprägte Spuren
hinterlassen; der Reformator war dagegen war,
zumindest in diesem Sommer quasi allgegenwärtig. Nach
einer Führung durch die Altstadt und dem Besuch des
Lutherhauses, liessen wir uns am Nachmittag noch einige     
historische Instrumente im Bachhaus vorführen.  
Anschließend
fuhren wir  mit
mehreren
Shuttlebussen
auf die  
Wartburg , die
Goethe im
ersten Weimarer Jahrzehnt mehrfach besucht und auch
gezeichnet hat.  Durch das klare Sommerwetter konnte
man kilometerweit ins Land sehen. Während unseres
Besuchs fand dort gerade eine Hochzeit statt, sodaß die
Stimmung überaus freudig und ausgelassen war.
Der Höhepunkt des Nachmittags: Die Führung durch die
eindrucksvolle Ausstellung Luther und die Deutschen, die
die  wechselvolle Beziehung zwischen dem Reformator
Martin Luther und seinen Deutschen   vom Thesenanschlag
1517 bis ins 20. Jahrhundert beleuchtet. Zur Einstimmung  
war auf der Fahrt nach Eisenach darauf hingewiesen
worden, daß das Goethe
Museum Düsseldorf drei
Monate zuvor eine
Ausstellung  eröffnet hatte
unter dem Titel Bibel,
Sprache, Wahrhaftigkeit .Dieser war zu
entnehmen, daß  Luther starken Einfluss auf
Goethes Sprache hatte- vom Faust bis zum Westöstlichen Divan.
   In dreierlei Hinsicht habe Goethe Luther bewundert: Er schätzte dessen mutige
Persönlichkeit sowie die Leistung der     Bibelübersetzung
und die Rhetorik. Goethes Werk ist durchdrungen von
Formulierungen und Sentenzen, die ihren Ursprung in
Luthers Sprache der Bibel haben. Da man den Parkplatz
nur über steile Zickzackwege oder sehr umlagerte Shuttle-
Fahrzeuge erreichte, waren wir heilfroh, schließlich alle
wieder an Bord des  gekühlten Busses zu haben , um noch
rechtzeitig zum  Abend-Menu in der historischen
Turmschänke zu gelangen, wo wir mit einem kalten Pro-
Secco und einem formidablen Menu empfangen wurden.  
Am nächsten Morgen begaben wir uns zu Fuß durch
den Ilmpark , vorbei am Römischem Haus und  an
Goethes Gartenhaus zum Goethe-Schiller-Archiv,
wo uns Frau Dr. Elke Richter, zuständige Kustodin für
die Goethe-Handschriften nach einer kurzen
Einführung einige Briefe Goethes an Charlotte v.
Stein im Original zeigte, die man unlängst in einer Ausstellung
bewundern konnte.
  
Nach individueller Mittagspause in der Weimarer
Altstadt war unser Ziel  Schnepfenthal; das
damalige  vom Pädagogen Salzmann gegründete  
Philantropin, dessen sehr praxisorientierte
Erziehungsideen
auch Goethe teilte.
Dort empfing uns
der Direktor der heutigen internationalen
Sprachschule Dr. Schmidt, der uns in der
historischen Aula  einiges zur Geschichte der
1784 gegründeten Salzmann-Schule
erläuterte und uns durch das von Schülern
konzipierte und gestaltete interaktive Museum führte.   
Sodann ging es ins nah gelegene Gotha   wo uns eine
zweistündige Führung durch Schloß Friedenstein
erwartete, bei der wir u.a. mit mehreren Dutzend
portraitierten, streng dreinblickenden herzoglichen
Mitgliedern der ernestinischen
Verwandtschaft Carl-Augusts
Bekanntschaft machten.  
Nach  einem Dutzend in
Filzpantoffeln durchmessenen Sälen
und Besichtigung des berühmten barocken, noch
bespielten Eckhof-Theaters fühlten sich einige bei
nachmittäglichen Temperaturen
von 35 Grad zu ermattet für einen  
Altstadtrundgang und zogen vor, sich niederzulassen im
Schatten des Gothaer Rathauses mit dem Blick auf
eines der schönsten Renaissanceportale des Landes, wo
sich idealerweise gerade ein Eiscafe befand. Derart
gestärkt fuhren wir auf die erhöht gelegene
Aussichtsterrasse eines Ausflugslokals, wo uns im
Abendsonnenschein ein diesmal rustikales Buffet  erwartete.  
     
Der  Mittwoch begann mit einer Altstadtführung
durch Erfurt nicht nur auf Goethes Spuren, sondern
die beiden kundigen Stadtführer taten es nicht unter  
einer  zweistündigen Tour d´horizon durch die
Landeshauptstadt und 500 bewegte Jahre ihrer
Geschichte. Nach individueller Mittagsrast  
folgte eine originelle Führung durch den kühlen
Dom samt Gesangseinlage, bei der wir wieder
alle hellwach wurden.  
     Am Nachmittag schloß ich daran die
Besichtigung der jüngst restaurierten historischen Räume
der Staatskanzlei  
(Barocksaal), der authentische
Ort des Treffens zwischen
Goethe und Napoleon 1808.
Heute schmückt dort ein sehr
förmlich dreinblickender
Goethe die Wand.
Ein weiterer Tag mit rekordverdächtigen
Temperaturen klang harmonisch aus für all
jene, die abends zu den  diversen
Darbietungen der Fete de la musique durch
die Weimarer Altstadt  schlenderten. Einie
Exkursionsteilnehmer waren auch ganz
froh, nach all den zahlreichen Eindrücken,
endlich einmal nur bei einem kühlen
Getränk und einer Thüringer dem; Rostbratwurst zu sitzen und mitten
in einer entspannt dahin schlendernden Menschenmenge, eingehüllt in
einer diffuse Klangwolke zwischen Weimarer Klassik und Cool Jazz.  
Auf dem Rückweg unternahmen
wir noch einen Abstecher nach  
Wittenberg, das ja quasi auf dem
Wege lag  und statteten dort  u.a.
der Schloßkirche einen Besuch ab
, an deren Portal Martin Luther
am 31. Oktober 1517 seine 95
Thesen angeschlagen haben soll.  
Dort statteten wir dem Rundum-
Panorama Luther 1517 von Yadegar
Asisi einen Besuch ab, in dem die  
Reformation sinnlich erfahrbar gemacht
werden soll. Im 360°-Panorama des
Künstlers erschließt sich angeblich die
Vielschichtigkeit der Wittenberger
Ereignisse in der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts. Im Werbeflyer hieß es: Neben der künstlerischen
Interpretation bekannter Begebenheiten wird das Leben der einfachen
Stadtbevölkerung, der Gelehrten und der Oberen dargestellt. So werden
Ursachen, Hintergründe und Auswirkungen der Reformation verständlich
aufgezeigt.
Wir kamen jedoch nicht so richtig dazu, uns in die Hintergründe zu
vertiefen, brauten sich nach tagelanger Hitze doch tiefdunkle Wolken
über Wittenberg zusammen. Wir brachen daher sehr plötzlich auf und
entkamen über die Landstraße knapp dem herannahenden Unwetter, das
die Autobahn für
einige Stunden lahm
legte und langten
unter Starkregen und  
Hagelschauern  
schließlich wieder
heil in Berlin an.
  
                                            Goethes 268. Geburtstag in Schloß Ziethen 28.8.2017
                                                                                                                               
  
Bei strahlend blauem Himmel  und Sonnenschein empfing uns am 28. August Schloß Ziethen mit Kaffee und Kuchen auf einer großen, an einen Park
grenzenden Terrasse unter schattenspenden Schirmen; diesmal gelang all das, was eigentlich schon im Mai in Schloß Steinhöfel geplant und dann  ins
Wasser gefallen war, auf Anhieb. Die auf 320 Seiten angewachsene Jubiläumsschrift war in letzter Minute fertig geworden, wurde vorgestellt und  konnte
nun besichtigt und erworben werden.
Auch die Lesung Hochbeglückt in deiner Liebe von Cora Chilcott und Otto Strecker, begleitet von Dagmar von Gersdorff, die aus ihrem Buch Goethe und
Marianne von Willemer die erläuternden biographischen Passagen las, stand unter einem guten Stern. Ein besonderes Lob an unser Mitglied Walter
Pölking, der uns ein zweites Mal nach Schloß Steinhöfel ein passendes Ambiente mit Bezug zur Goethezeit genannt hatte sowie an die Gastgeberin des
Refugiums, das mit seinen persischen Wandteppichen den idealen Rahmen für die Hafis-Verse bot, die Freifrau Edith von Thüngen.
Schließlich ein Ausklang in der Schloß- Orangerie
samt einem Buffet, bei dem man nun wirklich nicht meckern konnte; bekanntlich gehört das bei den Berlinern zu jenen Lobbekundungen, die eine gewisse
Billigung  des Dargebotenen zum Ausdruck bringen. Auf den Jubilar hatten wir bereits am Nachmittag angestoßen, was die allgemeine heitere Stimmung
dieses gelungenen Goethe-Geburtstages sicher beförderte.
Goethes 269. Geburtstag in der großen Landesloge
Dienstag, 28. August 2018
Dem Wind entgegen  
Peter Paul (Bariton)
Manfred Schümer (Piano)
Zur Feier von Goethes 269. Geburtstag fand am 28. August in der Großen Landesloge in Dahlem ein
Liederabend mit dem Bariton Peter Paul statt. Herr Paul ist Ensemble-Mitglieder der Oper in Essen und
in diesem Jahr auch Mitglied des Chors bei den Wagner Festspielen in Bayreuth.  
Er  wurde  am  begleitet  am  Klavier von  Manfred  Schümer,  der  kenntnisreiche  Erläuterungen  zu  den
einzelnen Liedern und ihrer Entstehung gab. Vor Beginn des Programms wurde- wie jedes Jahr- auf
den Jubilar angestoßen.                                                                                                   
Der Abend stand unter dem Thema: Dem Wind entgegen. Eigens für die Veranstaltung und passend zum Jahresthema Goethe als
Vordenker  und  Wegbereiter  hatte  Herr  Paul  ein  Programm  mit  unbekannteren  Vertonungen  von  Goethe-  Gedichten
zusammengestellt.   
Im ersten Teil trug er nur Lieder von Franz Schubert vor, darunter An Schwager Kronos, Wanderers Nachtlied I. und II, An den Mond u.a. Der zweite Teil enthielt
Kompositionen von  Richard Wagner wie Lied des Mephistopheles, Carl Loewes Erlkönig, Der Zauberlehrling u.a., Robert Schumanns Freisinn u.a. oder Fanny
Mendelssohn-Hensels Dämmerung senkte sich von oben und Gegenwart. Die Darbietung wurde von den Anwesenden mit großem Beifall belohnt.  
Anschließend gab es ein gemeinsames Abendbuffet und auch die Möglichkeit, im Garten der Landesloge spazieren zu gehen.                                                                                 
  2018       Auf Goethes Spuren durch Venedig
                              
  
Seit Jahren schon hatte der Vorstand mit der Idee geliebäugelt, endlich einmal eine
Exkursion Auf Goethes Spuren durch Venedig zu unternehmen, doch immer wieder
wurden wir abgeschreckt durch Zeitungs- und TV-Berichte, in den geschildert wurde,
wie teuer, überlaufen und auch heruntergekommen doch die Stadt am Lido mittlerweile
sei. Nun  sind die in Venedig aufzufindenden Spuren Goethes zwar ziemlich verblaßt,
immer noch vorhanden sind dagegen die von ihm mit Begeisterung beschriebenen
architektonischen Bauwerke seines damaligen Lieblingsarchitekten Andrea Palladio,
insbesondere dessen Villen entlang des Flusses Brenta.
28 Mitglieder haben sich angemeldet und eine derart große Gruppe durch die Gassen und über die Brücken und in die die Kirchen zu schleusen, das ist nicht einfach.
Herr Weiss übersieht das fortgeschrittene Lebensalter einiger Mitreisender mal eben ganz locker mit einem schwäbischen Sodele und auf geht es ! in die nächsten drei
Kirchen. Goethe kletterte schließlich mit 82 Jahren auch noch auf dem Kickelhahn herum, alles nur eine Frage der Kondition und des soliden Schuhwerks.
1.Tag, Do, 4. Oktober  
  Goethes erster Venedigaufenthalt stand- wie erwähnt- 1786 ganz im Zeichen seiner damaligen Begeisterung
für den Architekten Andrea Palladio. Vom Flughafen Venedig geht es daher zunächst zur Villa Sceriman , wo die
Gruppe bei sommerlichen Temperaturen und strahlend blauem Himmel eine Vesper mit Weinprobe im Freien  
erwartet. Anschließend fahren wir  in das Bergstädtchen Montagnana, einer mittelalterlichen Stadt, die zu den
schönsten Kleinstädten Italiens zählt und noch vollständig von ihrer Schutzmauer eingerahmt ist
.
Dort ein
Rundgang samt Betrachtung des Gemäldes der Schlacht von Lepanto
sowie die die Besichtigung der dortigen
von Palladio erbauten Villa Pisani. Nach einem erlebnisreichen Tag geht es am frühen Abend nach  Montegrotto
ins Hotel. Nach dem Abendessen gibt es einen Begrüßungscocktail mit Musik.  
  2.Tag Fr. 5. Oktober Bei schönem, Wetter machen wir uns auf zur 50 km entfernten Villa Foscari Malcontenta  und besichtigten dort Villa und Park.
Hier entsteht unser obligatorisches Gruppenfoto .
Anschließend geht es in den Wallfahrtsort Monsélice am Südrand der Euganeischen Hügel. Das zauberhafte Bergstädtchen
ist  mit seiner Rocca im Mittelalter mit fünf Mauerringen stark befestigt, die teilweise noch heute sichtbar sind. Auf einem
Spaziergang erleben wir die Piazza Mazzini mit dem mittelalterlichen Torre civica und dem Palazzo del Monte di Pietà. Die
romanische Kirche Santa Giustina stammt aus dem 12. Jahrhundert. Als nächstes  fuhrt der  Bus  entlang des Brenta nach
Mira , wo wir die Villa Foscari-Widmann besichtigten. Nach dem Mittagessen bestiegen wir in Dolo das Boot. Nun
begleiten uns die Komödien Goldonis, wir hörten eine Stelle aus La Villeggiatura, die das Landleben der Adeligen kritisch
betrachtet. Auch Montaigne, Byron u.a. beschrieben dieses Erlebnis einer Fahrt auf der Brenta, denn an beiden Ufern stehen als Meisterwerke der
venezianschen Architektur aus dem 17. und 18. Jahrhundert, weitere Sommervillen der Dogen- und Patrizierfamilien.  
Am Nachmittag geht es weiter zu der besonders großen und prächtigen Villa dei Pisani in Stra
,
deren
wechselvolle
G
eschichte uns Herr  
W
eiss eingehend erläutert. 1756 nach 20-jähriger Bauzeit im Auftrag
der adligen Familie Pisani vollendet, wurde die Villa 1807 von Napoleon erworben, der hier jedoch nur
einmal übernachtete. Von ihm soll der Ausspruch stammen. Für einen Grafen zu groß, für einen König zu
klein
.
Während der napoleonischen Besetzung residierte hier der Stiefsohn Napoleons Eugene
Beauharnais als französischer Vizekönig.1934 fand in der Villa ein Treffen von Mussolini und Hitler
statt. Goethe kannte allerdings diese Villa nicht, war sie doch nicht von Palladio erbaut.
  
3.Tag  Sa, 6.Oktober   
Zunächst besichtigten wir die Kirche Santa Maria Gloriosa, auch Frari-Basilika (Brüderkirche)
genannt, den größten und
bedeutendsten gotischen Sakralbau in Venedigs, über deren Hochalter Tizians Gemälde Mariä Himmelfahrt schwebt. Goethe hatte
auf seiner bisherigen Reise gezielt die Gemälde des von ihm wegen seiner Klarheit sowie seines Kolorits geschätzten Meisters
aufgesucht. Später besaß er in seiner Graphiksammlung über 80 Kupferstiche dieses Malers
Westlich davon  befinden sich Kirche und Haus der Bruderschaft des hl. Rochus, die Scuola Grande di San Rocco, die vor allem
berühmt ist für ihre reiche Ausstattung mit einem aus 56 Gemälden bestehenden Bilderzyklus des Malers
Jacopo Tintoretto, dem größten zeitgenössischen Konkurrent Tizians.
Der Rundgang führt absichtlich zu
Kirchen und Monumenten, die Goethe während seines Venedig-Aufenthalts aufgesucht hat, die aber zum
Glück von den Strömen der Touristen wenig frequentiert werden. Auch können die Grabmale von Tizian und Canova in ihrer
Neugestaltung aus dem 19. Jahrhundert betrachtet werden Da die Zeit knapp wird, können wir  die Casa di Goldoni und die Maria
del Rosariokirche nur von außen besichtigen.  
Dasselbe gilt für Goethes Logis  an der Ponte die Fuseri, einem sehr attraktivem Haus, in dem sich 1786 das Hotel
Königin von England befand. Die Besichtigung von Goethes Wohnhaus seines zweiten Italien-Reise im Frühjahr
1790 an der Riva del Carbon wurde dadurch verschönert, daß wir vom Balkon in einem Nachbarhaus aus den Kanal
bewundern können. Im Gegensatz zu der 17-tägigen Venedig Reise im Jahr 1786 dauert der Venedig-Aufenthalt 1790
sieben Wochen, in denen er, durch schlechtes Wetter weitgehend ans Haus gefesselt, die Venezianischen Epigramme zu
Papier bringt.  
Um uns dies gewissermaßen zu veranschaulichen, beginnt es nun heftig zu regnen; ein Teil der Gruppe setzt sich daher
ab und zieht es vor, statt weitere bauliche Sehenswürdigkeiten im Regen zu betrachten, lieber im Trockenen einen
Cappucino oder einen Vino trinken. Wer bei Herrn Weiss verbleibt, erlebte einen ziemlich nassen und über fünf  km langen
Fußmarsch entlang vorbei am Campo Santo Stefano- San Maurizio- S.Maria del Giglio.  
Im Teatro Goldoni ist den unermüdlichen Regenläufern ein kurzes Innehalten vergönnt; im trockenen Foyer kann er ihnen Goethes Aufzeichnungen
von diesem Tag aus dem Reisetagebuch an Charlotte von Stein vorlesen. Dort heißt es dazu: Ich fand leicht den
großen Kanal und die Hauptbrücke Rialto; sie besteht aus einem einzigen Bogen von weißem Marmor. Von oben
herunter ist es eine große Ansicht, der Kanal gesäet voll Schiffe, die alles Bedürfnis vom festen Lande herbeiführen
und hier hauptsächlich anlegen und ausladen, dazwischen wimmelt es von Gondeln. Mittags sind  auch wir endlich in
ziemlich flottem Schritt, dem nicht alle zu folgen vermögen, auf der Rialto-Brücke angelangt, doch
da wimmelte es eher von Regenschirmen, denn mittlerweile giest es nun ziemlich heftig.
Genießendes Verweilen samt einiger Fotos auf den Canale Grande und  den Lido am Horizont fallen
daher aus. Schließlich gilt es noch, den Markusplatz zu besichtigen.  
Nur zu gern hätte Herr Weiss verlesen, was Goethe zu der berühmten Piazza St. Marco zu
bemerken hat, doch vor lauter Regenschirmen und Touristenmassen  mit Handys in der Hand,
ist kaum etwas zu sehen vom Dom, dessen Portale  unter goldverzierten Bögen er in der
Italienischen Reise spöttisch mit einem
ungeheuren Schalentier, einem- kolossalen Taschenkrebs
vergleicht.  
Auch der Dogenpalast mit seinen kurzbeinigen dicken Säulen verletzte seinen Geschmack, mißfällt ihm
wie zu dieser Zeit alles, was in seiner Formgebung nicht auf der Antike oder deren palladianischer  
Nachempfindung entspricht.  Man beschließt daher, die Besichtigung des Markusplatzes auf den
nächsten Tag zu verschieben, am späten Nachmittag treffen alle wieder zusammen auf dem Bahnhof S. Lucia, um gemeinsam mit der
Regionalbahn zurück nach Montegrotto ins Thermen Hotel die Nazioni zu fahren.  
4. Tag   So, 7. Oktober - bewölkt, aber kein Regen mehr.
Am nächsten Morgen geht es mit der Bahn wieder zum Bhf  Venezia/ S. Lucia. Dort besteigen wir ein
Schiff, einen sogenannten People Mover, zu Goethes Zeiten hießen diese Schiffe Burchiello .  
Es geht entlang der Insel Giudecca , vorbei an der Kirche Il Redentore von Palladio, die fast noch so
aussieht, wie auf den Gemälden Canalettos vor über 200 Jahren. Als ihm später der Herzog von
Weimar den Bau eines privaten Rückzugsortes im Park überträgt, entwirft er im Stil Palladios ein
römisches Haus für seinen Fürsten (1792-1798), die Hauptfront eingeschossig mit vorgelegter
Freitreppe und einfacher, durchgehender Säulenhalle, darüber ein abschließender Giebel mit Bildwerk.  
In der ebenfalls am Ufer gelegenen Accademia begeistert Goethe die Fassade des geplanten Klosters della Carità: Der sowohl
im ganzen als in seinen einzelnen Teilen trefflich gezeichnete Plan machte mir unendliche Freude, und ich hoffte ein
Wunderwerk zu finden; aber, ach! Es ist kaum der zehnte Teil ausgeführt; doch auch dieser Teil seines himmlischen Genius
würdig, eine Vollkommenheit in der Anlage und eine Genauigkeit in der Ausführung, die ich noch nicht kannte. Heute ist dort
neben einer Zeichenakademie ein Palladio-Museum untergebracht, für dessen Besichtigung allerdings die Zeit nicht reicht.  
Unser Ziel ist das Arsenal, die antike Schiffswerft, samt Besichtigung des dortigen Museums . Diese interessiert Goethe
besonders, da ich noch kein Seewesen kenne. Beeindruckt ist er von zwei ungeheuren Löwen von weißem Marmor vor
dem Tore des Arsenals; der eine sitzt aufgerichtet, auf die Vorderpfoten gestemmt, der andere liegt
- herrliche Gegenbilder von lebendiger Mannigfaltigkeit. Dort bestaunen wir den Nachbau des
Bucintoro.  
Im Reisetagesbuch heißt es dazu: Das Schiff ist ganz Zierat, also darf man nicht sagen: mit Zierat
überladen, ganz verguldetes Schnitzwerk, sonst zu keinem Gebrauch, eine wahre Monstranz, um
dem Volke seine Häupter recht herrlich zu zeigen. Dieses Prunkschiff ist ein rechtes
Inventarienstück, woran man sehen kann, was die Venezianer waren und sich
zu sein dünkten.
             Goethe sah freilich noch die Original-Pracht-Galeeren  in voller Größe.
Pünktlich zur Mittagspause landeten wir auf dem Markusplatz, wo- nach kurzer geschichtlicher Erläuterung- ein
jeder das tun konnte, was er wollte. Die im Lido kreuzenden Hochhaus-Schiffe, die dort zwischen Dogenpalast und
Basilika immer auftauchen , haben mit den Bucintoros vergangener Jahrhunderte
allerdings nichts mehr zu tun.   
Unsere Schriftführerin Monika Estermann, die bereits mehrmals in Venedig war,
fotografiert einmal mehr besondere Details. Daß zwischen dem Weltkulturerbe die
Wäsche baumelt und viele Fassaden in ihrer Bausubstanz so bedroht sind, daß überall
unübersehbar Baugerüste und Metallstützen stehen, sieht man allerdings erst, wenn man
diese Fotos aufmerksam in voller Größe betrachtet.  
Da der Markusdom völlig überlaufen ist, besichtigen wir am Nachmittag Santi Giovanni e Paolo
,
(auf venezianisch
Zanipolo) nach San Marco die zweitgrößte Basilika Venedigs und ein wahrhaft monumentaler Kirchenbau. Ihr Bau
begann im 13. Jahrhundert und dauerte etwa zweihundert Jahre. In dieser Kirche wurden ab dem 15. Jahrhundert die
Dogen von Venedig beigesetzt  Ferner besichtigen wir noch die direkt neben der
Kirche San Zanipolo gelegnene Scuola
Grande di San Marco, ein Gebäude aus der venezianischen Frührenaissance. Heute ist das Gebäude der Haupteingang des Krankenhauses Ospedale
Civile SS. Giovanni e Paolo di Venezia.
5. Tag  8. Oktober  
Am Morgen geht es nach einer Rundfahrt in den Euganeischen Hügeln ins Dörfchen Arqua
Petrarca. In dem malerischen Städtchen wurde der bedeutende Humanist Petrarca geboren.
Neben Dante und Boccacio war Francesco Petrarca einer der drei führenden italienischen
Humanisten des 14. Jahrhunderts. Mit Petrarcas Werk, besonders seinen Sonetten war Goethe
von früh auf vertraut. Die Schönheit des Ortes in seiner in die Natur eingefügter Gestaltung
wirkt sehr anregend und verinnerlichend auf die Besucher. Sowohl das Grabmal Petracas vor
der Chiesa di S. Maria Assunta als auch die Kirche des Ortes können besucht werden.
   
  
Danach fahren wir nach Chioggia, das wie Venedig als Lagunenstadt auf Holzpfählen
errichtet wurde. Bei einer Schiffsfahrt mit dem Fischerboot (bragozzo), konnten wir die  
Umrisse der Stadt vom Wasser aus bewundern.
Im Reisetagebuch notiert Goethe
:
9.Oktober    Ein köstlicher Tag von Morgends biß in die Nacht. Ich fuhr biß Palästrina,
gegenüber Chiogga wo die großen Baue sind, die die Republick gegen das Meer führen läßt.
sie sind von gehauenen Steinen und sollen eigentlich die lange Erdzunge sichern, welche die
Lagunen von dem Meere trennt.
  
Für eine Fahrt zu den Muschelbänken bleibt allerdings keine Zeit mehr. Ursprünglich war
geplant, wie seinerzeit Goethe, den Muschelfischern zuzuschauen, deren Haupterwerb das Ernten der vongole (Venusmuscheln) ist .
Goethe war fasziniert von diesen Kriechtieren und schrieb:  
   Ich wende mich mit meiner Erzählung nochmals ans Meer, dort habe ich heute die Wirtschaft der Seeschnecken, Patellen und
Taschenkrebse gesehen und mich herzlich darüber gefreut. Was ist doch ein Lebendiges für ein köstliches, herrliches Ding! Wie
abgemessen zu seinem Zustande, wie wahr, wie seiend!  
Zum Abschied von Venetien gab es ein gemeinsames Mittagessen in Chioggia-Sottomarina; statt der angebotenen Muscheln, die bereits
von ihren Schalen befreit sind und nicht so ganz frisch gefischt aussehen,  ziehen daher viele von uns einen Teller Spaghetti ohne vongole
vor.    
Insgesamt war die Reise sehr beeindruckend, auch Teilnehmer die schon öfters in Venedig waren, erlebten die Lagunenstadt unter der
Führung von Herrn Weiss  auf neue Weise. Beeindruckend war, daß er immer wieder Wege fand, um den Haupttouristenströmen zu
entgehen. Die Reise war sehr harmonisch und hat die Mitglieder der Goethe Gesellschaft Berlin noch enger verbunden.  
2019 Reise nach Weimar Bonn, und Düsseldorf    
Zum vierten Mal sind wir unterwegs mit der Firma
Besser-Reisen, deren Leiter Steffen Besser uns wieder
aus Berlin abholt, um uns nach zweitägigem Weimar-
Aufenthalt sodann durch die Rheinlande zu kutschieren.
Trotz der ursprünglichen Hindernisse-  knappe
Hotelkontingente und,  bedingt durch gleichzeitig
stattfindende events  wie Bachfest und 100 Jahre
Bauhaus und dadurch erforderliches mehrfaches
Umstoßen der Ablauf-Planung - gelingt uns etwas, was
die Klassik Stiftung Weimar sonst nur VIP's angedeihen
läßt: eine Führung durch Goethes Wohnhaus am
Montag, der dort ansonsten seit Jahren grundsätzlich
strikter Ruhetag ist, an dem Reinigungsfirmen,
Handwerker und Gärtner dort werkeln.  
Frau Dr. Petra Werche, Kunsthistorikerin und Leiterin
der Kustodin des
Goethehauses führt
uns durch die
Wohnräume und
erläutert uns die
architektonischen
Aspekte und
Vorstellungen, die
Goethe nach seiner Rückkehr
aus Italien bewogen, das
ursprüngliche Barockgebäude-
so gut dies eben möglich war-
nach dem Vorbild italienischer
Villen umzugestalten, etwa
durch die Schaffung eines
repräsentativen Treppenhauses,
und die gezielte Plazierung von antiken Statuen und
Bildern.
Anschließend erläutert uns im
Studiensaal Margarete Oppel den
Aufbau der graphischen Sammlungen
Goethes, die aus über 9000
Druckgraphiken und mehr als 2000
Handzeichnungen besteht, von denen
wir
einige
im Original zu
sehen bekommen.
Unter diesen
Blättern befinden
sich Arbeiten von Albrecht Altdorfer, Holbein und
Dürer, Parmigianino, Giovanni Francesco Barbieri,
Jacopo Tintoretto, Rembrandt, Abraham Bloemaert,
Jacob de Wit, Claude Lorrain und Antoine Watteau;
doch auch Werke von Goethes deutschen
Zeitgenossen sind vertreten unter anderem von Jakob
Philipp Hackert, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein,
Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge. Eine
Sonderstellung nehmen die etwa 2100 eigenhändigen
Zeichnungen des Dichters selbst ein.  
Nicht nur die Blätter seiner graphischen Sammlung,
sondern auch Objekte aus den naturwissenschaftlichen
Kollektionen, etwa Pflanzen- Tier und Anatomie-
Darstellungen, präsentierte er gerne seinen Gästen und
Besuchern, um seine Anschauungen und Erkenntnisse
zu vermitteln.
Ebenfalls anhand einiger
Original-Exponate erhalten
wir sodann einen Einblick in
die naturwissenschaftlichen
Sammlungen durch die
langjährige Leiterin Frau Dr.
Gisela Maul. Hierbei handelt
es sich um einige tausend Objekte aus dem Bereich der
Botanik und Zoologie, also vor allem Tier- und
Pflanzenpräparate, und nicht zuletzt etwa 1500 Apparate,
Materialien und Versuchsanordnungen aus Physik und
Chemie, vornehmlich aus dem Bereich der Optik, aber
auch der Elektrizität und der Meteorologie. Die
Mineralien und Gesteine zählen nicht hierzu, sondern
werden gesondert erwähnt. Die Sammlungen bezeugen
sein Interesse an den naturwissenschaftlichen
Entdeckungen seiner Zeit und geben Einblicke in seine
eigene Forschungstätigkeit in den Bereichen der
Anatomie, der Botanik, der Optik usw. Ohne seine
Sammlungen wären weder die Metamorphose der
Pflanzen noch die Farbenlehre entstanden. Allein die
Sammlung zur Optik umfaßt rund 1100 Objekte.
Den Einblick in eine weitere
Sammlung besonderer Art erhalten
wir von Dr. Katharina Krügel, der
Leiterin der Kunstsammlungen.
Goethe war sein Leben lang ein
begeisterter Sammler antiker
Gemmen und den Abdrucksammlungen von
Gemmen, sogenannten Daktyliotheken. Er schätzte
sie besonders als Vermittlungsmedium für das
klassische Altertum. Von den überlieferten 39
Kollektionen stellte sie uns drei besonders kostbare
Abdrucksammlungen genauer vor: die nach den
pierres gravées des Baron von Stosch gefertigte
Sammlung, die -
Daktyliothek des Giovanni
Pichler und die
Sammlung August
Kestner.
Am Nachmittag besuchen
wir den Rokokosaal der zum UNESCO-Weltkulturerbe
gehörenden Anna-Amalia-Bibliothek, die Anfang
September 2004 bei einem Brand teilweise zerstört
worden war und seit 2011 im Äußeren
wiederhergestellt ist. Der Referatsleiter Literatur- und
Bibliotheksgeschichte Roland Bärwinkel erläuterte uns
noch einmal die Nacht des verheerenden Brandes aus
seiner Erinnerung. Das Feuer hatte, neben dem
historischen
Gebäude, auch
zahlreiche
Bücher
beschädigt,
etwa 50.000
Bände wurden
vollkommen zerstört. 62.000 Bände mit schweren
Brand- und Wasserschäden waren in das Leipziger
Zentrum für Bucherhaltung gebracht worden. Davon
stehen inzwischen 16.000 restaurierte Bände den
Benutzern wieder zur Verfügung. Die Gesamtkosten
für die Restaurierung und Wiederbeschaffung der
Bücher schätzt die Klassik Stiftung Weimar auf 67
Millionen Euro. Ein Viertel dieser Summe kam bisher
durch Spenden zusammen. Die Sammlung der
Herzogin Anna Amalia Bibliothek umfaßt insgesamt
rund 900.000 Bände vom 9. bis zum 21.Jahrhundert.
Nach Stärkung durch Kaffee und Kuchen schloß
sich am frühen Abend
noch die Vorführung
von Beate Schuberts
Film Goethe und sein
Haus am Frauenplan
am authentischen Ort
an. Nun konnte ein jeder
noch einmal in Ruhe  
anhand der Kamera-
Fahrten durch die
Räume die Bedeutung
der einzelnen Kunstschätze erfahren, die das Haus
am Frauenplan birgt, eingebettet in eine
biographischen Zeitreise durch entscheidende
Stationen und Perioden in Goethes Leben.
Dienstag, 21.5
Am nächsten Vormittag konnte man sich wahlweise
die Dauerausstellung des Goethe
Nationalmuseums (seit 2012)
ansehen oder die Ausstellung 100
Jahre Bauhaus.
Am Nachmittag erwartete uns ein
anschaulicher Vortrag von Dr.
Bernhard Fischer, dem Leiter
des Goethe-Schiller-Archivs über eine weitere
Sammlung des Dichters, die kaum bekannt ist. Daß
Goethe leidenschaftlich Autographen sammelte und
der Nachwelt seine Lieblingssammlung von über 2500
eigenhändigen Zeugnissen denkwürdiger Personen
überliefert hat, ist kaum bekannt. Mehr als 25 Jahre
trug er dafür Briefe, Manuskriptstücke, Notenblätter,
Zeichnungen, amtliche Dokumente, Notizzettel, ganze
Stammbücher oder die bloße eigenhändige
Unterschrift von Künstlern, Gelehrten, Politikern und
Monarchen zusammen. Freunde und Bekannte sorgten
für stetigen Zuwachs, während Goethe das
Vorhandene
sorgsam
archivierte und
katalogisierte.
Neben dem
Bestreben,
originale
Zeugnisse der
Geistesgeschichte zu bewahren, begeisterte ihn der
unmittelbare Umgang mit jedem einzelnen Original-
so konnte er die Geister der Entfernten und
Abgeschiedenen hervorrufen und um sich
versammeln. Goethe liebte es,
die Blätter zur Betrachtung
heranzuziehen und anderen
vorzulegen. Oft führte er auch
einzelne Sammlungsstücke als
Tauschobjekte auf seinen Reisen
mit sich.  
Der unmittelbare Umgang mit
den Originalen half ihm, wie es
in seinen Briefen heißt, dem unwiderstehlich
innewohnendem Schauensdrang zu genügen und die
Geister der Entfernten und Abgeschiedenen
hervorzurufen und um sich zu versammeln.  
Und auch wir durften uns nun - erläutert vom
Experten - einige besondere Stücke aus der Sammlung
aus allernächster Nähe ansehen.
Daran schloß sich-
ebenfalls im Goethe
Schiller Archiv- unter
dem Titel Öl in die
Lebenslampe, ein
ausführlicher Vortrag
von Dr. Dieter
Lehnhardt über den Sammler Goethe an, eine
Veranstaltung der Goethe-Gesellschaft Weimar e.V., bei
der wir uns dankenswerterweise einklinken konnten.
Öl in die Lebenslampe, ist ein Zitat aus einem Brief, den
Goethe am 18.10.1819 an
Johann Heinrich Meyer, dem
so genannten Kunschtmeyer,
seinem langjährigen Freund
und Berater in Kunstfragen
geschrieben hatte und in dem
es heißt: Die Kupfer - gemeint
sind hier Kupferstiche -
machen mir viel Freude. Es ist
immer wie Öl in die
Lebenslampe, wenn man so außerordentliche
Thätigkeiten auch nur im Widerglanz erblickt. Zählte es
doch zu den besonderen Neigungen, wie persönlichen
Genüssen des Augenmenschen Goethe, sich mit
zahlreichen Kupferstichen zu umgeben und sich in
Bilderwelten zu ergehen, um Anregungen für sein
literarischen Schaffen zu erlangen.
Wir erfahren, warum Goethe zum Sammler wurde, was
er sammelte, wie er sammelte und was mit seinen
Sammlungen geschehen sollte. Goethe als Sammler, so
hebt Lehnhardt hervor, geht mit der ihm eigenen
Leidenschaft, wie mit der selbstgebotenen akribischen
Sorgfalt und Ordnungsliebe vor und bestimmt für seinen
Nachlass, dass seine Sammlungen zusammenbleiben
und der Allgemeinheit zugänglich sein sollen. Ohne
jene letztwillige Verfügung gäbe es auch das
Goethe-Nationalmuseum mit all seinen Schätzen
nicht, das nicht zuletzt Weimar als Erinnerungsort
begründet.
Mittwoch, 23.5.
  
Am nächsten Tag brechen wir auf
nach Bonn, wo uns nachmittags
eine Führung in der dortigen
Bundeskunsthalle erwartet durch
die Ausstellung Die Verwandlung
der Welt, die man anläßlich des
270. Geburtstages von Goethe in
Szene gesetzt hat. Es ist die erste
große Goethe Ausstellung seit 25 Jahren, die seine
Biographie und sein Wirken sowie die Rezeption
seiner Werke in
unterschiedlichen
Zeiträumen betrachtet. Mit
rund 200 Leihgaben aus
aller Welt und in neun
Kapiteln werden dem
Besucher Goethe, sein
Leben, sein Werk und
seine Zeit nähergebracht.  
Die Schau wirft ein erhellendes Licht auf die
umwälzenden Veränderungen, die die Aufklärung mit
sich brachte. Angefangen bei der Kindheit in
Frankfurt betrachten die einzelnen Stationen, in
keilförmigen Sälen im Halbkreis um eine
Zentralrotunde angelegt, große Themenkomplexe wie
den Stürmer und Dränger, den Staatsmann,
Reisenden, den Schiller-Freund und Napoleon-
Verehrer, den Goethe der Farbenlehre, den
Dramatiker und Sammler.
Eines von neun pointierten Kapiteln in der Schau
widmeten die Kuratoren Goethe, dem Islam und der
Debatte über das Verhältnis von Orient und
Okzident, denn schließlich ist ja auch Divan- Jahr.
Der Zeitgeist des 21. Jahrhunderts mit visuellen
Eyecatchern und
Collagen wie Goethes
versinkender
Reisekutsche weht
denn auch um alle
Ecken.  
Der Bonner General-
Anzeiger vermerkt irritiert: Im Kapitel Die Reise
nach Italien wird ein Bogen geschlagen von
Goethes Liebe zur Antike bis zur fulminanten
Italophilie des Malers Cy Twombly.  
Es gibt überhaupt viel
Kunst in Goethes
Windschatten: Die
Farblehre des Meisters
führt zu einem
hochkarätigen
Potpourri der Moderne
von Josef Albers und
Mondrian bis Otto Freundlich, Olafur Eliasson
sowie zum rotglühenden Farbrausch von Regine
Schumann.
Von den Reiseteilnehmern, die nun gerade aus
Weimar kamen, wo sie durch die Begehung der
Wohnräume am Frauenplan und die Vorträge samt
Original-Exponaten in engstem Kontakt mit
Goethes geistiger Welt gekommen waren, wurde die
aufwendig inszenierte Schau überwiegend als
vordergründig wahrgenommen.  
Vor Beginn unserer Führungen trafen wir bereits
Manfred Osten, der uns in der Kunsthalle begrüßte
und am Abend in unser Quartier kam, um mit uns
eine Diskussion über die Ausstellung zu führen. Er
monierte die beliebige Ansammlung von Exponaten
als reine effekthaschende Stoffhuberei, mit der
seiner Ansicht nach die Chance vertan worden sei,
die Aktualität Goethes im 21. Jahrhundert zu
reflektieren. Konsens herrschte danach unter den
Anwesenden, daß die Ausstellung zweifellos
interessante Anregungen und Aspekte behandelte,   
im Bereich der Moderne jedoch wichtige
Goethische Themen vermissen ließ, etwa Natur und
Umwelt betreffend, die die Jugend besonders
ansprechen könnten. Insgesamt war der Abend sehr
launig, und bereichernd.  
Donnerstag, 24.Mai
Am nächsten Besuch Tag stand auf
der Agenda der Besuch des Goethe-
Museums Düsseldorf in Schloß
Jägerhof. Neben der Klassik Stiftung
Weimar und dem Freien Deutschen
Hochstift in Frankfurt a.M. ist es
eine der drei
großen Goethe-
Archiv- und
Forschungsstätten.
Zur Institution
gehören das
Museum, das
Handschriftenarchiv, die Forschungsbibliothek, die
Kunstsammlung und ein Veranstaltungszentrum.  
Museumsleiter Prof.
Christoph Wingertszahn und
seine Stellvertreterin Dr.
Heide Spies hießen uns
herzlich willkommen und
führten uns durch die eindrucksvollen soeben
restaurierten Räumlichkeiten des Museums.  
Sodann erläutert uns der Kurator Damian Mallepree
die neu eröffnete Ausstellung Was die Welt im
Innersten zusammenhält - Biotechnologie im
Faust-Labor, mit der man auf die Modernität
Goethes hinweisen will. Bezugnehmend auf Faust
II, in dem der Homunculus als auf chemischem Weg
erzeugter Mensch erscheint, behandelt das Faust-
Labor im Goethe-Museum das Verhältnis von
natürlichem Werden und künstlichem Gemacht-
Werden. Während der Entstehungszeit des Faust
hatte der deutsche Chemiker Friedrich Wöhler im
Jahr 1828 die Harnstoffsynthese entwickelt, also die
erste erfolgreiche Umwandlung von anorganischer
in organische Materie. Was hält die Welt im
Innersten zusammen? Das Lebendige - ist es in der
Anatomie zu finden?
Höhepunkt war dann der Vortrag
von Frau Dr. Spies über die enge
freundschaftliche Beziehung
zwischen Goethe und mit dem
Philosophen und Kaufmann
Friedrich Heinrich Jacobi, dessen Wohnhaus, das
legendäre Landgut
Pempelfort ganz in der
Nähe des Museums
liegt. Besonders das
Verhältnis zu Goethe
war von enger
Freundschaft und von ebenso intensiven
Zerwürfnissen geprägt. Erfahrbar wird dies
besonders in dem mit Aufregung um Woldemar
betitelten Schaukasten. Nach dem Riesenerfolg
seines Werther hatte der Weimarer Dichterfürst den
Düsseldorfer Freund ermutigt, ebenfalls Romane zu
schreiben. Daraufhin verfaßte Jacobi besagten
Briefroman Woldemar und stellte eine Widmung an
Goethe voran: Meine Gabe möge dir gefallen! Liebe
mich; lebe wohl.
In einem benachbarten Restaurant hatte die
Museumsleitung für die Berliner Gäste einen
Mittagstisch reservieren lassen; zur Verabschiedung
kam Prof. Wingertszahn noch einmal zu den
Berlinern und wünscht ihnen eine gute Heimreise.
Ein Foto, das
vor dem
Einstieg in den
Bus vor der
Rückreise
gemacht wurde,
zeigt die
harmonische
und fröhliche Stimmung. Konsens herrschte bei den
Teilnehmern darüber, daß es sich um eine gelungene
Bildungsreise handelte, auf der wir zahlreiche
unmittelbare Aufschlüsse über Goethes ausgeprägte
Sammelleidenschaften gewinnen konnten.
.
Am 25. Mai fand im Konzerthaus Berlin
in Zusammenarbeit mit der
Berliner Singakademie e.V.
unser Festakt
100 Jahre Goethe - Gesellschaft Berlin e.V.
statt
In seiner Eröffnungsrede wies Prof. Dr. Volker Hesse darauf hin, daß das von Karl Friedrich Schinkel erbaute Neue Königliche
Schauspielhaus am 26. Mai 1821 mit einem von Goethe verfaßten Prolog und seinem Schauspiel Iphigenie auf Tauris eingeweiht
wurde. Goethe schreibt an den Generalsintendanten des Berliner Schauspielhauses Graf von Brühl: Das Theater ist ein Gemeingut;
wie an einer Heilquelle versammeln sich alle Stände, Geschlechter, Jahre, als Hilfsbedürftige, aber auch als Gesunde zu
zerstreuender Unterhaltung und zur Fördernis eines Jeden.
Den einführenden Worten schloß sich das Grußwort und der wissenschaftliche Vortrag des Präsidenten der Goethe Gesellschaft
in Weimar, Prof. Dr. Jochen Golz, an. Dieser würdigte in hohem Maße die Leistungen der Goethe-Gesellschaft Berlin e.V. und
vor allem auch die positive Entwicklung, die diese in den letzten Jahren genommen habe.
Den Festvortrag zum Thema: Goethe und Berlin 1774 - 1832 hielt
unsere Vorsitzende Beate Schubert, gestützt auf zahlreiche Bilder,
die Goethe jahrzehntelange intensive Beziehungen zu Berliner
Wissenschaftlern und Künstlern, zu Literaten und Philosophen sowie
zu Universität und Theater veranschaulichten.
In Berlin ist ein so verwegener Menschenschlag beisammen, daß man mit
Delikatesse nicht weit reicht, sondern daß man Haare auf den Zähnen haben
und mitunter etwas grob sein muß, um sich über Wasser zu halten.
Diese Bemerkung des 74-jährigen Goethe Eckermann gegenüber, würde- so
die Referentin- immer wieder kolportiert und habe zu der irrigen Meinung
beigetragen, Goethe hätte Berlin nicht gemocht.
Tatsächlich wurde er unzählige Male an die Spree eingeladen und sagte doch
immer wieder unter Vorwänden ab. ;Schließlich war er auch nur ein einziges
Mal dort, im Mai 1778 und das auch nur 5 Tage lang und nicht freiwillig,
sondern im Schlepptau des Herzogs Carl-August.
Doch diese angebliche Berlin-Animosität Goethes träfe gar nicht zu, ganz im Gegenteil. Mit keiner anderen Stadt habe sich
Goethe so intensiv auseinandergesetzt wie mit Berlin; ständig will er darüber
auf dem Laufenden gehalten werden, was hier geschieht und ist meist bestens
darüber unterrichtet.
Zu keinem anderen Ort pflegt er so intensive und fruchtbare Kontakte: menschlich, politisch, künstlerisch, wissenschaftlich.
Dies allerdings erst in der zweiten Lebenshälfte. Erwähnt seien hier u.v.a. die Freundschaft zu dem Schriftsteller Karl Philipp
Moritz und dem Komponisten Johann Friedrich Reichhardt sowie dem Landschaftsmaler
Philipp Hackert, die er bereits in Italien kennenlernt, ferner den Brüdern Wilhelm und
Alexander v. Humboldt, mit denen er eine jahrzehntelange Korrespondenz bis an sein
Lebensende unterhält ebenso wie mit dem einzigen Duzfreund, dem Komponisten Carl
Friedrich Zelter . Enge Beziehungen unterhält er ach zu dem Frühromantiker Ludwig Tieck und seinem Bruder, dem Bildhauer Friedrich
Tieck, später zu den Bildhauern und Architekten Gottfried Schadow, Christian Rauch und Karl Friedrich Schinkel sowie zu dem jungen
Felix Mendelssohn-Bartholdy.( Den gesamten Vortrag finden Sie unter der Rubrik GOETHE UND BERLIN )
Nach dem ausführlichen Festvortrag bringt das befreundete Berlin-Quartett, bestehend aus Prof. Klaus
Hellwig: Klavier - Prof. Christiane Edinger: Violine - Dr. Manfred Osten: Viola und Sebastian
Töttcher: Violoncello das Klavierquartett g-Moll, KV 478 von Wolfgang Amadeus Mozart zu Gehör
 
In der Pause konnte man einem Büchertisch die Festschrift erwerben sowie unsere jüngste Publikation Weltbürger
Goethe; Interessierte erhielten ein Handout über die überaus wechselvolle Geschichte der Berliner Goethe-
Gesellschaft seit 1919 in der Weimarer Republik sowie im 3. Reich einschließlich der Wiedergründung 1987 nach 40-
jähriger Pause.
Im anschließenden Podiumsgespräch sprachen Dr. Manfred Osten und Nikolaus Sander, Manager der Berliner Singakademie über
Das Verhältnis zweier ziemlich bester Freunde
nämlich dem Dichter, Naturforscher, Minister, Johann Wolfgang von Goethe, (Weimar) und Carl Friedrich Zelter, Maurermeister,
Komponist, und Leiter der Berliner Singakademie. (Berlin).
Goethes Bild der preußischen Residenz wird in seiner zweiten Lebenshälfte maßgeblich geprägt von Zelter; dieser wird für ihn bald
zum wichtigsten Berichterstatter über Berliner Verhältnisse in der bürgerlichen Gesellschaft und bei Hof, er berichtet über die
Entwicklung der Stadt und ihrer Bewohner und das dortige kulturelle Leben in allen seinen Manifestationen. Er ist der Vermittler
persönlicher Kontakte zwischen Goethe und Berliner Persönlichkeiten der Wissenschaft und Kunst. Im Laufe der Zeit wird er selbst so
etwas wie der offizielle Repräsentant des Dichters in Berlin. Mit ihm ergibt sich eine jahrzehntelange Korrespondenz, die in dem
menschlich anrührenden und kulturhistorisch höchst interessanten Briefwechsel nachzulesen ist. Zelter fand viele Gedichte Goethes zur
Vertonung geeignet, später verfaßte dieser zum Teil Verse eigens für den geselligen Kreis des Freundes.
Neben dem Berlin-Quartett wurde die Jubiläumsfeier durch weitere eindrucksvolle musikalische
Beiträge gekrönt. Hier ist vor allem die Berliner Singakademie zu nennen, deren Chor
dankenswerter Weise das Programm mit Zelter-Vertonungen von Goethe-Gedichten bereicherte,
etwa: Es war ein König in Thule - Heideröslein - sowie dem Bundeslied. Hervorzuheben ist auch
die musikalische Eröffnung des Festprogramms mit dem Mailied, vorgetragen von Julia
Kunzendorf (Sopran).
Die 100 Jahr-Feier war ein herausragender, würdevoller und nachklingender Höhepunkt im Leben
der Berliner Goethe-Gesellschaft, so der allgemeine Konsens. Ein Minuspunkt ist allerdings zu
erwähnen: Wegen der Überlänge der Wortbeiträge, insbesondere des Festvortrags mußte, zu unserem großen Bedauern, der geplante Sektumtrunk entfallen. Im Konzerthaus
herrschen strenge Sitten: 40 Minuten über die vereinbarte Zeit, so etwas ist man von Musikern nicht gewöhnt.
Für die Organisation ist insbesondere unserem Schatzmeister Udo Eisner und seiner Frau Bärbel Friedländer herzlich zu danken sowie dem Ehepaar Schäfer und Herrn
Wolfgang Kästner, die ihnen bei dem nicht ganz unkomplizierten Kartenverkaufsgeschehen zur Seite standen.
Mittwoch 28. August: Goethes  270. Geburtstag in Schloß Ziethen.
  
Auch in diesem Jahr spielt das Wetter mit, das heißt, es ist bei 32 Grad dermaßen schwül, daß das
gemeinschaftliche Kaffeetrinken drinnen erfolgt. Einige Mitglieder weisen leicht vorwurfsvoll darauf hin,
daß sie, etwas später eintreffend, ein bereits arg geplündertes Buffet vorgefunden hätten, ein nicht ganz
neues Phänomen, daß ich endlich einmal ansprechen sollte. Wir bestellen umgehend nach, obwohl für jedes
Mitglied zwei Stück Kuchen vorgesehen waren; auf die Idee, daß manch einer wegen der Abfahrtzeit um 14
Uhr das Mittagsmahl ausgelassen hat, sind wir einfach nicht gekommen. Hier das einzige Foto vom
Kuchenschmaus, das zwei Teilnehmer ausnahmsweise von vorn und nicht mit vollem Mund zeigt.  
Bevor es nun im benachbarten Refugium vom Kaffee- zum Teegenuß übergeht, leitet Prof. Volker Hesse das
bevorstehende Programm mit der Verlesung eines 200 Jahre alten Rundgesangs ein, der 1819 zu Goethes Geburtstag
von dem Komponisten Albert Methfessel in Kochberg geschrieben und ihm von einem Methfessel-Nachfahren
übersandt wurde.
Sodann überreicht er unser Vorsitzenden Beate Schubert die von Gingko-Blättern umrahmte Urkunde der
Ehrenmitgliedschaft der Berliner Goethe-Gesellschaft. Als Dank für ihre umfangreichen Verdienste um die GG
Berlin e.V. war Frau Schubert bei der letzten MV im März zum Ehrenmitglied gewählt worden.  
In seiner Ansprache hebt Prof. Hesse ihre vielseitigen Leistungen hervor, die sie in ihrer Vorstandstätigkeit für die
Berliner Goethe-Gesellschaft seit 1987 erbracht habe. Besonders in ihrer 20-jährigen Tätigkeit als Vorsitzende seit
1999 habe sie die positive Entwicklung der Gesellschaft mit Ideenreichtum und zahlreichen Initiativen wesentlich
vorangetrieben. Sodann kommt der Laudator auf die von ihr 2017 herausgegebene Schrift zu sprechen, betitelt:
Nun man kommt wohl eine Strecke zum 30-jährigen Jubiläum der Neugründung zu sprechen. Die umfangreiche
Publikation habe das Leben der Gesellschaft in eindrucksvoller Weise umfassend aufgezeigt und mit zahlreichen
Bildern in Form einer Chronik dokumentiert. Die Überreichung der Urkunde an Frau Schubert wird von den
Teilnehmern mit großem Beifall aufgenommen.  
Alsdann hält Dr. Jens Riederer, Leiter des Weimarer Stadtarchivs, uns im benachbarten Refugium einen
Detailreichen Vortrag über die Weimarer Teekultur im 18. Jahrhundert.  
Hätten wir doch nur daran gedacht, den Zuhörern im vorhanglosen, sonnendurchfluteten, arg schwülen
Saal vorab ein kaltes Glas Wasser in die Hand zu drücken. Doch das Auditorium hält sich tapfer.  
Hier einige gelungene Fotos vom anschließenden Beisammensein auf der Schloßterasse:
  
  
Ein wohlschmeckendes, köstliches Buffet rundet die gelungene Feier zu Goethes 270. Geburtstag ab. In freudiger, festlicher Stimmung stoßen die Mitglieder
traditionsgemäß wieder mit einem Glas Sekt auf den Jubilar an.  
                                 
Sonderveranstaltung im Renaissance-Theater/Bruckner Foyer
West-Östlicher Divan - Rosa u. Jonathan Tennenbaum
                                        
1819 - also vor genau 200 Jahren- erschien als Erstausgabe in der Cotta/schen Buchhandlung Stuttgart Goethes
West-östlicher Divan, in dessen Versen dem Dichter eine hellsichtige Symbiose der Lyrik von Orient und
Okzident gelang. Anlaß genug für uns, nach dreijähriger Pause wieder einmal zu einer Sonderveranstaltung im
Bruckner-Foyer des Renaissance-Theaters einzuladen. Im Frühjahr hatte uns die Germanistin und Rezitatorin Rosa
Tennenbaum ihr Programm mit folgender Beschreibung übersandt:  
Die Verse des persischen Dichters Hafis sowie seine Beziehung zu Marianne v. Willemer inspirierten Goethe zu seiner
Gedicht-Sammlung West-östlicher Divan, die zum Schönsten und Humorvollsten gehört, was die Poesie hervorgebracht hat.
Die Veröffentlichung markiert einen Wendepunkt in dem Gedankenaustausch zwischen Orient und Okzident.  
Tiefgeistig, humorvoll, übermütig, auch mal derb, spiegelt er Ost und West in diesen Gedichten. Wir begleiten Goethe bei
seiner Reise durch den Orient; dazu erklingt Klaviermusik aus der Goethezeit von Mozart, Beethoven, Mendelssohn,
Schumann, Maria Szymanowska. So geschah es vor vollem Haus, das Auditorium war äußerst angetan und spendete
ausgiebig Applaus.